So wird das nichts mit Widerstand gegen die Tyrannei in den USA
Warum die Opposition der Demokraten und die Medien der durchsichtigen Taktik Donald Trumps – Ablenkung um jeden Preis – noch immer auf den Leim gehen.
Der Tag heute, Samstag, ist gerammelt voll mit symbolträchtiger (Spreng-)Kraft. Nein, nicht vom Parteitag der Wiener SPÖ ist die Rede, sondern vom 100. Tag der Regierung Donald Trumps in den USA.
Ab 12.01 Uhr mittags (also 18.01 Uhr in Europa) droht – ohne Einigung im Kongress – die Zahlungsunfähigkeit der USA. Am Abend wird Donald Trump in Harrisburg, Pennsylvania, eine Großveranstaltung im Wahlkampfmodus im Farm Show Complex abhalten. Zur gleichen Zeit wird in Washington das traditionelle Dinner der im Weißen Haus akkreditieren Journalisten stattfinden. Normalerweise macht sich da der amtierende Präsident über sich selbst und alle anderen lustig. Trump kommt nicht – Starkomiker Hasan Minhay, ein Moslem, schon.
Wo da die Symbolik sein soll? Erstens sagt die drohende Stilllegung der Regierungsarbeit ab 12.01 Uhr mehr über diese aus als vieles andere. Zweitens wollte Trump lange Zeit die 100-Tage-Marke wegen seiner schlechten Bilanz herunterspielen, um sich dann doch bei einem Megaevent selbst mit den üblichen Superlativen zu preisen und sich von einem ausschließlich wohlgesinnten Publikum feiern zu lassen.
Drittens offenbart die Gleichzeitigkeit der Jubelveranstaltung mit dem Kritikevent der Journalisten jene Taktik, mit der offenbar weder die US-Medien noch die Demokraten zurechtkommen: Trump ist ein Meister darin, Aufmerksamkeit auf sein Ego zu lenken und von den für ihn unangenehmen Themen abzulenken.
Zur besten Fernsehzeit am Abend werden die TV-Stationen seine Tiraden gegen die unehrlichen Medien übertragen und nicht deren beißende Kritik an ihm. Sie werden die Wiederholungen seiner unhaltbaren Versprechungen bringen. Und sie werden beobachten, wie er seine Anhänger zu Wut und Hass auf „die anderen“aufstacheln kann. Das sind alles Elemente, die Robert Reich, Politikprofessor und Ex-Arbeitsminister, so sieht: „So beginnt die Tyrannei.“
Die entscheidende Frage nach diesen 100 Tagen ist: Warum fallen Opposition und Medien in die immer gleiche Falle; gehen Trump nach wie vor bereitwillig auf den Leim.
Der Raketenbeschuss auf einen Fliegerhorst in Syrien Anfang April ist ein Lehrbeispiel ohne Lehre: Trump war zu dieser Zeit durch zwei Untersuchungen im Kongress zum Einfluss Russlands auf ihn, seine Mitarbeiter und seinen Wahlkampf schwer in Bedrängnis geraten. Medien und Demokraten kannten kein anderes Thema. Seit er die Raketen auf Syrien abfeuern und dann die Megabombe auf Afghanistan abwerfen ließ, sind seine Verbindungen zu Russland aus der öffentlichen Aufmerksamkeit praktisch verschwunden.
Mehr noch: Für den Befehl zum Raketenbeschuss zwischen Hauptspeise und einem „grandiosen Schokoladekuchen“erntete Trump allgemein Lob: Endlich sei er ein Präsident! So schnell wird man in den USA vom Clown zum Präsidenten? Raketen und Tote – das erst bringt Statur? Die Medien wie auch die Demokraten scharten sich um „ihren“Präsidenten.
Warum wurde nicht thematisiert, dass es sich vielleicht um ein abgekartetes Spiel mit dem Kreml handeln könnte. Von den angeblich plötzlich so schlechten Beziehungen profitieren beide. Trump ist sein Image als Wladimir Putins „bester Freund“los, dieser wiederum die Vorwürfe der Einmischung. Sträflich leichtfertig!
Die Demokraten müssten bald aus ihrer Schockstarre aufschrecken, Medien der Quotengeilheit abschwören. Sonst wird das nichts mit dem Widerstand. Es gab seit Jänner vielversprechende Anzeichen. Sie sind jedoch bereits schwächer geworden. Nur Gruppen in der Zivilbevölkerung sind unvermindert wachsam.
Es ist zu hoffen, dass sich möglichst viele Politiker, Bürger und Medien an die Prognose von John Adams, einer der Gründerväter der USA, erinnern: „Es gab noch nie eine Demokratie, die nicht Selbstmord begangen hätte.“Nach diesen 100 Tage drängt die Zeit.