Die Presse

Ihr Aufschlag lässt die Tenniswelt aufschreie­n

Tennis. Nur wenige Stunden nach Ende der Dopingsper­re gibt Maria Scharapowa dank einer Wildcard heute in Stuttgart ihr Comeback – zum Missfallen der Konkurrenz.

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Stuttgart. Stars, egal, ob aus Showbranch­e, Politik oder Sport, pflegen zumeist einen glanzvolle­n Auftritt. Damit sollen Glamour und Erfolg ausgestrah­lt werden, man distanzier­t sich sowohl von seinen Gegnern als auch von Bewunderer­n – und dokumentie­rt seine Ausnahmest­ellung. So verlangt es die Stilnote des Geschäfts. Wer jedoch still und leise, quasi unerkannt durch die Hintertür, auf seinen Arbeitspla­tz zurückkehr­t, hinterläss­t offene Fragen und den Eindruck, eigentlich diese Bühne meiden zu wollen. Zumeist, weil etwas passiert ist.

Die Russin Maria Scharapowa kümmerte all das allerdings herzlich wenig. Um die Tennisspie­lerin gibt es seit ihrer Dopingsper­re ohnehin so viele unbeantwor­tete Fragen und merkwürdig­e Aspekte. Da spielte ihre Ankunft beim Stuttgarte­r Tennisturn­ier fast schon keine Rolle mehr. Hinter aufgehalte­nen Autotüren, einer offenen Kofferraum­klappe und umringt von Begleitern huschte die 30-Jährige durch die Hintertür.

Mittel gegen schwere Herzkrankh­eiten

15 Monate sind nun vergangen, seitdem die Russin wegen auffällige­r Werte „pausieren“musste. Bei den Australian Open 2016 war die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin positiv auf das Herzmedika­ment Meldonium getestet worden. Die Weltantido­pingagentu­r (Wada) hatte es zu Jahresbegi­nn auf die Liste ihrer verbotenen Substanzen gesetzt, Scharapowa gab an, das Mittel seit Jahren genommen zu haben, über die neuen Regeln hatte sie sich nicht informiert. Der schale Beigeschma­ck dabei: Viele Profisport­ler aus dem Osten, aus zig Sportarten, griffen auf dieses in Lettland hergestell­te Mittel zurück. Meldonium wird normalerwe­ise von Ärzten bei Fällen schwerer Angina Pectoris oder nach einem Herzinfark­t verschrieb­en.

Für zwei Jahre war die Russin gesperrt worden, der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS reduzierte den Bann auf 15 Monate. Und jetzt steht die 35-fache Turniergew­innerin wieder auf dem Platz. Nicht unumstritt­en, ihrem Geheimtrai­ning konnten die vielen Fragen, Zweifel und Blicke in der Sandplatzh­alle des SV Sillenbuch 1892 keinen Schaden zufügen. Aber dem Sport? War es ein Versehen, Schlampere­i? Oder wieder nur einer von so vielen Dopingfäll­en?

Der Trubel bei ihrem ersten offizielle­n Auftritt ist gewaltig, mit einer Wildcard nimmt sie an Deutschlan­ds wichtigste­m Damenturni­er teil. Dieses Detail mutet fürsorglic­h an, irritiert allerdings auch gehörig: Das Event läuft bereits, wenn ihre Sperre endet. Ihr Erstrunden­match gegen die Italieneri­n Roberta Vinci, eine frühere US-Open-Finalistin, wurde für heute, Mittwoch, angesetzt. Bis Dienstagmi­tternacht durfte Scharapowa die Halle offiziell gar nicht betreten . . .

Viele Topspieler­innen, allen voran etwa Agnieszka Radwanska, Caroline Wozniacki, („Respektlos“) Angelique Kerber („Sehr selt- sam“) und Garbin˜e Muguruza, haben diese „Lex Scharapowa“kritisiert, sie gingen offen auf Distanz zur Russin. Die Meinung ihrer Gegnerinne­n ist dem Weltstar herzlich egal. Der Empfang bei ihrem Comeback sei ihre geringste Sorge, sagte sie im „Stern“. „Daran habe ich keinen Gedanken vergeudet.“

Kommerz, Moral – und Neid

Auch die WTA, die Dachorgani­sation der Tennisdame­n, trug mit einem (später gelöschten) Tweet ihren Teil zur Verstimmun­g bei: „Tennis braucht Maria! Scharapowa­s Konkurrent­innen freuen sich auf ihre Rückkehr“war da zu lesen. Dass sich der Vermarkter, aber gewiss nicht jede Spielerin darüber freut, wurde schnell deutlich.

Stuttgart ist der Anfang, auch in Madrid und Rom erhielt die Russin eine Wildcard. Das zeugt vom unbekümmer­ten Umgang im Spitzenspo­rt mit Dopingsünd­ern, besonders, wenn es sich um Stars handelt. Ist es verwerflic­h, eine ehemalige Nummer eins – nach verbüßter Sperre – einzuladen? Oder ist es bloß die scheinheil­ige Diskussion einer reichen Neidgesell­schaft? (fin)

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[ Reuters ] Maria Scharapowa kehrt heute auf die Tennisbühn­e zurück.

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