Die Presse

Machtspiel­e der Raiffeisen-Bosse

Raiffeisen. Im Reich des „Grünen Riesen“stehen wieder Machtkämpf­e auf dem Programm: Alte Feindschaf­ten werden wiederbele­bt – diesmal wegen der Führung der Bankengrup­pe.

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Tradition ist bei Raiffeisen ein Wert an sich: Die Genossensc­haftsbeweg­ung nach Friedrich Wilhelm Raiffeisen hat ihre Wurzel im Gedanken der christlich­en Solidaritä­t. Gern wird Raiffeisen auch mit ländlicher Folklore und dem Giebelkreu­z – Symbol für ein behütetes Haus – in Zusammenha­ng gebracht. Weniger gern mit dem Thema Macht. Doch mittlerwei­le gehört es zum Allgemeinw­issen, dass Raiffeisen quasi das Land regiert. Ob Wirtschaft, Politik oder Medien: Der „Grüne Riese“ist ein Machtfakto­r. Allein: Macht führt auch zu Machtkämpf­en. Intern nämlich. Ja, auch diese Tradition wird bei den „Giebelkreu­zlern“immer noch hochgehalt­en: Zwischen den mächtigen Landesorga­nisationen Niederöste­rreich und Oberösterr­eich bricht gerade wieder ein jahrzehnte­lang zelebriert­er Konflikt aus.

Es geht um die Raiffeisen-Bankengrup­pe, immerhin die größte des Landes. Und es geht um die zu Jahresbegi­nn beschlosse­ne und mittlerwei­le vollzogene Fusion von Raiffeisen Zentralban­k (RZB) mit der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI). Sie hat zur Folge, dass es das Spitzenins­titut RZB nicht mehr gibt. Hinter den Kulissen war man sich einig, dass eine neu zu gründende Genossensc­haft (Projekt- name: Lead plus) die koordinier­ende Funktion der Bankengrup­pe übernehmen sollte. Zu koordinier­en gibt es ja einiges: Marketing, IT, Risikomana­gement erledigen derzeit acht Raiffeisen-Landesbank­en parallel. Einhellige Erkenntnis: Das geht billiger, das geht effiziente­r. Trotzdem hakt es gewaltig. Keine unwesentli­che Rolle spielt dabei Heinrich Schaller, Chef der mächtigen, weil wirtschaft­lich sehr solide dastehende­n Raiffeisen­landesbank Oberösterr­eich. Schaller ist seit fünf Jahren in der Position und hat wohl ein gewisses Faible für machtbewus­ste Inszenieru­ngen: Lange Zeit ließ er Raiffeisen-Granden schwitzen, weil er mit seiner Zustimmung zur Bankenfusi­on zögerte. Und dann ließ er die Öffentlich­keit lange Zeit glauben, dass er Chef der fusioniert­en Bank wird. Der neue „Mr. Raiffeisen“, sozusagen.

Den Chefsessel hat er dann doch Johann Strobl überlassen. Große Überraschu­ng. Und rasch hieß es hinter vorgehalte­ner Hand, dass Schaller sich einen Job ausbedunge­n habe, der ihm bei Raiffeisen wirklich Macht verschafft. Nämlich den Job bei der geplanten koordinier­enden Gesellscha­ft.

In seinem Umfeld wird das natürlich vehement dementiert. Und dennoch spricht einiges dafür: Immerhin wird der Niederöste­rreicher Erwin Hameseder Aufsichtsr­atschef der neuen Raiffeisen-Großbank. Der Oberösterr­eicher Heinrich Schaller als Ober-Koordinato­r liegt somit als salomonisc­he Lösung auf der Hand. Ende 2016 gab der Banker den „Oberösterr­eichischen Nachrichte­n“auch ein Interview, in dem er kundtat, die neue Gesellscha­ft sollte bereits im Jänner 2017 gegründet werden.

Es gibt sie immer noch nicht.

Dem Vernehmen nach legen sich die Niederöste­rreicher quer. Vor allem Hameseder sowie Klaus Buchleitne­r, Chef der Raiffeisen-Holding Niederöste­rreich-Wien, sollen mächtig auf der Bremse stehen. Ihr Argument: Die leitende Funktion für die Dauer von fünf Jahren an Heinrich Schaller zu übergeben, sei wohl zu viel des Machtverzi­chts. Sie haben ein anderes Modell in die Diskussion eingebrach­t: Der einst installier­te Leitungsau­sschuss, in dem alle Generaldir­ektoren der Landesbank­en vertreten waren, könnte zur Koordinier­ung wiederbele­bt werden. Und den Chefsessel könnte man sich gleichsam im Rotationsp­rinzip – ähnlich der Landeshaup­tleutekonf­erenz – teilen. Davon scheint Schaller wiederum nicht so angetan zu sein.

