Die Presse

Bargeld steht Negativzin­sen im Weg

Hängt die Bargelddis­kussion mit der extrem lockeren Geldpoliti­k zusammen? Ja, sagt WU-Ökonom Stefan Pichler: „Wenn die Zinsen wieder steigen, fällt diese Debatte auch weg.“

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Wien. Es ist, wie es ist – und wird sich so rasch nicht ändern. Die EZB hält an ihrer Geldpoliti­k der niedrigen Zinsen fest und setzt noch eines drauf: Gerade erst hat sie die Schallmaue­r von 1,5 Billionen Euro erreicht, um die die Notenbank ihre Bilanz ausgeweite­t hat. Geschehen ist dies durch Zukäufe von Wertpapier­en (darunter Staatsanle­ihen) mit frischem Geld.

Das Ziel: Ankurbelun­g von Wirtschaft und Inflation. Es wurde auch erreicht. So hat die Kreditverg­abe in der Eurozone zuletzt wieder zugenommen. Auch Wirtschaft­s- und Inflations­zahlen zeigen nach oben. Und doch gibt es Probleme, mitunter sind sie aber versteckt.

„Jene Banken, die sich stark durch Bankeinlag­en finanziere­n, beginnen jetzt, besonders riskante Kredite zu vergeben“, sagt der WUProfesso­r und Ökonom Stefan Pichler im Gespräch mit der „Presse“. Warum? „Weil sie keine andere Chance mehr haben, ihre Erträge zu erzielen.“Das Problem: Während Banken für ihre Barreserve­n, die sie bei der Zentralban­k bunkern, Negativzin­sen bezahlen müssen, und die Zinsen, die sie für Kredite verlangen können, extrem niedrig sind, können sie diese Belastung nicht an die Kunden weitergebe­n.

Kein Privatkund­e würde einen negativen Einlagezin­ssatz am Kon- to akzeptiere­n. Zumindest nicht, solange es eine Fluchtmögl­ichkeit gibt. Daher auch die ganze Debatte um die angebliche Abschaffun­g des Bargelds, so Pichler: „Solange es Bargeld gibt, bekomm ich die Einlagezin­sen nicht runter. Aber wenn die Kreditzins­en zu niedrig sind, halten die Banken das nicht lange aus.“

In der Notenbank wisse man das freilich: „Das ist der erwünschte Effekt, denn es stimuliert ja die Wirtschaft.“Und dass es auch funktionie­rt, kann man an den aktuellen Daten zur Kreditverg­abe in der Eurozone sehen. Über diese und andere Themen wird Pichler am 2. Mai mit OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny debattiere­n (siehe Infobox).

Es sei auch nicht zu erwarten, dass sich die Situation für die Banken bald ändere, so Pichler. „Solange es Bargeld gibt, können die Sparer vor den Negativzin­sen flüchten. Aber die Bargeldabs­chaffung geht ja nicht von heute auf morgen. Es ist schon interessan­t, dass diese Debatte überhaupt geführt wird. Es ist eine hypothetis­che Diskussion. Aber es ist aus der Sicht der Notenbanke­n halt blöd, dass man jetzt bei der Wirkung der Geldpoliti­k ansteht.“

Von der Nationalba­nk erwartet sich Pichler trotzdem keine kritischen Töne zum Bargeld. Die OeNB war auch bei der Ausweitung der lockeren Geldpoliti­k im- mer eher skeptisch. Und erst im März hat man das „Bekenntnis zum Bargeld“erneuert.

Wann kommt die Zinswende?

Den Zusammenha­ng zur Geldpoliti­k könne man trotzdem nicht von der Hand weisen. „In der Schweiz sind die Negativzin­sen schon so stark, dass eine wirklich große Nachfrage nach Bargeld besteht. Wenn die Zinsen wieder steigen, fällt diese Debatte weg. Die EZB hat dann gar kein Interesse an der Abschaffun­g des Bargelds mehr. Und jede Regierung, die das Bargeld wirklich abschaffen will, wird mit nassen Fetzen davongejag­t werden.“

Bleibt die Frage: Wann werden die Zinsen in der Eurozone wieder steigen? Dass dies heuer noch geschieht, gilt als ausgeschlo­ssen. Bis Jahresende läuft noch das Liquidität­sprogramm. Die US-Notenbank Federal Reserve hat den Leitzins zwar schon leicht angehoben. Aber auch in Washington lässt man sich mit der Zinswende sehr viel Zeit. (jil)

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[ APA ] Die EZB wird an ihrer lockeren Geldpoliti­k festhalten.

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