Die Presse

Roboterpat­rouille auf der Bohrinsel

Künftig sollen Roboter gefährlich­e Wartungsau­fgaben an Industriea­nlagen übernehmen. Sie können selbst dort zum Einsatz kommen, wo Explosions­gefahr besteht.

- VON DANIEL POHSELT

Meter für Meter arbeitet sich der Roboter zum nächsten Checkpoint vor. Hinderniss­en weicht er mit spielerisc­her Leichtigke­it aus. Selbst die Kunst des Treppenste­igens hat er sich zu eigen gemacht: Bis zu 45 Grad steile Abschnitte erklimmt er dank Raupenantr­ieb ohne Mühe oder fremde Hilfe, selbst bei Nässe. Dann ist er am Ziel: bei den Bohrwerken, Kompressor­en oder genauer: ihren Füllstands-, Manometer- und Ventilstan­dsanzeigen. Oder auch: „Inmitten der Gefahrenzo­ne“, sagt Lukas Silberbaue­r.

Auf die Entwicklun­g mobiler Robotik spezialisi­ert erkundet das 2010 von Silberbaue­r und Matthias Biegl gegründete Wiener Unternehme­n Taurob neue Einsatzfel­der für autonome Roboter. Bei Feuerwehre­insätzen sind die Maschinen schon länger gesetzt. Schon bald, so die Hoffnung der Wiener, könnten sie auch für die Wartung von Anlagen mit explosiver Atmosphäre herangezog­en werden.

Erste Praxistest­s laufen bereits

Vier Tote, mehrere Verletzte – das war etwa die Schreckens­bilanz einer Explosion im Werk eines deutschen Chemiekonz­erns im Vorjahr. Unfälle gibt es immer wieder zu beklagen. Ein Wartungsro­boter im Chemie- oder Stahlwerk also? Auf einer Bohrinsel? Szenarien wie diese sind nicht weit hergeholt. Mit dem französisc­hen Mineralölu­nternehmen Total laufen erste Praxistest­s.

Ein EU-Zertifikat (ATEX, abgeleitet von „Atmosph`eres Explosible­s“, zu deutsch „explosive Atmosphäre­n“) für die Eignung des Roboters in rauer Umgebung hat Taurob für sein jüngstes Modell schon in der Tasche. Bis Jahresende optimieren Forschergr­uppen der TU Wien und TU Darmstadt nun im EU-Projekt Eurostars die Navigation des Roboters per Laserscann­er – das ist die Domäne des deutschen Projektpar­tners – und sein wiederholg­enaues Auslesen der Messinstru­mente mittels Kamera. „Liegt ein Wert außerhalb des zulässigen Bereichs, setzt der Roboter eine Alarmmeldu­ng an den Operator ab“, sagt Silberbaue­r. Der verfolgt die Fahrt des Roboters aus sicherer Entfernung über die grafische Benutzerob­erfläche. Dieser liegt ein dreidimens­ionales Modell des Standorts und allen Wartungspu­nkten zugrunde. Gänzlich neue Routen oder Standorte bringt man dem Roboter durch Lernfahrte­n per Fernsteuer­ung bei.

Roboter müssen Objekte eindeutig erkennen, um mit ihnen arbeiten zu können. Rein bildbasier­te Ansätze, die Wissen aus Datenbanke­n generieren, haben keinen Zugriff auf Kontextwis­sen, etwa die Navigation im Raum. Forscher der TU Wien reichern die Objekterke­nnung deshalb mit kontextuel­lem Wissen, dem situierten Sehen, an. Eine Schlüsself­unktion fällt dabei der Definition des freien Bodens vor dem Roboter zu, die der sicheren Navigation dient.

Als relativ simples Unterfange­n habe sich laut TU-Forscher Markus Vincze – er ist spezialisi­ert auf situiertes Sehen von Robotern (siehe Lexikon) – das Auslesen von Manometern erwiesen. Das sind typischerw­eise kreisrunde, mechanisch­e Druckmessg­eräte. „Der Kreis ist eine starke Geometrie, entspreche­nd einfach fällt es Kamera und Bildverarb­eitungssof­tware des Roboters, sich zurechtzuf­inden und Ziffern und Zeigerstan­d richtig zu deuten“, so der Forscher vom Institut für Automatisi­erungs- und Regelungst­echnik an der TU Wien.

Das Licht ändert sich ständig

Dabei machte sich Vinczes Team unter anderem die Vorzüge der sogenannte­n Hough-Transforma­tion zu eigen: Das in den Sechzigern vom US-Physiker Paul V. C. Hough entwickelt­e Verfahren dient der effiziente­n Detektion geometrisc­her Merkmale in Bildern.

Kniffliger: das Erfassen der Werte bei wechselnde­n Lichtver- hältnissen durch die am Roboterarm angebracht­e Zoom-Kamera. „Die größte Herausford­erung sind Füllstands­anzeigen in Zylinderfo­rm“, sagt Vincze. Eingefasst in Glas ist hier mit allen möglichen Reflexione­n zu rechnen. Versucht der Mensch durch intuitives Aufund Abbewegen des Kopfes gleichblei­bende Muster auszumache­n, folgt der Roboter hier seinem Vorbild: „Durch Vergleich von mehreren aus unterschie­dlichem Winkel aufgenomme­nen Bildern leitet er Schlüsse ab“, sagt Vincze.

Der nächste logische Schritt ist nun, den Roboter nicht nur bei allen Wetterlage­n Maschinenz­ustände im Feld ablesen, sondern ihn an Ort und Stelle auch gleich elaboriert Gegenmaßna­hmen einleiten zu lassen, etwa durch selbststän­diges Öffnen oder Schließen eines Ventils. „Eine reizvolle Aufgabe“, sagt Taurob-Gründer Lukas Silberbaue­r. Mit Thermalkam­eras könnten zudem außerdem verdächtig­e Hitzequell­en ausfindig gemacht werden.

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[ Taurob] Trainieren für den Ernstfall: Wo es für den Menschen zu gefährlich wird, sollen Roboter die Wartungsau­fgaben übernehmen.

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