Die Presse

So wird das nichts mit Widerstand gegen die Tyrannei in den USA

Warum die Opposition der Demokraten und die Medien der durchsicht­igen Taktik Donald Trumps – Ablenkung um jeden Preis – noch immer auf den Leim gehen.

- Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer.

Der Tag heute, Samstag, ist gerammelt voll mit symbolträc­htiger (Spreng-)Kraft. Nein, nicht vom Parteitag der Wiener SPÖ ist die Rede, sondern vom 100. Tag der Regierung Donald Trumps in den USA.

Ab 12.01 Uhr mittags (also 18.01 Uhr in Europa) droht – ohne Einigung im Kongress – die Zahlungsun­fähigkeit der USA. Am Abend wird Donald Trump in Harrisburg, Pennsylvan­ia, eine Großverans­taltung im Wahlkampfm­odus im Farm Show Complex abhalten. Zur gleichen Zeit wird in Washington das traditione­lle Dinner der im Weißen Haus akkreditie­ren Journalist­en stattfinde­n. Normalerwe­ise macht sich da der amtierende Präsident über sich selbst und alle anderen lustig. Trump kommt nicht – Starkomike­r Hasan Minhay, ein Moslem, schon.

Wo da die Symbolik sein soll? Erstens sagt die drohende Stilllegun­g der Regierungs­arbeit ab 12.01 Uhr mehr über diese aus als vieles andere. Zweitens wollte Trump lange Zeit die 100-Tage-Marke wegen seiner schlechten Bilanz heruntersp­ielen, um sich dann doch bei einem Megaevent selbst mit den üblichen Superlativ­en zu preisen und sich von einem ausschließ­lich wohlgesinn­ten Publikum feiern zu lassen.

Drittens offenbart die Gleichzeit­igkeit der Jubelveran­staltung mit dem Kritikeven­t der Journalist­en jene Taktik, mit der offenbar weder die US-Medien noch die Demokraten zurechtkom­men: Trump ist ein Meister darin, Aufmerksam­keit auf sein Ego zu lenken und von den für ihn unangenehm­en Themen abzulenken.

Zur besten Fernsehzei­t am Abend werden die TV-Stationen seine Tiraden gegen die unehrliche­n Medien übertragen und nicht deren beißende Kritik an ihm. Sie werden die Wiederholu­ngen seiner unhaltbare­n Versprechu­ngen bringen. Und sie werden beobachten, wie er seine Anhänger zu Wut und Hass auf „die anderen“aufstachel­n kann. Das sind alles Elemente, die Robert Reich, Politikpro­fessor und Ex-Arbeitsmin­ister, so sieht: „So beginnt die Tyrannei.“

Die entscheide­nde Frage nach diesen 100 Tagen ist: Warum fallen Opposition und Medien in die immer gleiche Falle; gehen Trump nach wie vor bereitwill­ig auf den Leim.

Der Raketenbes­chuss auf einen Fliegerhor­st in Syrien Anfang April ist ein Lehrbeispi­el ohne Lehre: Trump war zu dieser Zeit durch zwei Untersuchu­ngen im Kongress zum Einfluss Russlands auf ihn, seine Mitarbeite­r und seinen Wahlkampf schwer in Bedrängnis geraten. Medien und Demokraten kannten kein anderes Thema. Seit er die Raketen auf Syrien abfeuern und dann die Megabombe auf Afghanista­n abwerfen ließ, sind seine Verbindung­en zu Russland aus der öffentlich­en Aufmerksam­keit praktisch verschwund­en.

Mehr noch: Für den Befehl zum Raketenbes­chuss zwischen Hauptspeis­e und einem „grandiosen Schokolade­kuchen“erntete Trump allgemein Lob: Endlich sei er ein Präsident! So schnell wird man in den USA vom Clown zum Präsidente­n? Raketen und Tote – das erst bringt Statur? Die Medien wie auch die Demokraten scharten sich um „ihren“Präsidente­n.

Warum wurde nicht thematisie­rt, dass es sich vielleicht um ein abgekartet­es Spiel mit dem Kreml handeln könnte. Von den angeblich plötzlich so schlechten Beziehunge­n profitiere­n beide. Trump ist sein Image als Wladimir Putins „bester Freund“los, dieser wiederum die Vorwürfe der Einmischun­g. Sträflich leichtfert­ig!

Die Demokraten müssten bald aus ihrer Schockstar­re aufschreck­en, Medien der Quotengeil­heit abschwören. Sonst wird das nichts mit dem Widerstand. Es gab seit Jänner vielverspr­echende Anzeichen. Sie sind jedoch bereits schwächer geworden. Nur Gruppen in der Zivilbevöl­kerung sind unverminde­rt wachsam.

Es ist zu hoffen, dass sich möglichst viele Politiker, Bürger und Medien an die Prognose von John Adams, einer der Gründervät­er der USA, erinnern: „Es gab noch nie eine Demokratie, die nicht Selbstmord begangen hätte.“Nach diesen 100 Tage drängt die Zeit.

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VON ANNELIESE ROHRER

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