Die vielen Bruchstellen in der Wiener SPÖ
Parteitag. In den vergangenen Monaten wurde in der Wiener SPÖ so lang gestritten, bis Häupl auf Drängen seinen Rückzug präzisierte. Drei Thesen zum Konflikt.
Wien. Man hat versprochen, beim SPÖ-Landesparteitag am Samstag Eintracht demonstrieren zu wollen. Der Friede zwischen den beiden SPÖ-Flügeln ist aber ein höchst fragiler, die Konflikte und Bruchlinien in der Partei sind vielschichtig – und haben mehr als eine Wurzel.
IInnen- und Außenbezirke haben unterschiedliche Interessen – Letztere fühlen sich benachteiligt. Wien wächst – das bringt für die unterschiedlichen Bezirke auch unterschiedliche Herausforderungen – und daraus resultierende unterschiedliche Bedürfnisse. Das zeigt sich etwa am Dauerstreitthema Verkehr: Während in äußeren, weitläufigen Bezirken wie Favoriten, Simmering, Liesing, Donaustadt und Floridsdorf ganze Stadtteile entstehen, die erst einmal neue Straßen und öffentliche Verkehrsmittel brauchen, sind die inneren Bezirke gut angebunden. Hier will man verdichten und treibt politisch eher voran, dass auf Autos so gut wie möglich verzichtet wird.
Dementsprechend ist auch der politische Fokus unterschiedlich gelagert. Während die inneren Bezirke als rot-grün-affin gelten, war man in den äußeren Bezirken alles andere als begeistert, dass Häupl nach den Gemeinderatswahlen im Herbst 2015 entschied, lieber wieder mit den Grünen als mit der ÖVP zu koalieren. Dann auch noch der grünen Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, das Verkehrs- und Stadtplanungsressort zu überlassen war für viele in der SPÖ der Gipfel. Derzeit sind die Innenbezirke in der Stadtregierung dominant vertreten. Von fünf SPÖ-Stadträten ist Michael Ludwig derzeit der einzige Repräsentant eines stark wachsenden Flächenbezirks, deren Vertreter seit Jahren mehr Einfluss fordern. Ludwig stammt aus Floridsdorf.
IWehsely war die Erste, die Häupl öffentlich kritisierte – ein Tabubruch mit Rattenschwanz. Eine politische Karriere bedeutet für Einzelne stets Investment in andere Funktionsträger – in der Hoffnung, auf den Richtigen gesetzt zu haben, um später aufzusteigen. Mit Häupls nahender Pension rückt auch die Möglichkeit eines ersten großen Paradigmen- und Machtwechsels in der Partei nach 23 Jahren Regierungszeit näher.
Bis Jänner 2016 war Häupl parteiintern mehr oder weniger unumstritten – was der Bürgermeister sagte, war für die Partei sakrosankt. Es war die ehemalige Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely, die die Büchse der Pandora öffnete, indem sie als Erste eine Entscheidung Häupls öffentlich kritisierte und somit schwächte. Der Grund für ihren Angriff: Häupl hatte gemeinsam mit Ex-Bundeskanzler Werner Faymann das umstrittene Abkommen zur Flüchtlingsobergrenze unterschrieben.
Wehsely galt zu dieser Zeit als Gallionsfigur des linken Flügels in der Wiener SPÖ – und hegte damals noch große Hoffnungen, Bürgermeisterin zu werden. Unterstützt wurde sie von der Häupl-Vertrauten und Finanzstadträtin Renate Brauner ebenso wie von ihrer späteren Nachfolgerin und damaligen Bildungsstadträtin, Sandra Frauenberger. Das Desaster rund um Mindestsicherung und Krankenanstaltenverbund zwang Wehsely schlussendlich zum Rücktritt – das schwächte auch Brauner und Frauenberger, die selbst in ihren Ressorts schwierige Themen hatten und intern unter Beschuss standen. Brauner kämpft nach wie vor mit hoher Verschuldung der Stadt – und Frauenberger trug die Folgen des durch den jetzigen Klubobmann, Christian Oxonitsch (Förder-Gewährung), und durch Wehsely (Kontrollen) verursachten Kindergarten-Förderskandal aus.
Wehsely war jedenfalls nicht die Einzige, die mit Kritik an Häupls Stuhl sägte – um ihn vielleicht selbst zu besetzen. Vertreter der Flächenbezirke, aus der Anhängerschaft von Michael Ludwig, folgten ihrem Beispiel und forderten Häupl zuerst auf, Ressorts neu zu besetzen und dann seine Nachfolge inklusive seines Ruckzugs zu regeln. Er ging auf ihre letztere Forderung ein.
IFaktor Werner Faymann: Der desaströse 1. Mai 2016 hinterließ Wunden, die nie geheilt wurden. Nicht nur die offene Kritik an Häupl war ein erster Tabubruch in der SPÖ – auch, wie man den damaligen Parteivorsitzenden und Kanzler, Werner Faymann, aus der Partei drängte, war ein Novum. Er wurde am 1. Mai, dem wohl höchsten Feiertag der SPÖ, von der Basis auf dem Rathausplatz ausgepfiffen und ausgebuht. Auch dafür machen seine ehemaligen (und großteils heute Ludwigs) Anhänger den linken Flügel ver- antwortlich. Mit Faymann fiel auch seine Gefolgschaft und wurde machttechnisch teilweise beschnitten. Die Verletzungen waren manchmal auch persönlich und jedenfalls tief. Christian Deutsch, der Michael Häupl offen kritisierte, gilt neben Doris Bures als enger Faymann-Vertrauter. Die Parteiführung hat es nach diesem Eklat versäumt, beide Gruppen auszusöhnen.