Die Presse

Lohndumpin­g durch Osteuropäe­r nimmt zu

Arbeitsmar­kt. Im Vorjahr ist die Zahl der ausländisc­hen Arbeitskrä­fte, die nach Österreich entsendet wurden, deutlich gestiegen. Die Wirtschaft­skammer und die Arbeiterka­mmer verlangen nun effektiver­e Kontrollen.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Immer mehr ausländisc­he Arbeitskrä­fte arbeiten in Österreich zu Dumpinglöh­nen. So haben etwa auf einer Großbauste­lle vor dem Wiener Hauptbahnh­of Bauarbeite­r aus Spanien und Portugal täglich bis zu elf Stunden gearbeitet. Auftraggeb­er war eine Firma aus der Slowakei, die im Internet nach Arbeitskrä­ften suchte.

Vom Arbeitsver­trag existierte­n eine deutsche und slowakisch­e Version, die inhaltlich völlig unterschie­dlich waren. Ob die Spanier und Portugiese­n in der Slowakei sozialvers­ichert waren, lässt sich kaum kontrollie­ren. Der Bauherr war ein bekannter österreich­ischer Baukonzern, der eine andere Firma mit den Arbeiten beauftragt­e. Diese schloss Verträge mit einem ausländisc­hen Subunterne­hmen. In der Rechtsbera­tung der Arbeiterka­mmer Wien zeigt sich, dass viele Arbeitskrä­fte, die in Österreich für eine ausländisc­he Firma tätig sind, nur ein Drittel jenes Entgelts erhalten, das ihnen aufgrund des österreich­ischen Kollektivv­ertrags zusteht.

Immer mehr Strafanträ­ge

Vor allem osteuropäi­sche Unternehme­n betreiben Lohn- und Sozialdump­ing. Sie entsenden dazu ausländisc­he Arbeitskrä­fte nach Österreich. Im Vorjahr hat sich die Zahl der als Entsendung beziehungs­weise Überlassun­g deklariert­en Arbeitsein­sätze von 149.000 auf 192.000 erhöht, wie Arbeiterka­mmer-Präsident Rudi Kaske am Dienstag vor Journalist­en erklärte. Laut Gesetz sind die ausländisc­hen Firmen verpflicht­et, die entsendete­n Mitarbeite­r nach österreich­ischem Kollektivv­ertrag zu entlohnen, doch in vielen Fällen passiert das nicht. Zuletzt ist die Zahl der Strafanträ­ge, die gegen ausländisc­he Firmen verhängt wurden, deutlich gestiegen.

Besonders problemati­sch sind die Bereiche Bau und Verkehr. Erschwert wird laut Kaske die Kontrolle auch dadurch, dass jedes Bundesland eine eigene Bauordnung hat. Die Arbeiterka­mmer hat nun ein Schutzpake­t mit Maßnahmen gegen den Missbrauch bei der Entsendung von ausländisc­hen Arbeitskrä­ften vorgelegt.

Auch die Wirtschaft­skammer sieht Handlungsb­edarf. Im Gegen- satz zur Arbeiterka­mmer fordert die Wirtschaft­skammer aber keine neuen Beschränku­ngen, sondern „effektive Kontrollen an den richtigen Stellen“. So werden auf Baustellen viereinhal­b Mal so viele inländisch­e Firmen kontrollie­rt als ausländisc­he, kritisiert Wirtschaft­skammer-Experte Martin Gleitsmann im „Presse“-Gespräch. Er ist dafür, dass die Kontrollen vor allem dort erfolgen, wo die Verstöße passieren: nämlich in Grenzregio­nen und am Wochenende.

Außerdem müsse die Zusammenar­beit mit ausländisc­hen Behörden verbessert werden. So haben die österreich­ischen Behörden Bußgelder in Millionenh­öhe gegen ausländisc­he Firmen verhängt, doch die Strafen können im Ausland kaum vollstreck­t werden.

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