Roboterpatrouille auf der Bohrinsel
Künftig sollen Roboter gefährliche Wartungsaufgaben an Industrieanlagen übernehmen. Sie können selbst dort zum Einsatz kommen, wo Explosionsgefahr besteht.
Meter für Meter arbeitet sich der Roboter zum nächsten Checkpoint vor. Hindernissen weicht er mit spielerischer Leichtigkeit aus. Selbst die Kunst des Treppensteigens hat er sich zu eigen gemacht: Bis zu 45 Grad steile Abschnitte erklimmt er dank Raupenantrieb ohne Mühe oder fremde Hilfe, selbst bei Nässe. Dann ist er am Ziel: bei den Bohrwerken, Kompressoren oder genauer: ihren Füllstands-, Manometer- und Ventilstandsanzeigen. Oder auch: „Inmitten der Gefahrenzone“, sagt Lukas Silberbauer.
Auf die Entwicklung mobiler Robotik spezialisiert erkundet das 2010 von Silberbauer und Matthias Biegl gegründete Wiener Unternehmen Taurob neue Einsatzfelder für autonome Roboter. Bei Feuerwehreinsätzen sind die Maschinen schon länger gesetzt. Schon bald, so die Hoffnung der Wiener, könnten sie auch für die Wartung von Anlagen mit explosiver Atmosphäre herangezogen werden.
Erste Praxistests laufen bereits
Vier Tote, mehrere Verletzte – das war etwa die Schreckensbilanz einer Explosion im Werk eines deutschen Chemiekonzerns im Vorjahr. Unfälle gibt es immer wieder zu beklagen. Ein Wartungsroboter im Chemie- oder Stahlwerk also? Auf einer Bohrinsel? Szenarien wie diese sind nicht weit hergeholt. Mit dem französischen Mineralölunternehmen Total laufen erste Praxistests.
Ein EU-Zertifikat (ATEX, abgeleitet von „Atmosph`eres Explosibles“, zu deutsch „explosive Atmosphären“) für die Eignung des Roboters in rauer Umgebung hat Taurob für sein jüngstes Modell schon in der Tasche. Bis Jahresende optimieren Forschergruppen der TU Wien und TU Darmstadt nun im EU-Projekt Eurostars die Navigation des Roboters per Laserscanner – das ist die Domäne des deutschen Projektpartners – und sein wiederholgenaues Auslesen der Messinstrumente mittels Kamera. „Liegt ein Wert außerhalb des zulässigen Bereichs, setzt der Roboter eine Alarmmeldung an den Operator ab“, sagt Silberbauer. Der verfolgt die Fahrt des Roboters aus sicherer Entfernung über die grafische Benutzeroberfläche. Dieser liegt ein dreidimensionales Modell des Standorts und allen Wartungspunkten zugrunde. Gänzlich neue Routen oder Standorte bringt man dem Roboter durch Lernfahrten per Fernsteuerung bei.
Roboter müssen Objekte eindeutig erkennen, um mit ihnen arbeiten zu können. Rein bildbasierte Ansätze, die Wissen aus Datenbanken generieren, haben keinen Zugriff auf Kontextwissen, etwa die Navigation im Raum. Forscher der TU Wien reichern die Objekterkennung deshalb mit kontextuellem Wissen, dem situierten Sehen, an. Eine Schlüsselfunktion fällt dabei der Definition des freien Bodens vor dem Roboter zu, die der sicheren Navigation dient.
Als relativ simples Unterfangen habe sich laut TU-Forscher Markus Vincze – er ist spezialisiert auf situiertes Sehen von Robotern (siehe Lexikon) – das Auslesen von Manometern erwiesen. Das sind typischerweise kreisrunde, mechanische Druckmessgeräte. „Der Kreis ist eine starke Geometrie, entsprechend einfach fällt es Kamera und Bildverarbeitungssoftware des Roboters, sich zurechtzufinden und Ziffern und Zeigerstand richtig zu deuten“, so der Forscher vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der TU Wien.
Das Licht ändert sich ständig
Dabei machte sich Vinczes Team unter anderem die Vorzüge der sogenannten Hough-Transformation zu eigen: Das in den Sechzigern vom US-Physiker Paul V. C. Hough entwickelte Verfahren dient der effizienten Detektion geometrischer Merkmale in Bildern.
Kniffliger: das Erfassen der Werte bei wechselnden Lichtver- hältnissen durch die am Roboterarm angebrachte Zoom-Kamera. „Die größte Herausforderung sind Füllstandsanzeigen in Zylinderform“, sagt Vincze. Eingefasst in Glas ist hier mit allen möglichen Reflexionen zu rechnen. Versucht der Mensch durch intuitives Aufund Abbewegen des Kopfes gleichbleibende Muster auszumachen, folgt der Roboter hier seinem Vorbild: „Durch Vergleich von mehreren aus unterschiedlichem Winkel aufgenommenen Bildern leitet er Schlüsse ab“, sagt Vincze.
Der nächste logische Schritt ist nun, den Roboter nicht nur bei allen Wetterlagen Maschinenzustände im Feld ablesen, sondern ihn an Ort und Stelle auch gleich elaboriert Gegenmaßnahmen einleiten zu lassen, etwa durch selbstständiges Öffnen oder Schließen eines Ventils. „Eine reizvolle Aufgabe“, sagt Taurob-Gründer Lukas Silberbauer. Mit Thermalkameras könnten zudem außerdem verdächtige Hitzequellen ausfindig gemacht werden.