Beschwerden über Unternehmen richtig verfolgen
Menschenrechte. Während schwere Rechtsbrüche vor Gericht gehören, können andere Konflikte außergerichtlich gelöst werden. Heimische Forscherinnen untersuchten solche außergerichtlichen Beschwerdemechanismen.
Bei Adidas können nicht nur Kunden eine Entschädigung verlangen, wenn sie Probleme mit Produkten haben. Jeder, der einen Grund sieht, sich über die „Auswirkungen unserer Geschäftsaktivitäten auf die Menschenrechte“oder die Bedingungen in Zulieferbetrieben zu beschweren, findet laut Unternehmenswebsite ein offenes Ohr. Das Unternehmen verspricht, mit allen Konfliktbeteiligten zu reden und genaue Maßnahmen festzulegen, die die angeprangerten Missstände beseitigen. Wer nicht mit Adidas selbst in Kontakt treten möchte, kann sich auch an die Fair Labor Association als unabhängige Beschwerdeinstanz wenden.
Karin Lukas, die Leiterin des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojektes orporate Accountability“am LudwigBoltzmann-Institut für Menschenrechte, hat mit ihrem Team die Wirksamkeit von solchen außergerichtlichen Beschwerdemechanis- men untersucht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie funktionieren, „solange es um kleinere Probleme, wie die Arbeitsbedingungen, zum Beispiel Heizung oder Klimatisierung, geht oder der Konflikt am Anfang steht“.
Handelt es sich dagegen um gravierende Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel bei einem Unternehmen, dessen Sicherheitskräfte Frauen in umliegenden Dörfern vergewaltigten, „dann sind finanzielle Kompensationen als Folgen eines internen Einigungsverfahrens fehl am Platz“, erklärt sie. Straftaten dürften nicht durch Schmerzensgelder kompensiert und dann nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Vertrauen beider Seiten nötig
In der Studie untersuchten die Forscherinnen neben den Unternehmen Adidas, Hewlett-Packard und dem Minenunternehmen Goldcorp Inc. auch die Beschwerdemechanismen der OECD, der Weltbank und des Office of Compliance Advisor/Ombudsman (einer Schiedsstelle für die Finanzindustrie) sowie von drei Multistakeholder Initiativen: der Fair Wear Foundation, der Ethical Trading Initiative und der Fair Labor Association. Erfolgreich als Konfliktmediatoren sind die Initiativen nur, wenn sie sich bereits vorab das Vertrauen beider Seiten erwerben konnten. Dies ist etwa bei der Fair Wear Foundation der Fall, in der Textilunternehmen, Gewerkschaften und NGOs sich weltweit für korrekte Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie einsetzen. Lukas sieht hier „für den Interessensausgleich effektive Mechanismen, weil sie Unternehmen und die Zivilgesellschaft in einem Netzwerk zusammenbringen“.
Grundsätzlich sind die Staaten verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu verhindern, wie sie am offensichtlichsten im Bereich der Kinderarbeit vorkommen. Maßgeblich sind dafür nationale Gesetze und das Vorhandensein einer rechtsstaatlichen Infrastruktur, um diese auch durchzusetzen.
Außergerichtliche Einigungen sind sinnvoll, wenn sie sich nicht auf finanzielle Entschädigungen beschränken, sondern zukunftsorientierte strukturelle Lösungen beinhalten. Zu den hier entwickelten Exzellenzkriterien für außergerichtliche Lösungswege gehört, dass Abläufe transparent sind und lokalen Ansprechpartnern auf Augenhöhe begegnet wird.
Schaden für das Image
Gelangen Informationen über Menschenrechtsverletzungen in die Öffentlichkeit, schaden sie dem Image der Unternehmen und ziehen gleichzeitig langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen nach sich. Dies gilt auch, wenn es sich nicht auf die Unternehmen direkt, sondern auf deren Zulieferfirmen bezieht. Lukas weist darauf hin, wie schwierig es für Unternehmen ist, die gesamte Produktionskette zu kontrollieren. Der Sportartikelproduzent Nike habe die Lieferkette reduziert, um kontrollieren zu können, ob es bei seinen Zulieferern Kinderarbeit gibt.