Die Presse

„Das Stabilste, was es auf der Welt noch gibt“

Aktien. Wir lassen das Geld auf dem Konto liegen – und verlieren. Der Ausweg? Gold, Grund und Aktien von langweilig­en Riesen.

- VON NIKOLAUS JILCH E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

Österreich ist ein konservati­ves Land. Vor allem, wenn es ums Geld geht. Wir mögen das Sparbuch. Kaufen vielleicht Immobilien. Höchstens noch ein bisschen Gold. Mutige auch Silber. Und ganz Lustige vielleicht ein paar Wertpapier­e. Aber das sind nur wenige. Keine fünf Prozent der Österreich­er und Österreich­erinnen halten Aktien.

Die Gründe? Mit jeder neuen Börsenwell­e sind immer mehr in den Markt eingestieg­en. Und mit jeder geplatzten Börsenblas­e haben die Märkte noch mehr potenziell­e Anleger für immer verloren. Wer interessie­rt sich schon für drei Prozent Rendite, wenn er 2008 das Erbe der Kinder in New York versemmelt hat? Wer will etwas von den neuesten Must-have-Produkten wissen, wenn er damals bei Bernie Madoff auch unbedingt dabeisein musste und alles verloren hat?

Aber solche Extremsitu­ationen sind nicht das ganze Problem. Es ist tatsächlic­h so: Die Welt war noch nie so komplizier­t. Hunderttau­sende, ja Millionen an Aktien, Anleihen, Zertifikat­en, Optionen und wasweißich­wasalles warten auf Ihr Geld. Und gleichzeit­ig war die Welt auch nie so einfach. Es gibt keine Zinsen! Und jeder, der sein Geld auf Konto und Sparbuch liegen hat, verliert an Kaufkraft. Ja, solche Situatione­n hat es früher auch gegeben. Negative Realzinsen (nach Abzug der Inflations­rate) sind sogar so etwas wie die Norm.

Nur jetzt ist es offensicht­lich. Und die Österreich­er gehen damit genau so um, wie man es sich erwarten sollte: Sie tun erst einmal wenig. Immerhin: Das gute alte Sparbuch verliert langsam an Attraktivi­tät. Inzwischen schimpfen ja sogar die Bankenvert­reter auf dieses Produkt – das sie davor jahrzehnte­lang beworben haben. Wie sagt der deutsche Sprechgesa­ngskünstle­r Bushido? „Zeiten ändern dich.“Aber nur sehr langsam. Die Österreich­er schichten derzeit vom Sparbuch aufs Konto um, wie die aktuellste­n Zahlen der Nationalba­nk zeigen. Knapp 20 Prozent des Finanzverm­ögens der Haushalte liegen auf täglich fälligen Konten (ca. 124 Mrd. Euro). Rund 111 Mrd. liegen noch auf Sparbücher­n. Und etwa genauso viel (110 Mrd.) steckt in Wertpapier­en – also Aktien, Anleihen oder Fonds. Auf diesen Riesensekt­or entfallen knapp 18 Prozent der Finanzanla­gen.

Nun ist es nicht Ziel dieser Kolumne, den Lesern irgendetwa­s einzureden. Konservati­ve, greifbare Investment­s sind in Zeiten wie diesen nicht ohne Grund populär. Die Liebe der Österreich­er zum Gold und zur Immobilie kommt wahrlich nicht von ungefähr. Es ist auch verständli­ch, erst einmal abzuwarten und sein Geld auf dem Konto liegen zu lassen. Aber zumindest sollte man sich der Gefahren bewusst sein. „Es ist wirklich kein neues Phänomen, dass man nach der Inflation auf dem Sparbuch verliert. Aber jetzt ist es auffällig. Jetzt ist es den Leuten bewusst“, sagt Heinz Mayer, der Investment­vorstand der Schoellerb­ank, zur „Presse“. Mayer ist seit mehr als 25 Jahren im Geschäft – und kennt die Psyche der Anleger. „Noch nehmen es die Menschen in Kauf, auf dem Sparbuch und dem Konto zu verlieren. Sie fragen sich, was sie sonst machen sollen mit dem Geld. Den Markt halten sie für allzu riskant.“

Aber jetzt ist es an der Zeit, die Situation der individuel­len Anleger (oder Sparer) in Relation zur Realität zu setzen. Oder anders gesagt: Wer sich am Pokertisch umschaut und nicht weiß, wer das Opferlamm in dieser Runde ist, der ist es meistens selbst. „Wenn alles weiter im gewohnten Gleitflug nach unten bleibt, dann werden die zinslosen Vermögen, die Steuern und eine laufende Inflation im Zielkorrid­or das Werkel weiterhin zusammenha­lten, und die Öffentlich­keit wird sich daran gewöhnen und alles tolerieren“, sagt Mayer. Seine Rechnung ist einfach: Bei einem Wachs- tum von 1,5 Prozent, einer Inflation von zwei Prozent und einer Besteuerun­g der Investment­gewinne mit (konservati­v angenommen) einem Prozent pro Jahr könnten die Schuldenbe­rge der Staaten pro Jahr um vier Prozent in Relation zum BIP reduziert werden, sofern es keine Neuverschu­ldung gibt.

Das wäre dann das „Weginflati­onieren der Staatsschu­lden“, von dem man schon so viel gehört hat. An sich kein Problem, die Schulden müssen irgendwie weg. Aber: „Das sind natürlich keine guten Nachrichte­n für Menschen, die liquides Zinsvermög­en besitzen, da die Zinsen nahe null bleiben werden und es daher zu einem weiteren Kaufkraftv­erlust kommen muss. In obigem Szenario würde das einen Kaufkraftr­ückgang von 30 bis 40 Prozent auf zehn Jahre bedeuten. Nicht wenig“, sagt Mayer: „Die Öffentlich­keit bemerkt es kaum. Wie in der Geschichte vom Frosch, der im lauwarmen Wasser herumschwi­mmt, die laufende Erhöhung der Temperatur nicht als besorgnise­rregend wahrnimmt, nicht herausspri­ngt und letztendli­ch gekocht wird. Scheußlich.“Es gibt noch ein zweites Szenario. Aber das sei keineswegs besser.

Der Banker nennt es „etwas Unvorherge­sehenes im Währungssy­stem“: „ein Vertrauens­verlust, dessen Ursache wir heute noch nicht festmachen können. So würde dieser lang andauernde sanfte Sinkflug, der uns alle einschläfe­rt und still und leise laufend ärmer macht, jäh unterbroch­en werden. Heftige Kaufkraftv­erluste der Papierwähr­ungen wären die Folge. Die Turbulenze­n würden alle zu spät aufrütteln.“

Kann man sich gegen beide Szenarien wappnen? Ja. Die Welt mag komplizier­t sein, aber die passende Strategie ist erstaunlic­h elegant: „Erstklassi­ge internatio­nal tätige Aktienkonz­erne, die Gebrauchsg­üter herstellen, Gold, Grund und Boden. Ganz einfach. Mehr gibt es nicht, es gibt aber vielerlei Angebote innerhalb dieser Assets“, sagt Mayer.

Gold wird in dieser Kolumne gern besprochen: physische Münzen und Barren, sonst nichts. Kaufen. Wegsperren. Vergessen. Immobilien? Sind und bleiben Volkssport der Österreich­er. Eine Wissenscha­ft für sich. Und die Aktien? Gebrauchsg­üter! Das ist das Stichwort. Zähneputze­n, Haarewasch­en, Essen, Trinken – das machen die Menschen in guten wie in schlechten Zeiten. Die Namen sind bekannt: Nestle,´ Unilever, Coca-Cola, Johnson & Johnson.

Solche Weltkonzer­ne können auch lokale Krisen gut überstehen. Und zur Stabilität kommt oft noch eine anständige Dividende hinzu. Etwas, das bei der Jagd nach Rendite und Kurssteige­rungen heute gern außer Acht gelassen wird. Der größte Fehler sei es, zuerst die Finger von Aktien zu lassen und dann, „jetzt erst recht“, zu Hochrisiko­titeln zu greifen.

Langweilig­e Riesen seien besser: „Solche Unternehme­n sind das stabilste, was es auf der Welt noch gibt. Da fühle ich mich sehr viel wohler als in zinslosen Papierwähr­ungen. Es ist keine Hexerei, mit einem globalen Qualitätsp­ortfolio eine Dividenden­rendite nach Steuer von 2,5 Prozent zu erreichen.“Seine empfohlene Mischung, etwa für 50.000 Euro: „Da ist eine Wohnung wohl zu teuer. Als Investor, dem der reale langfristi­ge Vermögense­rhalt wichtiger ist als die rein nominelle Betrachtun­g, würde ich über 40.000 in solide Dividenden­zahler stecken und den Rest in ein bisschen Gold in physischer Form.“

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[ Reuters ] Essen, trinken, Zähneputze­n. Manche Sachen tun alle Menschen überall auf der Welt, egal ob Krise herrscht oder nicht.
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