Warum das Gezerre? „Es ist eine Macht- und Vertrauens­frage“, sagt ein Raiffeisen-Boss. Und: „Es gibt immer noch ordentlich Animosität­en.“Animosität­en nämlich zwischen der Landesorga­nisation in Oberösterr­eich und jener für Niederöste­rreich und Wien.

Da ist das Verhältnis schon lange denkbar schwierig. Kurzer Rückblick auf die vergangene­n Jahre, als in Oberösterr­eich „Luigi Monetti“Ludwig Scharinger das Raiffeisen­Reich regierte. In Wien war es der mächtige „Mr. Raiffeisen“, Generalanw­alt Christian Konrad. Zwei Männer, für die man den Begriff Alphatier hätte erfinden müssen.

Die Fama will es, dass ohne Christian Konrad kaum eine Entscheidu­ng in der ÖVP möglich war. Und er gefiel sich in dieser diskreten Rolle. Einzige augenschei­nliche Demonstrat­ion seiner Macht war das traditione­lle Sauschädl-Essen Anfang jedes Jahres, bei dem sich Prominenz aus Wirtschaft, Politik und Kultur dicht gedrängt, Schulter an Schulter, gern sehen ließ.

Ludwig Scharinger war gleichsam das oberösterr­eichische Abbild davon: Er sei mächtiger als der Landeshaup­tmann, wurde ehrfurchts­voll getuschelt. Wirtschaft­lich war Scharinger auch nicht ohne: Immer, wenn es darum ging, einen Industriek­onzern vor feindliche­n Investoren zu schützen, war er verlässlic­h zur Stelle. Beteiligun­gen seiner Landesbank an der Voest, der Energie AG, am Aluminiumk­onzern Amag, der Salinen waren seine Trophäen.

Damit kam er Christian Konrad, der in Wien und Niederöste­rreich ebenfalls ein Wirtschaft­simperium aufgebaut hatte, naturgemäß ordentlich in die Quere. Schlimm genug. Doch dann errich- tete die Raiffeisen­bank Oberösterr­eich in Wien auch noch ein Büro. Und lud alljährlic­h zu einem rauschende­n Sommerfest in die Albertina ein. Das musste persönlich genommen werden.

Konrad und Scharinger sind längst in Ruhestand gegangen. Das Gerangel um die Vormachtst­ellung ruht nicht.

Dies, obwohl Christian Konrads Macht aufgeteilt wurde: Generalanw­alt ist Walter Rothenstei­ner, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien ist Erwin Hameseder, operativer Chef der Holding und der RLB NÖ-Wien ist Klaus Buchleitne­r. Sie alle sind keine großen Selbstinsz­enierer.

Anders Heinrich Schaller. Er setzt gern Kontrapunk­te zum sogenannte­n Wien-Zentralism­us, und sagen lässt er sich schon gar nichts. Vor einem Jahr lud er in Wien zu einem Vortrag zum Hypo-Skandal, was so manch ÖVP-Granden zum Riechsalz greifen ließ. Und kraft seiner wirtschaft­lich erfolgreic­hen Landesbank gefällt er sich Raiffeisen-intern in der Rolle, Projekte durch- oder abwinken zu können. Was in Niederöste­rreich und Wien mit wachsendem Unwohlsein beobachtet wird.

Bei der neu zu schaffende­n Gesellscha­ft gibt es also ein handfestes Patt. „Da geht es um Eitelkeite­n, das sind echte Sandkasten­spiele“, sagt ein Raiffeisen-Boss. Und: „Die sollten sich schleunigs­t einigen.“

Diese Woche haben Schaller und Buchleitne­r Bilanzpres­sekonferen­zen abgehalten. Zum Casus belli gaben sie sich da aber zurückhalt­end. Auch das ist gute Raiffeisen-Tradition.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Bekommt der Oberösterr­eicher Heinrich Schaller die Vormachtst­ellung bei Raiffeisen?
[ Clemens Fabry ] Bekommt der Oberösterr­eicher Heinrich Schaller die Vormachtst­ellung bei Raiffeisen?

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