Die egomanischen Narreteien der Grünen
Gastkommentar. Yes we can! Wenn alle ganz fest an einem Strang ziehen, dann kann es gelingen, in gemeinsamer Anstrengung die größtmögliche Selbstbeschädigung herbeizuführen. Die Grünen beweisen es uns gerade eindringlich.
Beim Projekt Heumarkt scheint buchstäblich von Beginn weg alles schiefgelaufen zu sein. Wusste man im Büro der Stadträtin Maria Vassilakou nicht, dass es in diesem Fall an diesem heiklen Ort von Tretminen nur so wimmelt?
Das Weltkulturerbe! Der Canaletto-Blick! Der ist zwar längst zerstört, wie sich jeder überzeugen kann, der von dort auf die Stadt hinunterblickt. Aber: Der geplante Turm steht exakt in der zentralen Blickachse vom Oberen Belvedere.
Dazu die Opposition all jener, die zeitgenössische Architektur im Weichbild der Stadt grundsätzlich ablehnen. Wir erinnern uns an den Streit ums Haas-Haus. Und die Opposition derer, die am Heumarkt spekulative Investorenarchitektur am Werk sehen.
Gewichtige Argumente
Es gibt gewichtige Argumente für das Projekt und gewichtige dagegen. Und gerade deswegen hätten schon in der Ausschreibung restriktive Bedingungen, die Dimension betreffend, unbedingt vorgegeben werden müssen. Hat man nicht, und erst als die Proteste massiv wurden, kam die nachträgliche Einigung auf eine Reduktion des Projekts zustande.
Wie vorherzusehen, hat die nicht gereicht. Die grünen Proteste kamen zu spät, dafür umso heftiger. Und jetzt wird es ganz skurril: Es kam der Vorschlag, die Parteimitglieder der Wiener Grünen sollten entscheiden, ob das Haus gebaut werden darf oder nicht. Keine Befragung der Wiener Bevölkerung, sondern nur der Wiener Grünen: 1313 Personen!
Warum sich die Stadträtin auf diesen umnachteten Vorschlag eingelassen hat, wird ihr Geheimnis bleiben. 685 Personen haben teilgenommen, und das Ergebnis war äußerst knapp: Eine Mehrheit von 18 Stimmen war dagegen. Und an diesen 18 Stimmern soll sich jetzt in einem wichtigen Bauprojekt die Planung einer Millionenstadt orientieren? Weil im grünen Parteistatut steht, das Ergebnis sei bindend? Geht’s noch?
Die Wiener SPÖ betrachtet den Krieg der Grünen gegen die Grünen mit staunendem Interesse und erklärt kühl, dass davon nichts abhängt. Das Projekt sei „ungefähr- det“und werde gebaut. Häupl ist gegen eine Volksabstimmung bei einer „Sachfrage“. Da müsse schon die Stadtpolitik Verantwortung übernehmen. Dem hat sich in ihrer Not auch Vassilakou angeschlossen: Die parteiinterne Demokratie sei ein „hohes Gut“, und natürlich respektiere sie das Votum der Wiener Grünen, aber Stadtpolitik werde nicht in der Partei, sondern im Gemeinderat gemacht.
Wäre sie darauf früher gekommen, sie hätte sich und ihrer Partei einiges erspart. Oder auch nicht. Denn dass Unzuständige und Hinterbänkler dann Ruhe gegeben hätten, ist nicht anzunehmen. Sie werden auch jetzt keine Ruhe geben – nach dieser Abstimmung erst recht nicht! Von „Verrat“und „drüberfahren“wird die Rede sein, und möglicherweise geht es jetzt erst richtig los.
Nicht der einzige Streit
Ein Wortführer, damit der Streit in der Partei nicht aufhört, könnte der Kultursprecher der Grünen im Parlament sein – an sich für Wiener Stadtpolitik unzuständig. Ein anderer könnte der Klubobmann der Grünen im ersten Bezirk sein, der nun auch gleich seine Forderungen vorlegt, wie der umstrittene Bau auszusehen hat. Setzt er sich damit durch: Respekt! Wenn nicht, hat er zumindest beim riesigen Schaden für die Grünen seinen Beitrag geleistet.
