„Das Publikum steht bei uns im Zentrum“
MuTh – Konzertsaal der Wiener Sängerknaben. Direktorin Elke Hesse über die „Marke MuTh“, den engen Kontakt zum Publikum, Rückblicke, Pläne und die Besonderheiten „ihrer“Kinder.
Das MuTh wird fünf Jahre alt – ist die Zeit schnell vergangen? Elke Hesse: Wenn ich aus meinem Büro die Bäume sehe, wie schnell sie im Frühling sprießen, denke ich: Genauso schnell ist dieses Haus aus dem Boden gesprossen und hat sich in Künstlerkreisen etabliert, unter anderem, weil das Haus eine sehr gute Akustik hat, die speziell im Bereich der Kammermusik heimische Protagonisten anzieht, aber auch bei unserem Publikum hat sich das mittlerweile herumgesprochen. Vier Jahre sind im Kulturbereich nicht viel, aber das MuTh ist in dieser Zeit schon zu einer Marke geworden. Wir können sehr direkt auf das Publikum zugehen, und mir bereitet es sehr große Freude zu sehen, dass die Menschen sehr gern hierherkommen und auch merken, dass die Architektur durch das viele Glas und die Helligkeit eine Offenheit und Vielfalt unterstützt, die schon in unserem Programm selbst steckt. Die Gestaltung des Gebäudes kommt dem künstlerischen Erlebnis zugute: Der Saal ermöglicht einen sehr direkten Austausch mit dem Publikum.
Wie findet der direkte Kontakt mit dem Publikum statt? Ich kann bei fast jedem Konzert das Publikum persönlich ansprechen. Auch im Rahmen diverser Aktionen: Im Jahresheft haben wir unser Publikum fotografiert. Im Foyer wurde eine Art Minifotostudio eingerichtet, und ich habe die Menschen angesprochen und gefragt, ob sie sich fotografieren lassen würden. Das ist mittlerweile schon zu einer Tradition geworden. Aus diesen Fotos machen wir eine Plakatkampagne, bei der das Publikum im Zentrum steht: Ohne Publikum würde ja auch der ganze Betrieb nicht laufen, da kann es noch so viele Sponsoren und Subventionen geben.
Was sind die besonderen Neuheiten der kommenden Saison ? Es wird einen Zyklus geben, der sich „Kammermusik anders“nennt, in dem etwa Nikolaus Habjan als Kunstpfeifer mit einem Orchester auftreten wird. Clara Frühstück und ihr Trio werden gemeinsam mit Philippe Riera´ von Superamas ein Konzert geben, es gibt Texte von Ferdinand Schmalz, der zurzeit ein sehr angesehener Dramatiker am Burgtheater ist. Diese Texte werden wiederum gelesen von Max Mayer, die beiden kennen sich bereits vom Schauspielhaus. Solche Verbindungen aus verschiedenen Sparten sind einfach interessant. Ein ganz großer Vorteil dabei ist, dass wir eine Bühne haben, auf der wir Dramatik und Konzert zusammenführen können, auch mit Licht und Ton. Wir werden im kommenden Jahr außerdem etwas ganz Besonderes haben: einen internationalen Kinderopernzyklus gemeinsam mit der Wiener Taschenoper, die gerade im Kinderopernbereich ganz hervorragende Arbeit leistet. Da wird es etwa die „Zauberflöte“in einer Bearbeitung von Wolfgang Mitterer geben, und eine Wiederaufnahme mit den Sängerknaben: „The Little Sweep“von Benjamin Britten in einer Regie von Philipp Krenn. Eine ganz tolle Produktion, bei der alle unsere Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Auch dass hier Kinder für Kinder spielen, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Es wird das Werk selbst präsentiert und gleichzeitig gezeigt, wie eine Oper entsteht – eine unglaublich faszinierende Kombination, und ich freue mich schon sehr darauf. Adele Neuhauser wird mit der Band ihres Sohnes auftreten, und das Projekt „Kost-Probe“ist etwas besonders Spannendes im Bereich Oper und Musical: Komponisten, Autoren und Librettisten schicken uns ihre noch nie aufgeführten Werke. Ein Ensemble aus Kabarettisten, Opernsängern, Musicaldarstellern und Schauspielern (Sigrid Hauser, Erich Schleyer, Herbert Lippert, Eva Billisich und viele andere) kommen an einem Sonntag, bekommen die Stücke präsentiert, und am Abend werden sie aufgeführt. Sie können nach Lust und Laune improvisieren und den ersten Impulsen folgen, die oft sowieso die richtigen sind. Das ist für alle Beteiligten eine Bereicherung, und die Autoren und Komponisten merken, wie ihre Stücke ankommen.
Welche Traditionen werden weitergeführt? Die klassische Kammermusik ist ein wichtiger Teil unseres Programms: Die Bartolomeys und das Steude Quartett waren von Anfang an dabei. Das Steude Quartett ist nun wieder vereint, nachdem die Mitglieder in der Zwischenzeit verschiedene Wege gegangen sind. Das freut uns alle sehr, weil es ein sehr spezielles Quartett ist. Neu hinzu kommt etwa das Minetti Quartett, auf das ich mich auch schon sehr freue. Was die Sängerknaben betrifft, zeigen sie in diesem Haus die ganze Palette ihres Könnens, wie etwa beim Zyklus „Innehalten“, der schon zum wiederholten Mal stattfindet und in dem neben klassischen katholischen Messen immer wieder musikalische Reisen in andere Kulturen gemacht werden, ergänzt durch Themen, die als Impulse von interessanten Persönlichkeiten gegeben werden. Vergangenes Jahr war etwa Heinrich Staudinger zum Thema Chaos zu Gast, kommendes Jahr werden die Themen Vision, Inklusion, Explosion/Implosion und Mission von Werner Schneyder, Maria Rauch Kallat und Werner Puntigam präsentiert. Die Schubertakademie begleitet diese Konzerte.
Gibt es besondere Programmpunkte für Kinder? Ja, anlässlich des hundertsten Geburtstags von Gottfried von Einem wird „Tulifant“als szenisches Projekt mit den Sängerknaben aufgeführt – Lotte Ingrisch hat dafür das Libretto geschrieben. Außerdem gibt es ein Porträt von Mozart mit dem Thema „Was ist ein Superstar?“In Japan kreischen die Mädchen vor und nach jedem Konzert der Wiener Sängerknaben, und zu Hause ist dann jeder Sängerknabe wieder ein „ganz normales Kind“. . . Bei Schulaufführungen haben wir einen besonderen Ansatz: Es wird für die Lehrer Material erarbeitet, wir machen Workshops, und es gibt ein Vermittlungsprogramm von Pädagogen, die auch in die Schulen gehen und Inhalte gemeinsam mit den Lehrern erarbeiten. Mit rund 400 Schülern bebt das Haus dann bei der Aufführung förmlich. Ein weiteres unserer Ziele ist natürlich auch, dass wir Kinder finden, die gern Wiener Sängerknaben werden wollen.