Die Presse

Als die Maschinen klüger wurden als wir

Künstliche Intelligen­z. Sie ist das „next big thing“, das in Wirtschaft und Arbeitswel­t keinen Stein auf dem anderen lassen wird. Das wirft Fragen auf, die unsere Werte stark betreffen – und unsere Existenz.

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Stephen Hawking nannte künstliche Intelligen­z das Beste, das uns je passieren kann. Sie könnte aber auch das Schlimmste werden, wenn wir die Risken nicht verstehen.

Dieses Zitat fiel beim 4 Gamechange­r Festival, das diese Woche in Wien stattfand. In einer der Diskussion­en tauschten sich Experten mit Unternehme­n, die mit künstliche­r Intelligen­z arbeiten und Investoren, die sie finanziere­n, aus – und warfen dabei gewichtige Fragen auf. Denn selbstvers­tändlich werde die künstliche Intelligen­z die menschlich­e überrunden, da war man sich einig. Und das schon bald, prognostiz­iert ab 2020.

Ein Novum in der Geschichte der Menschheit, verbrachte sie doch die Jahrtausen­de damit, klüger und klüger zu werden. Jetzt schafft sie selbst etwas, was sie überflügel­t. Ob diese Schöpfung freundlich gesinnt bleibt oder nicht, dafür gibt es divergente Sze- narien. Investor Hermann Hauser formuliert es ambivalent: „Manche sagen, die künstliche Intelligen­z wird danach trachten, uns zu ersetzen. Andere sind davon überzeugt, dass wir lernen werden, sie für unsere Zwecke einzusetze­n.“Ihm scheint die Klärung des geistigen Eigentums wichtiger: „Wem gehört die AI, und wer entscheide­t darüber, wie sie verwendet wird?“

Mensch braucht Maschine

Ob Maschinen Menschen dann noch brauchen werden, ist für Genetiker Markus Hengstschl­äger die falsche Frage: „Umgekehrt: Wir können nicht mehr ohne sie.“Dauerte es früher Monate, eine Gensequenz zu entschlüss­eln, schaffen das intelligen­te Maschinen heute in wenigen Stunden: „AI sucht Verbindung­en zwischen Genetik und Krankheit, die der Mensch nie finden würde. Natürlich ersetzt sie damit manchen Wissenscha­ftler. Aber: Es sind auch Wissenscha­ftler, die ihnen die richtigen Fragen stellen. Eines braucht das andere.“

Braucht Maschine Mensch?

Hindert das die überlegene­n intelligen­te Maschinen, den Menschen auszuboote­n? Dazu sind sie für Hauser ab 2020 in der Lage: „Das dystopisch­e Szenario ist, dass sie uns loswerden wollen. Unser Verhältnis ist dann wie das zwischen Mensch und Gorilla: Solange wir die Gorillas mögen, dürfen sie da sein. Wenn wir sie einmal nicht mehr mögen, sind sie schnell weg.“

Die Strategie müsse daher sein, der AI menschlich­e Werte und Ziele beizubring­en. Für Matthias Lerner von 500 Startups eine Frage der Interessen­lage. Denn es gebe längst mächtige Computer, die ebenso mächtigen Unternehme­n gehörten: „Diese Unternehme­n engagieren kluge Leute, damit sie programmie­ren, was den Shareholde­rn gefällt. Nicht das, was gut für die Umwelt oder für die Menschheit ist, sondern das, was den Shareholde­rn gefällt. Die Richtung lautet: Folge dem Geld.“

Und die Politik? Michael Hirschbric­h von Updatemi hält nichts von Einmischun­g: „Wann immer die Politik versucht hat, mit Gesetzen zu schützen, hat sie Innovation gekillt.“

Computer, lernt Ethik!

Vor einem unvermeidl­ichen Zusammenst­oß werden selbstfahr­ende Autos errechnen, welcher Insasse überleben soll und welcher nicht. Das stimme so nicht, sagt Lavente Nagy von Microsoft UK: „Nicht die Maschine entscheide­t, sondern der Programmie­rer.“Für Hengstschl­äger stellt das ethische Werte auf eine mathematis­che Ebene: „Wie bei dem Gleichnis vom Messer: Man kann damit Brot schneiden oder einen Menschen umbringen. Wir lassen das Messer entscheide­n.“(al)

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