Reiche Beute für die Aasgeier
Luftfahrt. Die Konkurrenten gehen nicht nur bei der insolventen Alitalia in Stellung. Auch die bankrotte Air Berlin braucht dringend einen neuen Financier. Der Verlust hat sich fast verdoppelt.
Berlin/Rom/Wien. Seit Jahren wird die Konsolidierung in Europas Luftfahrt beschworen, jetzt gibt es für die Aasgeier fette Beute: Denn nicht nur die Alitalia ist pleite – die Aktionäre entscheiden am Dienstag über das Insolvenzverfahren. Auch die Air Berlin ist de facto bankrott. Und Konkurrenten wie Ryanair und Easyjet, aber auch die Lufthansa, bringen sich bereits in Stellung, um sich die Filetstücke – vor allem Lande- und Startrechte – zu sichern. Denn eines ist sicher: Von der Golf-Airline Etihad, die der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi gehört, kommt für beide Beteiligungen kein Geld mehr.
Die am Freitag von Niki-Mutter Air Berlin veröffentlichten Geschäftszahlen für 2016 spiegeln den in der Luftfahrt so gefürchteten Moment wider, wenn bei einem Flugzeug der Auftrieb abreißt und die Maschine nur noch abwärtstrudelt. Im vergangenen Jahr vor der Anfang 2017 erfolgten Abgabe von 38 Maschinen an die Lufthansa bzw. AUA und der noch bevorstehenden Fusion von Niki mit TUIfly hat sich der Verlust von 446,6 auf 781,9 Mio. Euro nahezu verdoppelt. Dabei schlugen sich die Kosten für den Airline-Umbau und Wertberichtigungen mit 335 Mio. Euro nieder.
Die Folge: Das Eigenkapital ist auf minus 1,47 Mrd. Euro angestiegen – das ist mehr als die Bilanzsumme von 1,38 Mrd. Euro. Der finanzielle Absturz ging im ersten Quartal mit einem Nettoverlust von 293,3 Mio. Euro weiter.
Es ist das neunte Verlustjahr in Folge – auch mehrere Chefwechsel und deren Sanierungspakete brachten keine Besserung. Das spiegelt sich auch im Aktienkurs wider: Beim Börsengang, der erst im zweiten Anlauf im Mai 2006 geklappt hatte, kostete das Papier zwölf Euro. Zuerst ging es kräftig aufwärts – bis auf 20 Euro im April 2007. Seither ging es aber stetig ab- wärts, jetzt notiert die Air-BerlinAktie bei 0,5 Euro. Von 1000 Euro Investment vor zehn Jahren sind jetzt nur rund 50 Euro übrig.
Kartellrecht als Hürde
Wie Thomas Winkelmann, seit Februar Chef der Air Berlin, das Steuer herumreißen will, ist unklar. Möglicherweise ist der Manager, der von der Lufthansa kommt und dort die Tochter Germanwings aufgebaut hat, gar nicht als Sanierer angetreten, sondern als Wegbereiter für eine Komplettübernahme durch den großen deutschen Rivalen. Dafür spricht, dass Winkelmann in der Bilanz Altlasten seiner vielen Vorgänger entsorgt hat. Darauf weisen die hohen Wertminderungen auf An- und Abflugrechte hin.
Für einen Einstieg der Lufthansa über den Kauf des 29,2-Prozent-Pakets von Etihad spricht, dass die AUA-Mutter durch die Übernahme von 38 Flugzeugen samt Crews den Fuß in der Tür hat. Das erfolgte übrigens über den Kniff der Anmietung, um das Kartellgericht milde zu stimmen. Wettbewerbsrechtliche Bedenken bilden neben dem Schuldenberg von 1,2 Mrd. Euro die größte Hürde. Die Scheichs würden möglicherweise die Verbindlichkeiten schultern – sie goutieren eine Partnerschaft mit der Lufthansa, würde sie ihnen doch jene Position in Europa bieten, die ihnen Alitalia und Air Berlin nicht gebracht haben.
Vielleicht fällt schon am Wochenende eine Vorentscheidung: Lufthansa-Boss Carsten Spohr reist im Zuge des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Emirate und führt dort mit Etihad Gespräche, berichtet das Magazin „Focus“. Merkel könnte wesentliche Schützenhilfe für das Kartellverfahren geben. Auch wenn der Deal nicht klappt, soll die Lufthansa schon Szenarien für die Pleite der Air Berlin in der Schublade haben. Die Zustimmung der Politik soll Spohr bereits haben.