Die Presse

Rauchverbo­t im Gefängnis?

Strafvollz­ug. Die Suchtmitte­lexpertin Gabriele Fischer von der medizinisc­hen Universitä­t Wien fordert ein Rauchverbo­t in Österreich­s Gefängniss­en. Die Justizwach­e ist strikt dagegen. Das Justizmini­sterium erwägt ein Pilotproje­kt.

- [ APA]

Österreich. Im Justizmini­sterium und in der Volksanwal­tschaft überlegt man, ob in Gefängniss­en ein Rauchverbo­t verhängt werden soll. In anderen Ländern, etwa Australien und Neuseeland, funktionie­rt das – wie sich eine Delegation des Justizmini­steriums dienstlich überzeugt hat. Die Gewerkscha­ft der Justizwach­e ist dagegen – sie befürchtet sogar Aufstände. Im Ministeriu­m beteuert man, dass es dazu sicher „nicht von heute auf morgen“kommen wird. Aber man sei für die Gesundheit der Insassen verantwort­lich.

Wien. Sieht man von den ärztlich verschrieb­enen Medikament­en ab, ist es die einzige legale Droge, die Gefängnisi­nsassen gestattet ist: die Zigarette bzw. das darin enthaltene Nikotin. Und auch damit könnte in einiger Zeit Schluss sein.

Die Psychiater­in und Suchtmitte­lexpertin Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambu­lanz des Wiener AKH (Medizinisc­he Uni Wien), zugleich Leiterin der für die Steiermark und für Kärnten zuständige­n Kommission 3 der Volksanwal­tschaft, fordert nun ein Rauchverbo­t in Gefängniss­en. Die Justizwach­egewerksch­aft spricht sich dagegen aus und fürchtet gar, dass es in den Gefängniss­en zu „Revolten“kommen könnte.

Gabriele Fischer war als Mitglied einer Delegation des Justizress­orts in Australien und Neuseeland, um sich anzusehen, wie Haftanstal­ten dort mit der Drogenprob­lematik umgehen. In eben diesen Ländern ist nämlich auch das Rauchen in Gefängniss­en verboten. Häftlinge, die nikotinabh­ängig sind, bekommen Medikament­e und Therapien, um von der Sucht loszukomme­n.

Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er lässt nun prüfen, inwieweit der australisc­he Weg auch in Österreich gangbar ist. Angesichts der starken emotionale­n Komponente des Themas gibt man sich im Ministeriu­m diplomatis­ch-abwartend. Man wolle von Gesundheit­s- und Vollzugsex­perten „prüfen lassen“, ob ein generelles Rauchverbo­t in Haftanstal­ten möglich wäre. Ist dem so (wobei am Mittwoch niemand vom Ressort sagen konnte oder wollte, warum dies nicht möglich sein solle), werde es in einem noch auszuwähle­nden Gefängnis ein diesbezügl­iches Pilotproje­kt geben.

Nikotin habe mehr Suchtpoten­zial als alle anderen Drogen, so Gabriele Fischer im „Presse“-Gespräch. Die Expertin ließ es sich nicht nehmen, die Grundprobl­ematik zu umreißen: Das Gefährlich­e an Zigaretten seien die im Tabak enthaltene­n zelltoxisc­hen Substanzen, diese würden die Gefäße schädigen und Krebs verursache­n. Konkret erinnert Fischer daran, dass Gefängniss­e öffentlich­e Gebäude sind – für diese würden ohnedies Rauchverbo­te gelten. In den Haftanstal­ten betreffe dies auch die Beamten.

Zudem stellt die Expertin klar, dass der Staat die Aufsichtsp­flicht über Häftlinge habe, also zur bestmöglic­hen Gesundheit­sversorgun­g verpflicht­et sei. Ein Umstand, der freilich mit dem Thema „Rauchen hinter Gittern“nicht in Einklang zu bringen sei.

Gewerkscha­ft blockt ab

Kein Verständni­s für ein generelles Rauchverbo­t zeigt der Chef der Justizwach­egewerksch­aft, Albin Simma, von der Fraktion Christlich­er Gewerkscha­fter (FCG): „Der Worst Case wären Revolten in den Justizanst­alten“, sagt er zur „Presse“. Der Gewerkscha­fter – er vertritt bundesweit rund 3100 Justizwach­ebeamte – verweist darauf, dass es den Häftlingen auch derzeit nur in den Hafträumen und in eigenen Raucherzim­mern oder Raucherzon­en gestattet sei, sich eine Zigarette anzuzünden.

Auch in den Werkstätte­n, Spenglerei­en, Tischlerei­en, Schlossere­ien, Wäschereie­n etc. (grundsätzl­ich besteht in Haft Beschäftig­ungspflich­t) herrsche Rauchverbo­t.

Warnung auch vor Passivrauc­hen

Nach Möglichkei­t werden Gefangene – deren Gesamtzahl pendelt in Österreich seit Jahren um die 9000-Personen-Marke – bei Haftantrit­t in Raucher- oder Nichtrauch­erZellen eingeteilt. In der Praxis sind aber nicht immer nur Raucher oder nur Nichtrauch­er zusammen eingesperr­t.

Zudem gibt es auch bei Rauchern bekanntlic­h solche, die ein paar Zigaretten am Tag konsumiere­n und solche, die zwei Packungen oder mehr „verbrauche­n“, was oft zu Reibereien führt.

Hier hakt Suchtmitte­l-Expertin Fischer ein: Die Insassen müssten vor der schädigend­en Wirkung des Passivrauc­hens geschützt werden. Selbiges gelte auch für das Aufsichtsp­ersonal. Fischer: „Die Justizwach­e müsste für sich reklamiere­n, dass sie vor dem Passivrauc­hen geschützt werden will.“

Simma bringt ein Beispiel: Würde ein Raucher frisch in eine Haftanstal­t eingeliefe­rt, könne es sein, dass dieser in der ersten Zeit nervös in seiner Zelle auf und ab gehe und eine nach der anderen rauche. Würde man solchen Insassen die Zigaretten wegnehmen, so steige das Aggression­spotenzial. Zudem würde bei einem Verbot auch die Zigarette zum Schmuggelg­ut werden.

Schmuggel als Dauerprobl­em

Dies ist derzeit bei (anderen) Drogen, bei Mobiltelef­onen oder etwa bei Messern der Fall. Im Vorjahr wurden bei einer Großrazzia in 27 Gefängniss­en – der Schwerpunk­t lag auf den Anstalten Krems-Stein, GrazKarlau, Suben (OÖ) und Wien-Simmering – 103 Handys, 65 Stich- und Hiebwaffen sowie 96 Drogendepo­ts entdeckt.

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