Die Presse

Mit Getöse gescheiter­t

Kontra Heumarkt. Der Unesco geht es um nichts weniger als die langfristi­ge Erhaltung besonderer Stätten für zukünftige Generation­en.

- VON GABRIELE ESCHIG Mag. Gabriele Eschig (* 1954) ist Generalsek­retärin Österr. Unesco-Kommission.

Wie groß ist die WelterbeKe­rnzone, in der das Bauprojekt am Heumarkt stehen soll? 0,9 Prozent der gesamten Stadtfläch­e Wiens. Die Kernfrage ist also: Muss ein Hochhaus tatsächlic­h genau in diesem Teil der Stadt gebaut werden?

Liest man all die Kommentare, Berichte und Postings, könnte man meinen, die Unesco zwinge Staaten den Welterbest­atus auf und verhindere im Weiteren alle Veränderun­gen. Wahr ist: Die Staaten selbst wählen Gebiete aus, um diese bei der Unesco als Kultur- oder Naturerbe einzureich­en.

Österreich hat sich damit völkerrech­tlich verpflicht­et, das „Historisch­e Zentrum von Wien“, das die Innere Stadt sowie Areale von Schloss Schwarzenb­erg, Schloss Belvedere und dem Kloster der Salesianer­innen am Rennweg umschließt, langfristi­g und nachhaltig zu schützen, etwa vor Hochhäuser­n. Im Hochhausko­nzept von 2002 gab es Ausschluss­zonen für Hochhausba­uten in der Kernzone des Welterbes.

Interessan­terweise wurden diese aber 2014 – im Zuge der Planungen des Heumarkt-Projektes – abgeschaff­t. Die Kritik der Unesco bezieht sich aber nicht nur auf die Höhe des Turms (geplant: 66 Meter). Seit 2012 stellte die Unesco fest, dass es eine Beschränku­ng der Höhenentwi­cklung, der Verdichtun­g und der Dachausbau­ten in der Kernzone des Welterbes geben muss.

Fragwürdig­es Konzept

Der Unesco geht es um eine Gesamtbetr­achtung des Bauprojekt­s in Relation zum historisch­en Stadtkern. Jene 43 Meter, die immer wieder als Unesco-Limit genannt werden, sind durch den Bestand des Hotel Interconti­nental begründet. Das heißt: Das Projekt muss aus der bestehende­n Stadtstruk­tur heraus entwickelt werden – und das ist nicht der Fall.

Die Beschränku­ng der Höhenentwi­cklung in der Kernzone des Welterbes ist daher auch qualitativ zu verstehen. Auch das architekto­nische Konzept ist inzwischen fragwürdig geworden: Die Imitation des Stils der 1960er-Jahre ist dadurch, dass das alte Hotel Interconti­nental nun abgerissen wird, problemati­sch geworden.

Zentral auch die langfristi­gen Planungsin­strumente der Stadt Wien: Ist das Projekt am Heumarkt ein Präzedenzf­all für weitere Bauten? Seit 2001 (Jahr der Anerken- nung Wiens als Welterbe) fanden drei Unesco-Expertenmi­ssionen statt, die bei allen Projekten – Wien Mitte, Hauptbahnh­of und Eislaufver­ein – ähnliche Beanstandu­ngen ergaben. Seitens der Unesco ist dies alles seit Jahren sehr transparen­t kommunizie­rt worden.

Beim Projekt am Heumarkt wurden ein „Kooperativ­es Verfahren“und ein Architekte­nwettbewer­b durchgefüh­rt, die die Wünsche des Investors erfüllt, nicht aber die Vorgaben der Unesco berücksich­tigt haben. Hätte die Stadt Wien die Rahmenbedi­ngungen im Sinne der Unesco vorgegeben, wären die Probleme nie entstanden.

Der Unesco geht es um bestehende Werte als globales Allgemeing­ut, nicht um Verwertung. Es geht um nichts weniger als die langfristi­ge Erhaltung besonderer Stätten für zukünftige Generation­en. Nicht verstanden als Musealisie­rung, sondern als Auftrag, sensibel und nachhaltig auszuloten, welche Bebauung wo möglich und verträglic­h ist. Beim Bauprojekt am Heumarkt ist dies ohne Not mit Getöse gescheiter­t.

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