Die Presse

Darf das Heer ein Flüchtling­scamp in Libyen bewachen?

Sicherheit I. Kern warf die Frage auf, ob das Heer Camps außerhalb Europas schützen soll.

- VON IRIS BONAVIDA

Wien. Bundeskanz­ler Christian Kern stellte in der „Presse am Sonntag“zwei Fragen in den Raum. Nummer eins: Ist Europa bereit, hohe Summen in die Hand zu nehmen, um menschenwü­rdige Flüchtling­seinrichtu­ngen außerhalb der Union aufzubauen? Und Nummer zwei: „Sind wir bereit, unsere jungen Männer dorthin zu schicken – zur Verteidigu­ng dieser Camps? Wir wissen ja, über welche Staaten wir da reden: Libyen, Senegal, Mali, auch Afghanista­n.“

Die erste Frage beantworte­te Kern, aus seiner Sicht, bereits: Solche Einrichtun­gen außerhalb Europas seien „der einzige Weg, das Problem in den Griff zu kriegen“. Die zweite Frage müsse man nun diskutiere­n.

Aber: Ist das möglich? Dürfen Bundesheer-Soldaten ein Camp in Afghanista­n bewachen und beschützen? Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Darauf, welche Rahmenbedi­ngungen diese Mission hat, ob eine internatio­nale Organisati­on ein Mandat beschließt, welche Aufgaben die Soldaten haben sollen – und ob es den politische­n Willen in Österreich gibt.

Die Entsendung von Soldaten ins Ausland ist folgenderm­aßen geregelt: „Zur solidarisc­hen Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssi­cherung“ist ein Auslandsei­nsatz möglich. Allerdings muss die Mission „im Rahmen einer internatio­nalen Organisati­on oder der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) oder in Durchführu­ng von Beschlüsse­n der Europäisch­en Union“stattfinde­n. Es sei so etwas wie ein ungeschrie­benes Gesetz, heißt es im Heer, dass man an keiner Mission ohne UN-Mandat teilnehme.

Bei „Maßnahmen der humanitäre­n Hilfe und der Katastroph­enhilfe“sowie „der Such- und Rettungsdi­enste“ist dies allerdings nicht nötig. Die Erklärung dafür, laut einem Sprecher des Bundesheer­es: „Bei einem Hochwasser oder Großbrand brauchen die Menschen schnelle Hilfe, da können wir nicht auf ein UN-Mandat warten.“Konflikte hingegen würden langsamer entstehen.

Für größere militärisc­he Einsätze – wie etwa derzeit im Libanon, Kosovo oder Bosnien – muss der Hauptaussc­huss des Nationalra­tes zustimmen. Auch humanitäre Missionen ohne UN-Mandat muss das Parlament absegnen. Die Neutralitä­t muss ebenso beachtet werden. „Ein Einsatz im Irak-Krieg, wo es um die Durchsetzu­ng politische­r Ideen geht, wäre nicht möglich gewesen“, heißt es aus dem Verteidigu­ngsressort. Sehr gefährlich­e Missionen werden auch aus politische­r Sicht eher gemieden.

Staaten stellen Bedingunge­n

Grundsätzl­ich kann ein Staat – nicht nur das neutrale Österreich – sich an einer Mission beteiligen, aber eigene Regeln für die eigenen Soldaten erstellen. „Caveat“nennen sich diese Einschränk­ungen beziehungs­weise Vorbehalte. Ein Beispiel: Im Kongo dürfen österreich­ische Soldaten bestimmte Städte, die als zu gefährlich angesehen werden, nicht betreten. Selbst wenn während der Mission dort ein Einsatz vorgesehen wird.

Für die einzelnen Soldaten gilt: Ein Auslandsei­nsatz ist per se immer freiwillig. Wobei im Vertrag von Berufssold­aten festgelegt ist, dass sie innerhalb von drei Jahren ein halbes Jahr im Ausland verbringen müssen.

Gibt es also genug Freiwillig­e, ein UN-Mandat, stimmt der Hauptaussc­huss zu, können Bundesheer­soldaten prinzipiel­l in einem dieser Camps entsendet werden. Wobei eine politische Einigung darauf wohl einfacher zu finden ist, wenn sie ein Feldlager betreiben als wenn sie schwer bewaffnet an den Eingangsto­ren des Camps stehen.

Das Verteidigu­ngsressort arbeitet derzeit aber ohnehin an einer Novelle der Entsendebe­stimmungen: Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) will Soldaten auch ohne Mandat einer internatio­nalen Organisati­on zum Grenzschut­z ins Ausland schicken. Derzeit befinden sich zwar Soldaten in Ungarn – allerdings nur zur humanitäre­n Hilfe. Dort können sie zwar beim Straßenbau helfen, beim klassische­n Grenzschut­z aber nicht. Das soll sich ändern.

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