Aber das ist nicht der einzige offene Streit in der Partei. Selbstverständlich nicht! Sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, den Grünen ginge es nach dem Sieg von Van der Bellen recht gut. Der erste grüne Bundespräsident weltweit! Da musste etwas geschehen, aber nicht durch politische Gegner, sondern von innen, damit es glaubwürdig ist.
Zuerst kamen die Jungen Grünen, deren Führung nicht klargemacht werden konnte, dass eine Partei sich lächerlich macht, wenn sie zwei Gruppierungen gleichzeitig unterstützt, die bei einer Wahl gegeneinander antreten. Nachdem der Streit ausreichend öffentlich eskaliert war – wegen einer Splittergruppe bei den Hochschülerschaftswahlen! –, erklärte die Führung der Jungen Grünen ihren bevorstehenden Rückzug.
Aber da war der Schaden schon angerichtet. Und hört auch nicht auf. Die Sprecherin der Jungen Grünen in der Steiermark drohte vor wenigen Tagen damit, „was da noch an Aufstand kommen kann“. Und überdies sei die Chefin der Grazer Grünen „ganz offensichtlich überfordert“und möge den Parteivorsitz abgeben, Stadträtin dürfe sie bleiben.
Verfinsterte Zukunft in Graz
Und weil sie schon dabei sind, wollen die Jungen Grünen in Graz auch gleich, der Stadtparteivorstand möge sich zurückziehen. Nun liegt es in der Natur der Me- dien, dass auch Wichtigtuer aus der dritten Reihe gehört und zitiert werden, wenn sie nur laut genug gegen etwas protestieren. Vor Kurzem waren daher der Bundesgeschäftsführer und zwei Stellvertreter von Eva Glawischnig in Graz, um die Jungen Grünen davon zu überzeugen, bei den Hochschülerschaftswahlen wenigstens nicht die Fraktion gegen die eigene Partei zu unterstützen.
Natürlich vergebens. Die steirische Sprecherin der Jungen Grünen hat sich mit der Feststellung revanchiert: „Wenn wir uns weiter auf Befehl der Bundespartei zerfleischen, werden die Grünen in Graz keine Zukunft haben.“
Die Befürchtung mag übertrieben sein, aber dass die Zukunft der Grazer Grünen sich auf diesem Weg stark verfinstert, ist sicherlich richtig. Und „uns zerfleischen“ist auch richtig. Dass dies „auf Befehl der Bundespartei“geschehe, ist allerdings eine krasse Realitätsverweigerung – wiewohl die Ohnmacht der Bundespartei im Angesicht des verheerenden Schauspiels, das die Grünen insgesamt in der Öffentlichkeit bieten, schon etwas stark Irritierendes hat.
Begrenztes Wählerverständnis
Als die Grünen in den 1980er-Jahren entstanden, war Streit am Anfang unvermeidlich. Deswegen galten sie allgemein als Chaostruppe, aber zu Unrecht, weil sie sich als Partei erst finden mussten. Aber jetzt? Schon klar: Wer etwas verändern will, muss zuweilen radikal auftreten und Streit suchen. Aber den Streit sollten sie mit den anderen führen, nicht untereinander! Und könnten die Jungen Grünen ein bisschen weniger kindisch sein?
Als ratloser Betrachter fragt man sich: Hat der Streit in der eigenen Partei wirklich etwas so Unwiderstehliches? Ist allen Grünen ausreichend klar, dass das Vertrauen, das ihnen bei Wahlen geschenkt wird, Verantwortung bedeutet? Und dass die Wählerinnen und Wähler für so eine Fülle egomanischer Narreteien wenig Verständnis haben werden?
Wir erwarten, dass jetzt einmal alle Grünen mit allen Grünen abrechnen. Ist das erledigt, sollten sie sich dem „Kampf gegen rechts“zuwenden. Das hatten sie nämlich auch noch vor.