Was passiert beim Brotbacken chemisch?
Bäcker müssen nicht Naturwissenschaften studieren. Mehr Wissen hilft aber, damit es besser schmeckt und das Gebäck länger frisch bleibt.
Haben Sie morgens schon einmal überlegt, warum der Kornspitz außen knusprig und innen locker ist? Oder warum die Krume, also das Innere eines Brots oder Gebäcks, schmeckt, wie es schmeckt und riecht, wie es riecht? Das hängt nicht allein von den Zutaten ab. „Basis gelungenen Brotbackens ist umfassendes naturwissenschaftliches Wissen“, erklärt Christian Kummer, Leiter der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung (vg) in Wien. Für die Forschung mahlen die Wissenschaftler Getreide, bereiten verschiedene Teige zu und backen auch. Ihr Wissen geben sie an Mühlen und Bäcker weiter.
Beim Brotbacken mischt der Bäcker zunächst Mehl, Wasser, Salz und ein Backtriebmittel: etwa Hefe, also Germ, oder Sauerteig. „Das verhin- dert, dass das Brot hart wie Stein wird“, erklärt Kummer. Mitunter wird ein sogenannter Vorteig hineingeknetet, der den Geschmack des Brotes weiter verfeinern soll. Baguetteteig mengt man etwa sogenannten Pouliche, eine Mischung aus Mehl, Wasser und einen Tag gereifter Backhefe, bei.
Schweine lagen betrunken im Eck
Bei der anschließenden Fermentation oder Gärung ruht der Teig – je nach Verfahrenstechnik – meist bei 26 bis 35 Grad Celsius. Ein Umfeld, in dem die Mikroorganismen gerne aktiv werden. Durch die bei Semmel- und Weißbrotteigen verwendete Backhefe wird Zucker zu Kohlendioxid umgesetzt. Das Gas dehnt sich aus, der Teig geht auf. Der Alkohol verdampft später beim Backen. „Wenn man also einst Teigreste an Schweine verfütterte, konnte es schon vorkommen, dass diese dann betrunken in einer Ecke lagen“, schmunzelt Kummer.
Beim zum Beispiel für Roggenbrote verwendeten Sauerteig sind es wiederum Hefe und Milchsäurebakterien, die den Teig auflockern. Sie lenken das Gareverhalten, lassen das Teignetzwerk in der Krume entstehen und beeinflussen Haltbarkeit und Geschmack. Kummer ortet hier großen Forschungsbedarf. Lange sei vernachlässigt worden, welch starke persönliche Note der Bäcker seinem Brot gibt, wenn er auf Fertigsauer verzichtet. Wissenschaftliche Belege fehlen meist; daher untersuchen die Forscher der vg gemeinsam mit Kollegen der Boku Wien verschiedene Sauerteigmischungen und ihre Wirkung auf Brot und Gebäck.
Lagert man den Teig kühl, verzögert das den Gärprozess. Das ist nützlich, wenn man ihn erst später verarbeiten will. So können sich aber auch mehr Aromastoffe entwickeln. Der Fachmann weiß: „Ob man eine kurze oder lange Teigführung wählt, beein- flusst die Produkteigenschaften ganz entscheidend.“Die Teigführung umfasst alle Schritte, die bis zum Backen nötig sind: nicht nur, welche Zutaten verwendet werden, auch die gewählte Gärzeit, die Temperatur im Gärschrank oder wie und wie lange der Teig gemischt und geknetet wird.
Eine Wissenschaft für sich sozusagen, die sich nicht nur aus Erkenntnissen der Chemie, sondern auch der Physik speist: etwa beim Blätterteig, bei dem der durch die Hitze im Ofen entstehende Wasserdampf die voneinander durch Fett isolierten Teigschichten hebt.
Beim Backen schließlich bestimmt die Temperatur, wann sich die Kruste stabilisiert (ab 100 Grad), sich Bitterstoffe bilden (ab 150 Grad) und das Brot in weiterer Folge verbrennt. Auch das testen Kummer und sein Team: in einem eigenen Backlabor.
„Basis für gelungenes Brotbacken ist naturwissenschaftliches Wissen.“ Christian Kummer, Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung