Der Mai mit alten und weniger alten Bräuchen
Rituale. Manche Tradition, die im Mai begangen wird, ist nicht so alt, wie man glaubt. Viele Bräuche, die in den Städten ihren Ursprung hatten, tauchen jetzt wieder vor allem am Land vermehrt auf – vom Maibaumstehlen bis zum Maistrich.
Der Mai, das ist der Monat, in dem der Frühling so richtig spürbar wird. Astronomisch hat er ja schon am 20. März begonnen, meteorologisch am 1. März, doch erst Anfang Mai stellt sich das Frühlingsgefühl wirklich ein. Wonnemonat wird er auch genannt – hergeleitet vom althochdeutschten „wunnimanot“, das für Weidemonat steht, in dem das Vieh wieder auf die Weide getrieben werden konnte. Erst nachträglich setzte sich auch die Umdeutung als Freudenmonat durch.
Naheliegend ist, die diversen Bräuche, die rund um den Mai auftauchen, auf Fruchtbarkeit und ihren Zauber zurückzuführen. Allein, diese Interpretationen stammen großteils aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Die Besinnung auf einen heidnisch-germanischen Frühlingskult sei jedenfalls vor allem im völkischen Kontext in Bräuche wie das Aufstellen des Maibaums hineininterpretiert worden, sagt Ethnologin Helga Maria Wolf.
Die ältesten Berichte über Maibäume stammen aus Städten, unter anderem auch aus Wien, wo die Babenberger wohl im 13. Jahrhundert am Hof einen Maibaum aufgestellt haben. „Vieles rund um den Brauch, vom Schuhplatteln bis zum Bandeltanz, ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts und der NS-Zeit“, sagt Wolf. „Es ist jedenfalls nicht so alt und germanisch, wie es heute wirkt.“
Der Maibaum selbst steht in der Tradition der Festbäume. Bekanntestes Beispiel ist der Weihnachtsbaum, aber auch der Firstbaum, der zum Richtfest auf den Rohbau eines Hauses angebracht wird. So wie beim Firstbaum gibt es auch die Tradition des Maibaumstehlens. Das wiederum ist ein Rest der sogenannten PhilippiNacht. In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai musste früher alles, was nicht niet- und nagelfest war, weggeräumt werden – sonst konnte man es am nächsten Tag auf dem Dorfplatz wiederfinden. Das Stehlen und Verstecken von Dingen in dieser Unruhnacht war ein alter Rügebrauch. Jene, die nichts hatten, konnten sich an denen, die etwas hatten, revanchieren.
„Das Stehlen der Bäume dürfte sich in letzter Zeit vermehrt haben“, sagt Wolf. Dass also die Landjugend den Baum aus dem Nachbarort stiehlt und dass dieser später dann ausgelöst werden muss.
Medial österreichweit bekannt wurde in den vergangenen Jahren etwa der Fall des Baums, der im Löwengehege des Tiergartens im niederösterreichischen Haag wiedergefunden wurde. Gelegentlich wird aber auch noch mehr übertrieben – zuletzt beispielsweise in Mistelbach, wo Jugendliche aus einem fahrenden Auto mit einer Motorsäge einen Maibaumtransport attackierten. Hier musste die Exekutive, die bei derartigen Traditionen oft nicht so ganz genau hinschaut, sogar eine Anzeige erstatten.
Ein Klassiker bei Volksfesten rund um den Baum ist das Maibaumkraxeln. Dass vor allem junge Männer den glatten Baum hinaufklettern und vom oben angebrachten Kranz etwas nach unten bringen – ein dort montiertes Band oder auch Würste.
Ebenfalls wieder aktuell geworden ist der Maistrich. Aus einem fahrenden Fahrzeug aus wird ein Farbstrich zwischen zwei Häusern gezogen – oft über viele Kilometer. Damit wird eine Spur zwischen zwei Personen gelegt, die sich lieben oder ein Verhältnis haben, das damit aufgedeckt wird.
Die Ethnologin Wolf sieht im Wiederaufleben dieser Bräuche eine Freude an archaischen Ritualen – auch als eine gewisse Gegenbewegung zur Globalisierung. Und das nicht nur im Mai – auch Krampusperchten, die im Winter als Tradition zelebriert werden, hätten sich erst vor ungefähr 30, 40 Jahren etabliert.
Der Mai als Marienmonat
Auch aus kirchlicher Sicht ist der Mai wichtig. Um heidnische Maifeiern in einen christlichen Kontext zu rücken, wurden ab dem Mittelalter Maiandachten abgehalten, ab dem 17. Jahrhundert wurden Gebete zur Gottesmutter Maria üblich. Im katholischen Kirchenjahr ist der Mai besonders ihrer Verehrung gewidmet.
Je nachdem, wann Ostern war, fallen auch immer wieder Christi Himmelfahrt (heuer 25. Mai), Pfingsten (heuer erst am 4. Juni) und gelegentlich Fronleichnam (heuer 15. Juni) in den Mai. Und die drei Eisheiligen. Pankratius, Servatius und Bonifatius bringen von 12. bis 14. Mai häufig noch kalte Luft ins Land.
Am zweiten Sonntag im Mai wird in Österreich auch traditionell der Muttertag gefeiert – seit 1924. Und damit noch nicht so lang wie der Tag der Arbeit am 1. Mai – der sozialistische Gegenpol zu den kirchlichen Feiern. Die ersten Kundgebungen fanden in Österreich im Jahr 1890 statt, damals marschierten rund 100.000 Menschen durch den Wiener Prater. 1919 wurde die jährliche sozialdemokratische Maikundgebung auf die Ringstraße verlegt. Und dort findet sie auch heuer wieder statt. Aber das ist eine andere Geschichte.