Schwellenland-Bonds haben Luft nach oben
Renten. Viele Schwellenländer haben Aufholpotenzial bei Anleihen und Währungen. Mit Schwankungen ist zu rechnen.
Wien. Vorsicht sollten Anleger an den Börsen immer walten lassen, vor allem dann, wenn etwa wegweisende Präsidentenwahlen in Frankreich für reichlich Nervosität auf den Börsen sorgen. Auch bei Pictet Asset Management ist man derzeit ein wenig auf der Hut. Denn Pictet-Expertin Eugene Choi erwartet bei den Schwellenländeranleihen in lokaler Währung demnächst eine Kurskorrektur. Schließlich hat es in den vergangenen Monaten vielerorts eine starke Erholung bei Währungen und Anleihekursen gegeben.
Allein der brasilianische Markt – inklusive Währungsgewinn – legte im Vorjahr um mehr als 50 Prozent, jener in Russland um mehr als 30 Prozent zu. „Nach der Korrektur sollte man aber das interessante Potenzial durchaus nutzen“, meint die Pictet-Expertin. Schließlich würden zahlreiche Gründe für eine weitere Kursstütze sprechen. Allein schon das BIP in den Schwellenländern wächst derzeit mit einem Plus von 4,3 Prozent und damit stärker als von vielen Analysten erwartet. In den entwickelten Ländern sind es magere 1,8 Prozent.
Ohne Wunder in die richtige Richtung
Damit die Schwellenländer diese besseren Werte auch beibehalten, braucht es allerdings eine stabile Wirtschaftspolitik. Sie war nach Einschätzung von Eric Delomier, Anleiheexperte bei der Capital Group, im vorigen Jahrzehnt vielerorts wenig nachhaltig. „Und darunter hat folglich auch deren Wettbewerbsfähigkeit gelitten.“Das habe sich inzwischen geändert, zuletzt sei die Politik zu Strukturreformen bereit gewesen, „sie gehen durchaus in die richtige Richtung“. Wunder dürfe man sich aber keine erwarten, so Delomier: „Das braucht seine Zeit, und nicht alle Länder machen gleich große Fortschritte.“Die wirtschaftliche Erholung, aber auch der steigende Dollar, haben zudem die Exporte aus vielen Schwellenländern seit 2016 endlich wieder beflügelt, nachdem die Ausfuhren jahrelang rückläufig gewesen waren.
Die Gabe der Unterscheidung
Die Profis gehen bei ihren Investments selektiv vor. Bei Pictet findet man etwa am chinesischen Renminbi besonderen Gefallen. „Die Wirtschaft erholt sich signifikant. Maßnahmen wie Mindestlöhne sind eine wichtige Stütze. Und der Finanzsektor steht nicht ganz so schlimm da, wie befürchtet“, sagt Choi. Das positive Umfeld dürfte dabei auch auf andere asiatische Länder ausstrahlen. Bei der Capital Group sieht man interessante Chancen etwa in Argentinien. Delomier: „Nach mehr als zehn Jahren schlechter Wirtschaftspolitik unter den diversen KirchnerRegierungen setzt der neue Präsident jetzt auf eine orthodoxere Konjunkturpolitik.“Brasilien mag noch nicht ganz so weit sein, aber die Politik von Präsident Michel Temer sei zweifellos ein großer Fortschritt.
Was die Rentenmärkte in den Emerging Markets weiters beflügeln dürfte: Viele Länder haben noch reichlich Spielraum für Zinssenkungen, da auch die Inflationserwartungen sinken. Und das beflügelt die Kurse bestehender, besser verzinster Anleihen. In den entwickelten Ländern, allen voran in den USA, war es zuletzt freilich genau umkehrt. Hier führten Zinsanhebungen bzw. die Sorge über weitere Anhebungen zu einem Abverkauf bei den Anleihen. Nicht ohne Grund meint Julie Salsbery vom Invesco-Fixed-Income-Emerging-Markets-Team: „Weil Wachstum, Inflation und Geldpolitik weltweit immer mehr divergieren, könnten Emerging-Market-Anleihen mehr Ertrag und eine bessere Diversifikation bieten.“
Breit streuen
Immerhin, betrachtet man etwa den breit aufgestellten Schwellenländeranleihen-Index in lokaler Währung von JP Morgan, beträgt die Rendite derzeit im Schnitt 6,75 Prozent, die durchschnittliche Bonität BBB liegt noch im Investment-Grade-Bereich. Die größten Gewichtungen haben Länder wie Indonesien, Mexiko und Brasilien. Zum Vergleich liegt die Rendite bei Hartwährungsanleihen aus den Schwellenländern bei gut 5,4 Prozent, wobei mit einem Rating von durchschnittlich BB+ das Investment-Grade-Segment verfehlt wird. Trotzdem sollten Anleger die Schwankungen von Lokalwährungsanleihen nicht unterschätzen und nur breit gestreut investieren.