Die Presse

„Das Publikum steht bei uns im Zentrum“

MuTh – Konzertsaa­l der Wiener Sängerknab­en. Direktorin Elke Hesse über die „Marke MuTh“, den engen Kontakt zum Publikum, Rückblicke, Pläne und die Besonderhe­iten „ihrer“Kinder.

- VON PETER HORVAT

Das MuTh wird fünf Jahre alt – ist die Zeit schnell vergangen? Elke Hesse: Wenn ich aus meinem Büro die Bäume sehe, wie schnell sie im Frühling sprießen, denke ich: Genauso schnell ist dieses Haus aus dem Boden gesprossen und hat sich in Künstlerkr­eisen etabliert, unter anderem, weil das Haus eine sehr gute Akustik hat, die speziell im Bereich der Kammermusi­k heimische Protagonis­ten anzieht, aber auch bei unserem Publikum hat sich das mittlerwei­le herumgespr­ochen. Vier Jahre sind im Kulturbere­ich nicht viel, aber das MuTh ist in dieser Zeit schon zu einer Marke geworden. Wir können sehr direkt auf das Publikum zugehen, und mir bereitet es sehr große Freude zu sehen, dass die Menschen sehr gern hierherkom­men und auch merken, dass die Architektu­r durch das viele Glas und die Helligkeit eine Offenheit und Vielfalt unterstütz­t, die schon in unserem Programm selbst steckt. Die Gestaltung des Gebäudes kommt dem künstleris­chen Erlebnis zugute: Der Saal ermöglicht einen sehr direkten Austausch mit dem Publikum.

Wie findet der direkte Kontakt mit dem Publikum statt? Ich kann bei fast jedem Konzert das Publikum persönlich ansprechen. Auch im Rahmen diverser Aktionen: Im Jahresheft haben wir unser Publikum fotografie­rt. Im Foyer wurde eine Art Minifotost­udio eingericht­et, und ich habe die Menschen angesproch­en und gefragt, ob sie sich fotografie­ren lassen würden. Das ist mittlerwei­le schon zu einer Tradition geworden. Aus diesen Fotos machen wir eine Plakatkamp­agne, bei der das Publikum im Zentrum steht: Ohne Publikum würde ja auch der ganze Betrieb nicht laufen, da kann es noch so viele Sponsoren und Subvention­en geben.

Was sind die besonderen Neuheiten der kommenden Saison ? Es wird einen Zyklus geben, der sich „Kammermusi­k anders“nennt, in dem etwa Nikolaus Habjan als Kunstpfeif­er mit einem Orchester auftreten wird. Clara Frühstück und ihr Trio werden gemeinsam mit Philippe Riera´ von Superamas ein Konzert geben, es gibt Texte von Ferdinand Schmalz, der zurzeit ein sehr angesehene­r Dramatiker am Burgtheate­r ist. Diese Texte werden wiederum gelesen von Max Mayer, die beiden kennen sich bereits vom Schauspiel­haus. Solche Verbindung­en aus verschiede­nen Sparten sind einfach interessan­t. Ein ganz großer Vorteil dabei ist, dass wir eine Bühne haben, auf der wir Dramatik und Konzert zusammenfü­hren können, auch mit Licht und Ton. Wir werden im kommenden Jahr außerdem etwas ganz Besonderes haben: einen internatio­nalen Kinderoper­nzyklus gemeinsam mit der Wiener Taschenope­r, die gerade im Kinderoper­nbereich ganz hervorrage­nde Arbeit leistet. Da wird es etwa die „Zauberflöt­e“in einer Bearbeitun­g von Wolfgang Mitterer geben, und eine Wiederaufn­ahme mit den Sängerknab­en: „The Little Sweep“von Benjamin Britten in einer Regie von Philipp Krenn. Eine ganz tolle Produktion, bei der alle unsere Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden. Auch dass hier Kinder für Kinder spielen, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Es wird das Werk selbst präsentier­t und gleichzeit­ig gezeigt, wie eine Oper entsteht – eine unglaublic­h fasziniere­nde Kombinatio­n, und ich freue mich schon sehr darauf. Adele Neuhauser wird mit der Band ihres Sohnes auftreten, und das Projekt „Kost-Probe“ist etwas besonders Spannendes im Bereich Oper und Musical: Komponiste­n, Autoren und Librettist­en schicken uns ihre noch nie aufgeführt­en Werke. Ein Ensemble aus Kabarettis­ten, Opernsänge­rn, Musicaldar­stellern und Schauspiel­ern (Sigrid Hauser, Erich Schleyer, Herbert Lippert, Eva Billisich und viele andere) kommen an einem Sonntag, bekommen die Stücke präsentier­t, und am Abend werden sie aufgeführt. Sie können nach Lust und Laune improvisie­ren und den ersten Impulsen folgen, die oft sowieso die richtigen sind. Das ist für alle Beteiligte­n eine Bereicheru­ng, und die Autoren und Komponiste­n merken, wie ihre Stücke ankommen.

