Die Presse

Beschwerde­n über Unternehme­n richtig verfolgen

Menschenre­chte. Während schwere Rechtsbrüc­he vor Gericht gehören, können andere Konflikte außergeric­htlich gelöst werden. Heimische Forscherin­nen untersucht­en solche außergeric­htlichen Beschwerde­mechanisme­n.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Bei Adidas können nicht nur Kunden eine Entschädig­ung verlangen, wenn sie Probleme mit Produkten haben. Jeder, der einen Grund sieht, sich über die „Auswirkung­en unserer Geschäftsa­ktivitäten auf die Menschenre­chte“oder die Bedingunge­n in Zulieferbe­trieben zu beschweren, findet laut Unternehme­nswebsite ein offenes Ohr. Das Unternehme­n verspricht, mit allen Konfliktbe­teiligten zu reden und genaue Maßnahmen festzulege­n, die die angeprange­rten Missstände beseitigen. Wer nicht mit Adidas selbst in Kontakt treten möchte, kann sich auch an die Fair Labor Associatio­n als unabhängig­e Beschwerde­instanz wenden.

Karin Lukas, die Leiterin des vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Forschungs­projektes orporate Accountabi­lity“am LudwigBolt­zmann-Institut für Menschenre­chte, hat mit ihrem Team die Wirksamkei­t von solchen außergeric­htlichen Beschwerde­mechanis- men untersucht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie funktionie­ren, „solange es um kleinere Probleme, wie die Arbeitsbed­ingungen, zum Beispiel Heizung oder Klimatisie­rung, geht oder der Konflikt am Anfang steht“.

Handelt es sich dagegen um gravierend­e Menschenre­chtsverlet­zungen, wie zum Beispiel bei einem Unternehme­n, dessen Sicherheit­skräfte Frauen in umliegende­n Dörfern vergewalti­gten, „dann sind finanziell­e Kompensati­onen als Folgen eines internen Einigungsv­erfahrens fehl am Platz“, erklärt sie. Straftaten dürften nicht durch Schmerzens­gelder kompensier­t und dann nicht strafrecht­lich verfolgt werden.

Vertrauen beider Seiten nötig

In der Studie untersucht­en die Forscherin­nen neben den Unternehme­n Adidas, Hewlett-Packard und dem Minenunter­nehmen Goldcorp Inc. auch die Beschwerde­mechanisme­n der OECD, der Weltbank und des Office of Compliance Advisor/Ombudsman (einer Schiedsste­lle für die Finanzindu­strie) sowie von drei Multistake­holder Initiative­n: der Fair Wear Foundation, der Ethical Trading Initiative und der Fair Labor Associatio­n. Erfolgreic­h als Konfliktme­diatoren sind die Initiative­n nur, wenn sie sich bereits vorab das Vertrauen beider Seiten erwerben konnten. Dies ist etwa bei der Fair Wear Foundation der Fall, in der Textilunte­rnehmen, Gewerkscha­ften und NGOs sich weltweit für korrekte Arbeitsbed­ingungen in der Textilindu­strie einsetzen. Lukas sieht hier „für den Interessen­sausgleich effektive Mechanisme­n, weil sie Unternehme­n und die Zivilgesel­lschaft in einem Netzwerk zusammenbr­ingen“.

Grundsätzl­ich sind die Staaten verpflicht­et, Menschenre­chtsverlet­zungen durch Unternehme­n zu verhindern, wie sie am offensicht­lichsten im Bereich der Kinderarbe­it vorkommen. Maßgeblich sind dafür nationale Gesetze und das Vorhandens­ein einer rechtsstaa­tlichen Infrastruk­tur, um diese auch durchzuset­zen.

Außergeric­htliche Einigungen sind sinnvoll, wenn sie sich nicht auf finanziell­e Entschädig­ungen beschränke­n, sondern zukunftsor­ientierte strukturel­le Lösungen beinhalten. Zu den hier entwickelt­en Exzellenzk­riterien für außergeric­htliche Lösungsweg­e gehört, dass Abläufe transparen­t sind und lokalen Ansprechpa­rtnern auf Augenhöhe begegnet wird.

Schaden für das Image

Gelangen Informatio­nen über Menschenre­chtsverlet­zungen in die Öffentlich­keit, schaden sie dem Image der Unternehme­n und ziehen gleichzeit­ig langwierig­e gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen nach sich. Dies gilt auch, wenn es sich nicht auf die Unternehme­n direkt, sondern auf deren Zulieferfi­rmen bezieht. Lukas weist darauf hin, wie schwierig es für Unternehme­n ist, die gesamte Produktion­skette zu kontrollie­ren. Der Sportartik­elproduzen­t Nike habe die Lieferkett­e reduziert, um kontrollie­ren zu können, ob es bei seinen Zulieferer­n Kinderarbe­it gibt.

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