Die Presse

Wie die Donau wieder wilder wird

Sind ökonomisch­e und ökologisch­e Ziele vereinbar? Wiener Forscher haben sieben Jahre lang untersucht, wie sich Flüsse besser gestalten lassen.

- VON TIMO KÜNTZLE

Während der Arbeit stießen die Wissenscha­ftler auf Verblüffen­des. Erstmals wiesen sie im Donauabsch­nitt bei Bad Deutsch-Altenburg eine Art Wanderdüne­n aus Kies nach. Sie sind bis zu 20 Meter lang, 40 Zentimeter hoch und bewegen sich mit sechs Metern pro Stunde über den Grund der Donau. Fast wie Sanddünen in der Sahara. „Das hat uns wirklich überrascht“, sagt Helmut Habersack. Er leitet ein rund 20-köpfiges Forschungs­team im Rahmen des im Juli 2010 an der BOKU Wien eröffneten Christian-Doppler-Labors (CDLabor) „Innovative Methoden in Fließgewäs­sermonitor­ing, Modellieru­ng und Flussbau“. Nach siebenjähr­iger Forschungs­arbeit läuft das Projekt nun Ende April aus. Ziel war unter anderem, die Donau punktuell in ihre wilde Vergangenh­eit zurückzufü­hren.

Chaos als Lebensprin­zip

Früher trat sie mit ihren ständig den Verlauf ändernden Armen über die Ufer, wann und wo es ihr beliebte. Sie riss oft alles nieder, was im Weg lag. Kies- und Schotterbä­nke, Wiesen, Sträucher, Bäume. Chaos war ihr Lebensprin­zip. Genau darauf hatte sich die Natur in Jahrmillio­nen eingestell­t. Viele Pflanzen und Tiere brauchen eben jene durch Erosion oder Ablagerung­en geschaffen­en offenen Flächen. Für den Menschen war das auf Dauer zu unkalkulie­rbar. Er machte den Strom hochwasser­sicher und schifffahr­tstauglich. Wasserkraf­twerke ent- standen; die Natur wurde in Nationalpa­rks und Auenlandsc­haften zurückgedr­ängt.

Aber ließen sich ökonomisch­e und ökologisch­e Ziele nicht gemeinsam erreichen? Um es herauszufi­nden, sahen sich die Forscher unter anderem die Buhnen an, also jene Steindämme, die vom Ufer aus in den Fluss ragen. „Buhnen wurden gebaut, damit der Fluss nicht seitlich ausbricht und die Schifffahr­tsrinne ausreichen­d tief bleibt“, erklärt Wasserbau-Ingenieur Habersack. Die Einschnüru­ng der Flussrinne und die dadurch erhöhte Fließgesch­windigkeit tragen aber auch dazu bei, dass sich die Donau immer tiefer eingräbt.

Auf Teilabschn­itten einer drei Kilometer langen Versuchsst­recke bei Bad Deutsch-Altenburg wurde nun anderes probiert: Statt im 90-Grad-Winkel neigen sich die Buhnen leicht flussabwär­ts. Der Abstand zwischen den einzelnen Buhnen ist größer. Zudem haben Bagger dort, wo die Buhnen üblicherwe­ise mit dem Ufer verbunden sind, Steine entnommen. „Das ist eine kleine Öffnung, wo das Wasser durchström­en kann“, beschreibt Habersack. „So entsteht ein Fluss entlang des Ufers, der strömungsa­bhängigen Fischen Lebensraum bietet.“Gleichzeit­ig initiiert der „Fluss im Fluss“die Erosion des Ufers. Die Donau darf wieder ein bisschen wild sein. „Das schafft Brutmöglic­hkeiten für Eisvogel und Uferschwal­be. Hier und da bilden sich kleine Schotterbä­nke, wo etwa der Flussregen­pfeiffer seine Eier ablegt“, so Habersack. Die Forscher haben festgestel­lt, dass sich der Strom bei bestimmten Buhnen-Varianten nicht weiter eingräbt. Stellenwei­se kam es gar zu einer Erhöhung der Flusssohle.

Die Forscher beschäftig­ten sich auch mit dem Geschiebe, also mit Schotter und Kies, die der Fluss auf dem Grund vor sich herschiebt. Früher kam das Material durch natürliche Erosion aus den Alpen. Heute wird es von Kraftwerke­n und anderen Verbauunge­n aufgehalte­n, weshalb etwa der Betreiber des Kraftwerks Freudenau jährlich rund 200.000 Kubikmeter Schotter in den Fluss schüttet. „Dadurch reduziert sich die Erosionsra­te der Donau von 3,5 auf zwei Zentimeter pro Jahr“, so Projektlei­ter Habersack.

Versuchsfe­lder am Donaugrund

Die Forscher wollten wissen, wie das Material beschaffen sein muss, damit es seinen Zweck optimal erfüllt. Vom Schiff aus wurden am Donaugrund unterschie­dliche Versuchsfe­lder angelegt. Kern war eine 25 Zentimeter starke Schicht aus vier bis sieben Zen- timeter großen Steinen. Auf einigen Feldern war das Material gröber oder feiner, mal wurde es per Baggerscha­ufel angedrückt, mal nicht. In definierte­n Zeitabstän­den schlugen die Forscher Lanzen ins Flussbett und füllten sie mit flüssigem Stickstoff, der das umliegende Material anfrieren ließ. „Wir haben Scheiben abgeschnit­ten und konnten genau sehen, wo das gröbere Material noch vorhanden ist oder ob es bereits wegerodier­t wurde.“Wichtige Erkenntnis­se lieferten mit einem Sender versehene, verfolgbar­e Kunststein­e. „So wie andere Forscher Bären verfolgen, schauen wir ob die Steine länger liegen bleiben oder nicht“, erzählt Habersack. „Wir haben festgestel­lt, dass manche Steingröße­n bewegliche­r sind, als sie es theoretisc­h sein sollten.“Ein Durchschni­ttsstein bringt es auf rund drei Kilometer im Jahr.

Die Erkenntnis­se aus dem Projekt wird die Viadonau, also die Österreich­ische Wasserstra­ßen-Gesellscha­ft, in künftige Maßnahmen einfließen lassen. Sie trug auch 50 Prozent der Kosten.

Resultate der Forschungs­arbeit sind auch neue Messgeräte oder Formeln zur Beschreibu­ng von Strömungsv­erhältniss­en. Lässt etwa ein Kraftwerk aufgestaut­es Wasser ab, um eine Turbine anzutreibe­n, kann sich der Wasserdurc­hfluss schlagarti­g von einem auf 70 Kubikmeter pro Sekunde erhöhen. Der folgende Wasserschw­all kann Fischlarve­n auf Schotterbä­nke spülen und verenden lassen. Hier nutzt das erweiterte Wissen ebenso wie beim Betrieb von StromBojen, also schwimmend­en Unterwasse­r„Windrädern“, die ohne große Eingriffe in die Donau Energie liefern.

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[ IWHW-Boku; Philipp Gmeiner/IWHW – Boku] Blick von der Straßenbrü­cke stromab in Richtung Hainburg vor (oben) und nach (unten) dem von den Wissenscha­ftlern begleitete­n Umbau.

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