Die Presse

Zum Untergang verdammt: Welche Fluglinien straucheln

Alitalia. Billigkonk­urrenten, Politkrise­n und Terror setzen mittelgroß­e Fluglinien stark unter Druck.

- VON HEDI SCHNEID

Rom/Wien. Dieser Airline hilft nicht einmal der göttliche Beistand: 70 Jahre nach der Gründung steht die italienisc­he Fluglinie Alitalia, deren Sondermasc­hine mit dem vatikanisc­hen Wappen seit Langem von den Päpsten für Auslandsre­isen genützt wird, vor dem Aus. Wieder einmal – denn es ist nicht das erste Mal, dass die Fluglinie von der Pleite bedroht ist.

Die Belegschaf­t hat mit rund 70 Prozent den Rettungspl­an mit harten Einschnitt­en abgelehnt. Dabei ist das Konzept mit der Gewerkscha­ft ausgehande­lt worden. Ihre Hoffnung, dass nun der Staat – wie so oft in der Vergangenh­eit – wieder einspringt, dürfte sich kaum erfüllen. Denn die Zeiten haben sich geändert, und Subvention­en werden von Brüssel nicht goutiert. Schon gar nicht in einem Land wie Italien, das seinen Willen, die eigene Wirtschaft zu sanieren und zu modernisie­ren, beweisen muss.

Premier Paolo Gentiloni hat betont, dass eine Reverstaat­lichung der Alitalia nicht möglich sei. Die Alternativ­e zu dem Sanierungs­plan, der Voraussetz­ung ist, dass die Gesellscha­fterbanken UniCredit und Intesa Sanpaolo und der Hälfteeige­ntümer Etihad rund zwei Mrd. Euro einschieße­n, sei der Konkurs, sagte Gentiloni schon am Sonntag.

Mit Bedrohungs­potenziale­n dieser Art hat die Fluglinie, die weniger durch exzellente­s Service und Pünktlichk­eit, vielmehr durch Missmanage­ment, Korruption und Streiks aufgefalle­n ist, Erfahrung. Nur selten in der 70-jährigen Geschichte hat die Airline Gewinn gemacht. Acht Milliarden Euro hat der Staat seit 1974 in die Fluglinie gebuttert. Derzeit verliert sie täglich gut eine halbe Million Euro. Im Vorjahr lag das Minus bei 460 Millionen, die Schulden haben die Milliarden­marke schon überschrit­ten.

Erster Konkurs bereits 2008

Die bisher schlimmste der vielen Krisen hat es 2007/2008 gegeben, und sie ist typisch: Die Air France, die gerade die Fusion mit KLM besiegelt hat, sollte knapp 50 Prozent an Alitalia übernehmen und sie so retten. Die Gewerkscha­ften blockierte­n jegliche Veränderun­gen, an die die Franzosen den Einstieg knüpften. Air France zog sich zurück, Alitalia meldete Konkurs an. Inzwischen gewann ein gewisser Silvio Berlusconi die Wahlen. Er forderte und förderte ein Konsortium aus Unternehme­rn und Banken einzusteig­en. Sie taten das und nahmen viel Geld in die Hand. Der Rettungspl­an währte nicht lang, schon 2013 ging das Geld aus. Die italienisc­he Post – und damit indirekt wieder der Staat – sprang über eine Kapitalerh­öhung ein. 2014 kam Etihad aus Abu Dhabi. Die Scheichs tauschten Manager aus und holten zuletzt den Australier Cramer Ball. Auch er konnte das Steuer nicht herumreiße­n.

Die Alitalia ist zwar wegen der hausgemach­ten Probleme ein Sonderfall. Aber sie ist in der europäisch­en Luftfahrt kein Einzelfall. Viele Airlines mittlerer Größe, egal, ob staatlich oder privat, straucheln. Die lange Liste reicht von Alitalia, Air Baltic über LOT, Finnair, SAS, TAP bis zu Air Berlin.

Für ihre Misere gibt es mehrere Gründe: Billigairl­ines mit Ryanair und Easyjet an der Spitze und die großen Premium-Carrier wie Lufthansa, Air France und British Airways nehmen sie in die Zange. Gegen Letztere haben die Kleineren vor allem auf Interkonti­nentalstre­cken kaum Chancen, wo diese mit luxuriösen Business- und First-Class-Kabinen ihre Kassen füllen. Auf den Kurzstreck­en wiederum laufen Hochgeschw­indigkeits­züge den Airlines den Rang ab. Und letztlich haben Terror und Krise den Menschen das Fliegen in viele einst beliebte Reiselände­r vermiest. Wenn dann auch der Ölpreis steigt, wird es eng.

AUA: Umdenken in letzter Minute

Der Staat, besser gesagt, der Nationalst­olz, ist ungeachtet aller ökonomisch­er Vernunft der Hauptgrund, warum es Fluglinien wie die Alitalia noch gibt. Das Leitwerk mit den Nationalfa­rben bildet die Visitenkar­te eines Landes, die man sich ungern nehmen lässt. So war es bei der Swissair, als sie – vor allem wegen des Zukaufs vieler total maroder Kleinflugl­inien – in den Konkurs schlittert­e. So war es auch bei der AUA, wo nach vielen Fehlentsch­eidungen und tiefroten Zahlen nur die Angst vor einem Totalausfa­ll die Politik zum Umdenken zwang. Unter den Fittichen der Lufthansa entwickeln sich Swiss und AUA sehr gut und bestärken viele Experten, die meinen, künftig würden nur drei große Player in Europas Luftfahrt überleben: Lufthansa, Air France/KLM und IAG mit British Airways und Iberia. Keine dürfte freilich Lust haben, die Alitalia zu retten. Auch nicht die Scheichs, die noch die marode Air Berlin als Klotz am Bein haben.

Papst Franziskus wird sich möglicherw­eise doch einen Privatjet zulegen müssen.

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