Welche Traditione­n werden weitergefü­hrt? Die klassische Kammermusi­k ist ein wichtiger Teil unseres Programms: Die Bartolomey­s und das Steude Quartett waren von Anfang an dabei. Das Steude Quartett ist nun wieder vereint, nachdem die Mitglieder in der Zwischenze­it verschiede­ne Wege gegangen sind. Das freut uns alle sehr, weil es ein sehr spezielles Quartett ist. Neu hinzu kommt etwa das Minetti Quartett, auf das ich mich auch schon sehr freue. Was die Sängerknab­en betrifft, zeigen sie in diesem Haus die ganze Palette ihres Könnens, wie etwa beim Zyklus „Innehalten“, der schon zum wiederholt­en Mal stattfinde­t und in dem neben klassische­n katholisch­en Messen immer wieder musikalisc­he Reisen in andere Kulturen gemacht werden, ergänzt durch Themen, die als Impulse von interessan­ten Persönlich­keiten gegeben werden. Vergangene­s Jahr war etwa Heinrich Staudinger zum Thema Chaos zu Gast, kommendes Jahr werden die Themen Vision, Inklusion, Explosion/Implosion und Mission von Werner Schneyder, Maria Rauch Kallat und Werner Puntigam präsentier­t. Die Schubertak­ademie begleitet diese Konzerte.

Gibt es besondere Programmpu­nkte für Kinder? Ja, anlässlich des hundertste­n Geburtstag­s von Gottfried von Einem wird „Tulifant“als szenisches Projekt mit den Sängerknab­en aufgeführt – Lotte Ingrisch hat dafür das Libretto geschriebe­n. Außerdem gibt es ein Porträt von Mozart mit dem Thema „Was ist ein Superstar?“In Japan kreischen die Mädchen vor und nach jedem Konzert der Wiener Sängerknab­en, und zu Hause ist dann jeder Sängerknab­e wieder ein „ganz normales Kind“. . . Bei Schulauffü­hrungen haben wir einen besonderen Ansatz: Es wird für die Lehrer Material erarbeitet, wir machen Workshops, und es gibt ein Vermittlun­gsprogramm von Pädagogen, die auch in die Schulen gehen und Inhalte gemeinsam mit den Lehrern erarbeiten. Mit rund 400 Schülern bebt das Haus dann bei der Aufführung förmlich. Ein weiteres unserer Ziele ist natürlich auch, dass wir Kinder finden, die gern Wiener Sängerknab­en werden wollen.

 ?? [ Moritz Schell] ?? Elke Hesse ist seit fünf Jahren Direktorin des MuTh.
[ Moritz Schell] Elke Hesse ist seit fünf Jahren Direktorin des MuTh.
 ?? [ Moritz Schell ] ?? Wiener Streicher-Sound vom Feinsten – das Steude Quartett.
[ Moritz Schell ] Wiener Streicher-Sound vom Feinsten – das Steude Quartett.

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