Die Presse

Der Taktgeber im Spitalswes­en

Porträt. Traditione­lle Krankenhäu­ser sind entlang ihrer Prozesse organisier­t. Als Geschäftsf­ührer zweier orthopädis­cher Spitäler stellt David Pötz so manchen Ablauf auf den Kopf.

- VON ANDREA LEHKY

Ein Umrührer will David Pötz (38) nicht sein. „Das Gesundheit­swesen braucht keine Einzelheld­en“, findet er. Die Rolle des Ermögliche­rs gefällt ihm schon besser: „Es braucht Empathie, Geduld und Verständni­s für komplexe Systeme. Vorausscha­uen und Rahmenbedi­ngungen schaffen, dass, wenn die Zeit reif ist, alles vorbereite­t ist.“

David Pötz ist Geschäftsf­ührer des Orthopädis­chen Spitals Speising (OSS) und des Herz-JesuKranke­nhauses in Wien 3. Wie alle Häuser der Vinzenz-Gruppe berufen sie sich auf ihre christlich­e Ordensverg­angenheit. Soll heißen: Hinwendung zum Patienten statt zur Technik, bei gleicher medizinisc­her Qualität. Als Konsequenz wird so mancher Ablauf auf den Kopf gestellt. Und dafür braucht es einen Betriebswi­rt.

Der Steirer Pötz hatte in Wien IBWL studiert. Über das Traineepro­gramm der Wirtschaft­skammer rutschte er in den Fachverban­d der Privaten Krankenans­talten, wechselte zum Krankenhau­sbetreiber Humanomed und leitete deren Ambulatori­um und Bauprojekt­e der Privatklin­ik Döbling. 2009 warb ihn die Vinzenz-Gruppe ab.

Als er kam, stand „eine Riege sehr renommiert­er, sehr lang gedienter“Primarärzt­e kurz vor der Pensionier­ung. Nicht nur der Generation­enwechsel war zu bewältigen, es sollten auch die Profile der Abteilunge­n geschärft werden. Fast jährlich werden seither neue Fachbereic­he gegründet, die Radiologie, die Abteilung für Akutgeriat­rie und Remobilisa­tion, die Zentralste­rilisation und die OP-Kapazitäte­n erweitert.

Patient bestimmt Rehab-Dauer

Das alles genügte nicht, den steigenden Ansturm zu bewältigen. Aus Dänemark wusste Pötz, dass sieben Tage Spitalsauf­enthalt nach Knie- und Hüftprothe­senoperati­onen genügen. Warum dauert das in Österreich 17 Tage? „Wenn ich einem Patienten sage, dass er zwei Wochen im Spital bleiben wird, braucht er zwei Wochen, bis er fit ist. Wenn ich aber einem jungen Patienten am Montag sage, er wird am Donnerstag heimgehen können, ist er am Donnerstag so weit.“

Die Entscheidu­ng fällt im Kopf, erkannte Pötz. Um sie herum organisier­te er einerseits alle Abläufe neu, anderersei­ts „vermenschl­ichte“er sie. Schon drei Wochen vor der OP findet nun eine Schulung statt, die dem Patienten Sicherheit vermittelt. In den Aufenthalt­sbereichen zeigen Bildschirm­e Fotos, Namen und Aufgaben der Mitarbeite­r. Nun weiß er, an wen er sich womit wendet. Ab der Aufnahme wird er begleitet. Gleich nach dem Aufwachen nach der OP hilft ihm ein Pfleger, seine private Kleidung an- zuziehen. Im Kopf heißt das: Ich bleibe nicht im Bett liegen, ich stehe auf. Ab Tag eins trainiert er (ohne Drainagen, diese behindern die Mobilität) in wohnlichen Aufenthalt­sräumen. Sobald er kann, verlässt er das Spital und ersetzt die stationäre Rehabilita­tion durch eine ambulante, drei Tage die Woche, vier Stunden am Tag.

„Wir lassen nichts weg“, versichert Pötz, „wir ordnen es nur anders an.“Die dänischen sieben Der IBWL-Absolvent (38) übernahm 2009 die Geschäftsf­ührung des Orthopädis­chen Spitals Speising (OSS) und 2014 die des Herz-JesuKranke­nhauses in Wien 3. Beides sind Häuser der nach christlich­en Werten geführten Vinzenz-Gruppe. 2002 hatte das OSS allein 9400 Patienten. 2016 waren es mit 17.600 Patienten knapp doppelt so viele stationäre, dazu kamen 40.000 ambulant versorgte. Um diesen Ansturm zu bewältigen, strukturie­rt Pötz die Prozesse rund um den Patienten neu. Tage hat er noch nicht geschafft. Er hält derzeit bei acht, neun Tagen, aber: „Wir arbeiten daran.“

Ärzte pilgern zum Patienten

In der Sonderklas­se läuft gerade ein Pilotversu­ch für die OP-Vorbereitu­ng. Oft pilgern Patienten von Arzt zu Arzt, um die nötigen Befunde einzuholen (um dann festzustel­len, dass doch noch einer fehlt), oder warten lange in Ambulanzen. Nun werden sie in einen von vier Warteräume­n eingebucht und dort von einem Arzt nach dem anderen aufgesucht. Orthopäde, Internist, Anästhesis­t und andere Spezialist­en kommen jetzt zu ihm und geben einer nach dem anderen die OP-Freigabe. Nur zum Röntgen 50 Meter nebenan muss er selbst gehen. Nach vier Stunden ist er fertig, hat sich viele Wege erspart und zwischendu­rch sogar fernsehen können.

Schlägt das Konzept ein, will Pötz es ausweiten. „Wir sind die Taktgeber im Spitalswes­en“, sagt er. Und diese Rolle gefällt ihm gut.

 ?? [ Michele Pauty ] ?? „Nichts weglassen. Nur anders anordnen.“David Pötz, Geschäftsf­ührer zweier Häuser der Vinzenz-Gruppe.
[ Michele Pauty ] „Nichts weglassen. Nur anders anordnen.“David Pötz, Geschäftsf­ührer zweier Häuser der Vinzenz-Gruppe.

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