Bitte mit diesem Thema achtsamer umzugehen
sucht und Entscheidungen auch gegen den Willen vieler durchsetzt? Das wollen wir nach den Erfahrungen mit der Nazi-Zeit wohl nicht. Es stellt sich die Frage, wann ist ein Mann in der Politik stark?
Als stark wird im Allgemeinen jemand bezeichnet, der oder die vieles bewegen kann oder Schwerwiegendes und Wichtiges. Also wann sollten wir heute jemanden als stark bezeichnen? Wir kennen über 80 verschiedene menschliche Kräfte – von der Verstandeskraft über die Willenskraft, Vorstellungskraft, Tatkraft, Überzeugungskraft usw., auch die Widerstandskraft gegen Vernunftlosigkeit. Sollten wir nicht heute jemanden als stark bezeichnen, der gute Vorstellungen für das Zusammenleben aller Menschen eines Staates entwickelt und dann die Kraft hat, die anderen Menschen davon mit guten Argumenten zu überzeugen – und dann die Tatkraft, diese Vorstellungen auch durchzuführen.
Das wäre für mich ein starker Mann oder eine starke Frau. „Aufregung um Kopftuch-Sager“, 27. 4. Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich habe Sie gewählt. Ich schätze Sie. Sie haben im Gespräch mit Jugendlichen halb im Scherz gemeint, Frauen könnten ja aus Solidarität mit gemobbten Kopftuchträgerinnen auch Kopftuch tragen. Sie haben damit natürlich verschiedene Reaktionen provoziert – schenkelklopfendes Lachen einerseits und Verärgerung und Aggression andererseits.
Ich bin Direktorin an einer NMS in Linz. Ich habe in der Öffentlichkeit immer klare Worte zu diesem Thema gefunden. Aus Erfahrung schlage ich ein partielles Kopftuchverbot für Kinder (bis 14 Jahren) vor, weil ich sehe, wie Mädchen unter Druck gesetzt werden, die kein Kopftuch tragen möchten. Mit dem Kopftuch werden leider noch immer auch Rollenbilder vermittelt, die unsere Integrationsarbeit erschweren. Erwachsene müssen sich natürlich frei entscheiden dürfen!
Es ist klar, dass Sie nicht das Problem der kopftuchtragenden Kinder angesprochen haben. Ich bitte Sie aber dringend, mit diesem Thema achtsamer und differenzierter umzugehen. Mit Bonmots dieser Art wird nämlich ein ehrlicher, ideologiefreier und zukunftsfähiger Diskurs unterminiert. Ein solcher Diskurs ist aber zurzeit notwendiger denn je!