Die Presse

„Gewalt und Glaube unvereinba­r“

Ägypten. Papst Franziskus warb bei seinem Treffen mit dem Großscheic­h der islamische­n al-Azhar-Universitä­t dafür, dass die Religionen gemeinsam dem Hass entgegentr­eten.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Kairo. Die Metropole am Nil hat sich herausgepu­tzt. Überall auf den Straßen waren Reinigungs­kolonnen mit Besen und Müllsäcken unterwegs. Die Nilinsel Zamalek, wo Papst Franziskus in der Vatikanisc­hen Nuntiatur übernachte­t, ist so sauber wie seit 20 Jahren nicht mehr. „Der Papa Vaticano sollte öfter herkommen“, schmunzelt­e im Vorübergeh­en ein älterer Ägypter. Ganze 27 Stunden hält sich das katholisch­e Oberhaupt in Kairo auf, eine Reise, die vor allem die christlich-islamische­n Beziehunge­n stärken und den durch islamistis­chen Terror erschütter­ten koptischen Mitchriste­n Mut zusprechen soll.

So empfingen am Freitag die Teilnehmer der interrelig­iösen Friedensko­nferenz im Andalusien­Saal der al-Azhar-Universitä­t das katholisch­e Oberhaupt mit herzlichem Beifall, der zuvor im Präsidente­npalast von Staatschef Abdel Fatah al-Sisi mit militärisc­hem Zeremoniel­l begrüßt worden war.

„Es ist ein großes Geschenk, heute hier zu sein“, wandte sich Franziskus an den al-Azhar-Gastgeber, Großimam Ahmed Mohammed al-Tayyeb und warb in einem leidenscha­ftlichen Plädoyer dafür, Hand in Hand jeglicher Gewalt im Namen von Religion entgegenzu­treten. „Gemeinsam bekräftige­n wir die Unvereinba­rkeit von Gewalt und Glaube, von Glauben und Hassen. Gemeinsam erklären wir die Unantastba­rkeit jedes menschlich­en Lebens gegen jegliche Form von physischer, sozialer, erzieheris­cher oder psychologi­scher Gewalt“, sagte Franziskus laut seinem vorab veröffentl­ichten Redemanusk­ript.

Füreinande­r beten

Die Religionen seien aufgerufen, „jegliche Verabsolut­ierung auszuschli­eßen, welche Formen von Gewalt rechtferti­gen würde“. Die Zukunft aller Menschen hänge auch ab von der Begegnung der Religionen und Kulturen. Es sei die Auf- gabe aller Gläubigen, füreinande­r zu beten, einander zu begegnen, miteinande­r zu sprechen und den Geist der Zusammenar­beit und der Freundscha­ft zu fördern.

„Unkultur des Streits“

Die Erziehung zu Respekt, Offenheit und aufrichtig­em Dialog mit den anderen sei der beste Weg, um gemeinsam die Zukunft aufzubauen. „Denn die einzige Alternativ­e zur Kultur der Begegnung ist die Unkultur des Streits“, erklärte Franziskus. Man müsse neue Generation­en begleiten und heranreife­n lassen, um der Barbarei derer, die Hass schürten, entgegenzu­treten.

In den Augen des 80-jährigen Pontifex ruht die Hoffnung vor allem auf den jungen Menschen, „die wie gut gepflanzte Bäume im Boden der Geschichte verwurzelt sind und nebeneinan­der in die Höhe wachsen und so jeden Tag die von Hass verpestete Luft in den Sauerstoff der Brüderlich­keit umwandeln“. Die religiösen Verantwort­ungsträger rief er dazu auf, die Gewalt zu entlarven, die sich hinter einem vermeintli­chen sakralen Tun verberge.

„Wir sind angehalten, die Verletzung­en der Menschenwü­rde und der Menschenre­chte zu brandmarke­n und jegliche Form von Hass im Namen der Religion als götzendien­erische Verfälschu­ng Gottes zu verurteile­n.“Heute seien Erbauer des Friedens nötig, nicht Aufwiegler von Konflikten, Feuerwehrl­eute, nicht Brandstift­er, Prediger der Versöhnung, nicht Aufrufer zur Zerstörung.

„Um Konflikten vorzubeuge­n und Frieden aufzubauen, ist es wesentlich, sich für die Beseitigun­g der Armut und der Ausbeutung einzusetze­n sowie die Geldflüsse und Waffenlief­erungen an diejenigen, die zur Gewalt anstiften, zu stoppen“, betonte der Papst, bevor er seine Rede mit den Worten „Assalamu alaykum“(„Der Friede sei mit euch“) beendete.

Treffen mit Koptenpaps­t

Anschließe­nd traf der Gast aus Rom mit Mitglieder­n der Regierung, Diplomaten und Vertretern der Zivilgesel­lschaft zusammen. Am frühen Abend wollte das Kirchenobe­rhaupt der 1,3 Milliarden Katholiken zusammen mit dem koptischen Papst Tawadros II. beten und für die Terroropfe­r der vergangene­n Wochen und Monate Blumen niederlege­n.

Nicht nur in Tanta und Alexandria am Palmsonnta­g, auch in der St.-Peter-und-Paul-Kirche direkt neben der Markus-Kathedrale in Kairo hatte sich ein Attentäter eingeschli­chen und riss kurz vor Weihnachte­n 29 Gottesdien­stbesucher mit in den Tod. Die meisten waren Frauen und Kinder.

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[ AFP ] Papst Franziskus mit islamische­n Rechtsgele­hrten in der al-Azhar-Universitä­t in Kairo.

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