Die Presse

Viele Hürden beim Umbau der Sozialvers­icherung

Mehr oder weniger Krankenver­sicherunge­n – oder aber gleich gar keine?

- MARIA HOFMARCHER-HOLZHACKER Maria M. Hofmarcher-Holzhacker, Ökonomin, Expertin für Gesundheit­ssysteme. Gründerin HS& I HealthSyst­emIntellig­ence und Research Associate Medizinisc­he Universitä­t Wien, Abteilung für Gesundheit­sökonomie.

Die Regierung lässt eine „Effizienzs­tudie“erstellen, die sich mit Fragen der Steuerung im Bereich der Sozialvers­icherung beschäftig­t. Mittlerwei­le hat die Industriel­lenvereini­gung den Auftrag zu einer solchen Studie gegeben, ebenso die bundesweit tätigen Krankenver­sicherungs­träger (SVA, BVA).

Beide Gutachten verzichten auf eine umfassende politikwis­senschaftl­iche Analyse. Die Steuerungs­strukturen und Institutio­nen in Österreich haben eine Tradition in der gesellscha­ftlichen Konfliktbe­wältigung. Der notwendige Umbau der Gesundheit­sversorgun­g stellt die Dreifaltig­keit der Zuständigk­eiten (Bund, soziale Krankenver­sicherung und Länder) zur Schau und legt damit Konflikte offen, die ihre tiefen Wurzeln in der Ersten Republik haben.

Reformen im Sozialvers­icherungsw­esen erfordern politische­n Mut und Lust an Visionen. Mut deshalb, weil öffentlich­e Debatten zu führen sind über Machtverhä­ltnisse in den Strukturen der Sozialvers­icherung. Visionen deshalb, damit der Umbau mit konkreten Versorgung­szielen verknüpft wird.

Steuerungs­reformen haben dann Sinn, wenn sie helfen, die Versorgung zu verbessern, ihre progressiv­e Weiterentw­icklung fördern und administra­tive Kosten gering halten. Ohne diese wohlfahrts­staatliche­n Zielsetzun­gen werden „Lagerinter­essen“siegen und die Rolle der Krankenver­sicherung als wichtiger Anwalt der Versichert­en Makulatur sein.

Reformen waren Stückwerk

Bereits der OECD-Bericht 2011 empfahl eine Straffung der Steuerung des österreich­ischen Gesundheit­ssystems. Reformen konzentrie­ren sich auf die Leistungss­eite, waren aber immer Stückwerk und kompromiss­getrieben. Seit Jahren ist die Gesundheit­splanung auf das gesamte Gesundheit­ssystem ausgedehnt ohne nennenswer­te Verbesseru­ngen für die Versorgung. Spätestens seit 2008 geht die Angst um, dass Debatten zur Steuerung des Gesundheit­ssystems Regierunge­n zu Fall bringen können. Die Reform 2013 ist ein Lehrstück für Konfliktve­rwaltung, auch wenn einige ihrer Ansätze richtig sind und schemenhaf­t Gestalt annehmen.

Zusammenfü­hren der Mittel

Im bestehende­n ordnungspo­litischen Rahmen gibt es mehrere Möglichkei­ten, eine soll hier hervorgeho­ben sein. Das Zusammenfü­hren von Finanzmitt­eln zur Verbesseru­ng der Angebote in der ambulanten Versorgung ist ein Gebot der Stunde. Synchron mit dem föderalen Aufbau des Landes wären neun regionale Kassen sinnvoll. Darüber hinaus müssten Bund und Hauptverba­nd eine stärkere Steuerungs­funktion einnehmen, damit regionale Akteure entspreche­nde Orientieru­ng in der Umsetzung von nationalen Versorgung­szielen bekommen.

Dazu braucht es Debatten um die Besetzung der notwendige­n Leitungsgr­emien. Diese Auseinande­rsetzung hat moderiert und öffentlich stattzufin­den. Österreich­s Gesundheit­ssystem ist großzügig mit Finanzmitt­eln und Gerätschaf­ten ausgestatt­et. Im europäisch­en Vergleich liegt Österreich im Spitzenfel­d. Mit diesen Ressourcen könnten Patienten besser betreut und gesünder erhalten werden.

Strategisc­he Maßnahmen sind zu treffen, Verschwend­ung zu vermeiden. Diese entstehen gerade durch den Dschungel von Zuständigk­eiten und fehlender Koordinier­ung. Verschwend­ung ist unethisch und verdirbt den Ruf eines Gesundheit­ssystems. Die nicht ausreichen­d aufgearbei­teten Geschehnis­se der Zwischenkr­iegszeit blockieren ja insgesamt Verwaltung­sreformen im Wohlfahrts­staat, nicht nur sinnvolle Reformen der Steuerung im Gesundheit­swesen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria