„Das Stabilste, was es auf der Welt noch gibt“
Aktien. Wir lassen das Geld auf dem Konto liegen – und verlieren. Der Ausweg? Gold, Grund und Aktien von langweiligen Riesen.
Österreich ist ein konservatives Land. Vor allem, wenn es ums Geld geht. Wir mögen das Sparbuch. Kaufen vielleicht Immobilien. Höchstens noch ein bisschen Gold. Mutige auch Silber. Und ganz Lustige vielleicht ein paar Wertpapiere. Aber das sind nur wenige. Keine fünf Prozent der Österreicher und Österreicherinnen halten Aktien.
Die Gründe? Mit jeder neuen Börsenwelle sind immer mehr in den Markt eingestiegen. Und mit jeder geplatzten Börsenblase haben die Märkte noch mehr potenzielle Anleger für immer verloren. Wer interessiert sich schon für drei Prozent Rendite, wenn er 2008 das Erbe der Kinder in New York versemmelt hat? Wer will etwas von den neuesten Must-have-Produkten wissen, wenn er damals bei Bernie Madoff auch unbedingt dabeisein musste und alles verloren hat?
Aber solche Extremsituationen sind nicht das ganze Problem. Es ist tatsächlich so: Die Welt war noch nie so kompliziert. Hunderttausende, ja Millionen an Aktien, Anleihen, Zertifikaten, Optionen und wasweißichwasalles warten auf Ihr Geld. Und gleichzeitig war die Welt auch nie so einfach. Es gibt keine Zinsen! Und jeder, der sein Geld auf Konto und Sparbuch liegen hat, verliert an Kaufkraft. Ja, solche Situationen hat es früher auch gegeben. Negative Realzinsen (nach Abzug der Inflationsrate) sind sogar so etwas wie die Norm.
Nur jetzt ist es offensichtlich. Und die Österreicher gehen damit genau so um, wie man es sich erwarten sollte: Sie tun erst einmal wenig. Immerhin: Das gute alte Sparbuch verliert langsam an Attraktivität. Inzwischen schimpfen ja sogar die Bankenvertreter auf dieses Produkt – das sie davor jahrzehntelang beworben haben. Wie sagt der deutsche Sprechgesangskünstler Bushido? „Zeiten ändern dich.“Aber nur sehr langsam. Die Österreicher schichten derzeit vom Sparbuch aufs Konto um, wie die aktuellsten Zahlen der Nationalbank zeigen. Knapp 20 Prozent des Finanzvermögens der Haushalte liegen auf täglich fälligen Konten (ca. 124 Mrd. Euro). Rund 111 Mrd. liegen noch auf Sparbüchern. Und etwa genauso viel (110 Mrd.) steckt in Wertpapieren – also Aktien, Anleihen oder Fonds. Auf diesen Riesensektor entfallen knapp 18 Prozent der Finanzanlagen.
Nun ist es nicht Ziel dieser Kolumne, den Lesern irgendetwas einzureden. Konservative, greifbare Investments sind in Zeiten wie diesen nicht ohne Grund populär. Die Liebe der Österreicher zum Gold und zur Immobilie kommt wahrlich nicht von ungefähr. Es ist auch verständlich, erst einmal abzuwarten und sein Geld auf dem Konto liegen zu lassen. Aber zumindest sollte man sich der Gefahren bewusst sein. „Es ist wirklich kein neues Phänomen, dass man nach der Inflation auf dem Sparbuch verliert. Aber jetzt ist es auffällig. Jetzt ist es den Leuten bewusst“, sagt Heinz Mayer, der Investmentvorstand der Schoellerbank, zur „Presse“. Mayer ist seit mehr als 25 Jahren im Geschäft – und kennt die Psyche der Anleger. „Noch nehmen es die Menschen in Kauf, auf dem Sparbuch und dem Konto zu verlieren. Sie fragen sich, was sie sonst machen sollen mit dem Geld. Den Markt halten sie für allzu riskant.“
Aber jetzt ist es an der Zeit, die Situation der individuellen Anleger (oder Sparer) in Relation zur Realität zu setzen. Oder anders gesagt: Wer sich am Pokertisch umschaut und nicht weiß, wer das Opferlamm in dieser Runde ist, der ist es meistens selbst. „Wenn alles weiter im gewohnten Gleitflug nach unten bleibt, dann werden die zinslosen Vermögen, die Steuern und eine laufende Inflation im Zielkorridor das Werkel weiterhin zusammenhalten, und die Öffentlichkeit wird sich daran gewöhnen und alles tolerieren“, sagt Mayer. Seine Rechnung ist einfach: Bei einem Wachs- tum von 1,5 Prozent, einer Inflation von zwei Prozent und einer Besteuerung der Investmentgewinne mit (konservativ angenommen) einem Prozent pro Jahr könnten die Schuldenberge der Staaten pro Jahr um vier Prozent in Relation zum BIP reduziert werden, sofern es keine Neuverschuldung gibt.
Das wäre dann das „Weginflationieren der Staatsschulden“, von dem man schon so viel gehört hat. An sich kein Problem, die Schulden müssen irgendwie weg. Aber: „Das sind natürlich keine guten Nachrichten für Menschen, die liquides Zinsvermögen besitzen, da die Zinsen nahe null bleiben werden und es daher zu einem weiteren Kaufkraftverlust kommen muss. In obigem Szenario würde das einen Kaufkraftrückgang von 30 bis 40 Prozent auf zehn Jahre bedeuten. Nicht wenig“, sagt Mayer: „Die Öffentlichkeit bemerkt es kaum. Wie in der Geschichte vom Frosch, der im lauwarmen Wasser herumschwimmt, die laufende Erhöhung der Temperatur nicht als besorgniserregend wahrnimmt, nicht herausspringt und letztendlich gekocht wird. Scheußlich.“Es gibt noch ein zweites Szenario. Aber das sei keineswegs besser.
Der Banker nennt es „etwas Unvorhergesehenes im Währungssystem“: „ein Vertrauensverlust, dessen Ursache wir heute noch nicht festmachen können. So würde dieser lang andauernde sanfte Sinkflug, der uns alle einschläfert und still und leise laufend ärmer macht, jäh unterbrochen werden. Heftige Kaufkraftverluste der Papierwährungen wären die Folge. Die Turbulenzen würden alle zu spät aufrütteln.“
Kann man sich gegen beide Szenarien wappnen? Ja. Die Welt mag kompliziert sein, aber die passende Strategie ist erstaunlich elegant: „Erstklassige international tätige Aktienkonzerne, die Gebrauchsgüter herstellen, Gold, Grund und Boden. Ganz einfach. Mehr gibt es nicht, es gibt aber vielerlei Angebote innerhalb dieser Assets“, sagt Mayer.
Gold wird in dieser Kolumne gern besprochen: physische Münzen und Barren, sonst nichts. Kaufen. Wegsperren. Vergessen. Immobilien? Sind und bleiben Volkssport der Österreicher. Eine Wissenschaft für sich. Und die Aktien? Gebrauchsgüter! Das ist das Stichwort. Zähneputzen, Haarewaschen, Essen, Trinken – das machen die Menschen in guten wie in schlechten Zeiten. Die Namen sind bekannt: Nestle,´ Unilever, Coca-Cola, Johnson & Johnson.
Solche Weltkonzerne können auch lokale Krisen gut überstehen. Und zur Stabilität kommt oft noch eine anständige Dividende hinzu. Etwas, das bei der Jagd nach Rendite und Kurssteigerungen heute gern außer Acht gelassen wird. Der größte Fehler sei es, zuerst die Finger von Aktien zu lassen und dann, „jetzt erst recht“, zu Hochrisikotiteln zu greifen.
Langweilige Riesen seien besser: „Solche Unternehmen sind das stabilste, was es auf der Welt noch gibt. Da fühle ich mich sehr viel wohler als in zinslosen Papierwährungen. Es ist keine Hexerei, mit einem globalen Qualitätsportfolio eine Dividendenrendite nach Steuer von 2,5 Prozent zu erreichen.“Seine empfohlene Mischung, etwa für 50.000 Euro: „Da ist eine Wohnung wohl zu teuer. Als Investor, dem der reale langfristige Vermögenserhalt wichtiger ist als die rein nominelle Betrachtung, würde ich über 40.000 in solide Dividendenzahler stecken und den Rest in ein bisschen Gold in physischer Form.“