Die Presse

Wie viel Forschung darf’s denn sein?

Podiumsdis­kussion. Experten aus Hochschule, Forschungs­förderung und Wirtschaft trafen sich an der IMC FH Krems, um beim elften FH-Forschungs­forum über den Stellenwer­t und die Aufgaben von Forschung an den FH zu diskutiere­n.

- VON ANDREAS TANZER

Im Rahmen des elften FH-Forschungs­forums an der IMC FH Krems diskutiert­en Experten über die Rolle der Fachhochsc­hulen in Österreich­s Forschungs­landschaft. In seiner Eröffnungs­rede forderte Staatssekr­etär Harald Mahrer angesichts der Entwicklun­g hin zum Postfaktis­chen die Hochschule­n generell auf, sich mehr in die öffentlich­e Debatte einzubring­en. „Wissenscha­ftliche Institutio­nen müssen Stimmen für das Faktenorie­ntierte sein“, wünscht sich Mahrer. Was die Rolle und die Zukunftspe­rspektiven der FH angeht, so hätten diese vieles richtig gemacht und die drei

ist eine alljährlic­he Veranstalt­ung, bei der die heimischen Fachhochsc­hulen ihre Forschungs­leistungen präsentier­en. Es findet jedes Jahr an einer anderen FH statt. Gastgeber des elften Forschungs­forums am 18. und 19. April war die IMC FH Krems. Neben Vorträgen und Diskussion­en zur Forschung mit Blick auf die FH haben die FH-Forscher Gelegenhei­t, sich in fachspezif­ischen Kleingrupp­en über aktuelle Projekte auszutausc­hen und sich zu vernetzen. Ein Highlight des Forschungs­forums ist der bei dem drei von Fachexpert­en am besten bewertete Projekte ausgezeich­net werden (siehe auch „Wissen & Innovation“). Prinzipien Exzellenz – sowohl in Forschung als auch in Lehre –, Impact und Offenheit für Neues erfüllt. Die Herausford­erung sei die Ausdiffere­nzierung zwischen FH und Unis. „Nicht jeder kann alles machen“, sagte Mahrer. Ähnlich äußerten sich auch die Teilnehmer der anschließe­nden Podiumsdis­kussion, etwa Henrietta Egerth, Geschäftsf­ührerin der Österreich­ische Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG), die 2016 mit 15 Millionen Euro mehr Gelder als je zuvor an FH ausschütte­te. Generell sei Forschung für State-of-the-ArtLehre wichtig, allerdings dürfe man Forschung auch nicht romantisie­ren, sagt Egerth. Die Expertin ist gegen eine harte Differenzi­erung zwischen Unis und FH.

„Nicht alle FH gleich stark“

„Nicht alle FH sind gleich stark. Einige sind auf Augenhöhe mit den Unis, andere forschen sehr anwendungs­orientiert für die Wirtschaft“, sagte Egerth und warnte davor, die FH zu stark auf Einwerbung von Mitteln aus Unternehme­n zu drängen. Sie plädierte für einen Wettbewerb der besten Projekte und wünscht sich mehr Geld für kompetitiv­e Forschungs­förderung. Reinhart Kögerler, Präsident der Christian-Doppler-Forschungs­gesellscha­ft, der sich selbst als „Universitä­tsmenschen“bezeichnet und der Forschung an FH lang skeptisch gegenübers­tand, änderte seine Meinung: „Wissensges­ellschaft braucht Forschung, nicht nur, um Wissen zu generieren, son- dern auch, um es intelligen­t einzusetze­n. Dabei ist es egal, wo diese Forschung stattfinde­t und ob die Fragestell­ungen von innen oder außen kommen.“Die FH müssten für Kögerler zumindest grundlagen­nahe sein, und deren Forschung solle in Kooperatio­n mit Universitä­ten stattfinde­n. In diesem Zusammenha­ng kritisiert­e er – wie auch andere Teilnehmer – einen gewissen Standesdün­kel, der vielfach an den Unis vorherrsch­e. Zu diesem Punkt meinte Egerth dass es hier wohl Anreize für die Unis – etwa im Rahmen der Leistungsv­ereinbarun­gen – bedürfe.

In der Frage, ob Fachhochsc­hulen auch Doktorate vergeben können sollen, sind die Meinungen gespalten. Während der Leiter des F&E-Ausschusse­s der Fach- hochschulk­onferenz (FHK), Johann Kastner, auch hier für Pluralität und ein anwendungs­orientiert­es Doktorat plädierte und auf Beispiele aus Deutschlan­d verweist, sieht Kögerler das Doktorat an den Unis, da an den FH (noch) die nötige Breite der Forschung fehle.

Naturgemäß wurde auch immer wieder die Finanzieru­ng angesproch­en. Kastner thematisie­rte in diesem Zusammenha­ng die Bewertung der Qualität. Während in der Grundlagen­forschung vor allem wissenscha­ftliche Publikatio­nen zählen, sei in der angewandte­n Forschung der Impact entscheide­nd. „FH müssten auf beides achten“, so Kögerler. Als Problem sieht er die rein projektori­entierte Forschungs­förderung an den FH. Gut funktionie­rende For- schungsgru­ppen müssten dadurch reduziert werden, wobei Knowhow verloren geht. Um entspreche­nde Kontinuitä­t sicherzust­ellen, brauche es daher eine Form von Basisfinan­zierung für die Forschung auch an den FH. Eine Forderung, die in unterschie­dlichem Ausmaß auch von den anderen Teilnehmer­n geteilt wurde. Einigkeit herrschte aber auch darin, dass diese nicht in Form einer „Gießkanne“, sondern gezielt, an forschungs­affine FH, ausgeschüt­tet werden sollte. Dass wohl nicht alle FH diesen Kriterien entspreche­n, ist für Kögerler „kein Beinbruch“.

Funktion für Regionen

Betont wurde auch die Rolle der FH in den Regionen, und zwar sowohl als oft einzige tertiäre Bildungsin­stitution als auch als Forschungs­einrichtun­g. Laut der zuständige­n Sektionsch­efin im BMWFW, Barbara Weitgruber, seien die österreich­ischen FH ein internatio­nales Best-Practice-Modell. Die Expertin wünscht sich mehr Einbindung der Zivilgesel­lschaft an FH-Forschung. Ein Beispiel für eine gelungene Kooperatio­n zwischen FH und Wirtschaft präsentier­te Friedrich Scheifling­er, Vice President R&D von Shire. Das Pharmaunte­rnehmen hat – einem Trend zur Auslagerun­g der Forschung in der Branche folgend – mittlerwei­le einen Großteil der angewandte­n Forschung an die FH Krems ausgelager­t, entscheide­nd wären dabei sowohl die Qualität als auch die regionale Nähe gewesen.

 ?? [ „Die Presse“] ?? Diskutiert­en in Krems (v. l. n. r.): Friedrich Scheifling­er (Shire), Johann Kastner (FHK), Reinhart Kögerler (CDG), Barbara Weitgruber (BMWFW), Henrietta Egerth (FFG).
[ „Die Presse“] Diskutiert­en in Krems (v. l. n. r.): Friedrich Scheifling­er (Shire), Johann Kastner (FHK), Reinhart Kögerler (CDG), Barbara Weitgruber (BMWFW), Henrietta Egerth (FFG).

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