Dolmetscher ohne Töne
Gebärdensprache. Bis zu 10.000 Gehörlose gibt es in Österreich. Gebärdendolmetscher helfen ihnen, in ihrer Muttersprache zu kommunizieren.
Spannende Geschichten auch ohne Stimme zu erzählen – das hat die Schauspielakademie in St. Pölten kürzlich in ihr Programm aufgenommen. Der für Jugendliche von zwölf bis 19 Jahren konzipierte Kurs soll neben der eigenen Ausdrucksstärke auch die Kommunikation mit gehörlosen Menschen fördern. Laut Österreichischem Gebärdensprach-DolmetscherInnen- und -ÜbersetzerInnen-Verband ÖGSDV leben hierzulande rund 450.000 Menschen, die aufgrund einer Hörminderung in der Kommunikation mit anderen beeinträchtigt sind. Bis zu 10.000 davon sind gehörlos.
„Der Bedarf an Gebärdensprach-Dolmetschern ist nach wie vor sehr hoch, auf einen Dolmetscher kommen im Schnitt 100 Gehörlose“, sagt Elke Schaumberger, Gründerin der Plattform „Dolmetschserviceplus Gebärdensprache“. An drei Orten in Österreich kann man sich in diesem Beruf ausbilden lassen. Seit 2003 gibt es in Linz bei Gesdo eine dreijährige Vollzeitausbildung, der ein zweiteiliges Aufnahmeverfahren vorangeht. Schaumberger zählt dort zum Vortragsteam: „Die öffentliche Wahrnehmung der österreichischen Gebärdensprache ÖGS hat sich in den letzten 15 Jahren sehr positiv verändert. Sie steht mittlerweile mehr im Fokus von Medien, Wissenschaft und Bildung und ist seit 2005 in der Verfassung verankert.“Die ÖGS hat eine eigene Grammatik und Syntax, die anders ist als die Grammatik der deutschen Lautsprache. Gebärdensprachen sind nicht auf der ganzen Welt einheitlich, es gibt zum Teil große Unterschiede.
Zu den Beweggründen, ein Studium zum Gebärdensprach-Dolmetscher zu beginnen, hat die Uni Graz 2005 eine Studie verfasst. „Interessant ist, dass sich mehr Studierende vor Studienbeginn über den Studienplan informiert haben als über das Berufsbild Übersetzen und Dolmetschen“, sagten die Autorinnen Barbara Andree und Sylvia Grünbichler. Für die Gebärdensprache sind bei Studienbeginn keine Vorkenntnisse notwendig, trotzdem seien bei der Hälfte der Studienanfänger bereits Kontakte zu Sprache und Kultur Gehörloser vorhanden gewesen. An der Uni Graz kann man sich im Rahmen des Masterstudiums Dolmetschen auf die Gebärdensprache spezialisieren.
Studienangebot speziell für Gehörlose
Auch die Alpe-Adria-Universität in Klagenfurt bietet einen Gebärdensprachdolmetscher-Lehrgang an, allerdings speziell für Gehörlose: „Er bietet den gehörlosen Teilnehmern eine Berufsperspektive abseits der traditionellen, meist handwerklichen Berufe“, sagt Marlene Hilzensauer, Leiterin des Zentrums für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation. Die meisten Studierenden arbeiten „mittlerweile in anderen Berufen oder haben, je nach Möglichkeit, Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch genommen und sind nun beispielsweise als Behindertenfachbetreuer tätig.“Voraussetzungen, einen der 25 Lehrgangsplätze zu bekommen, sind eine gute Gebärdensprachkompetenz, die Vollendung des 18. Lebensjahres und ein Aufnahmegespräch. Hilzensauer betont, dass es hier um ein Ausbil- dungsangebot für Gehörlose geht: „Wir hatten anfangs auch hörende Studierende, doch sie haben die Ausbildung früher oder später abgebrochen.“
Möchte ein Hörender trotzdem die Gebärdensprache lehren, bietet der ÖGSDV gemeinsam mit der Uni Graz eine Berufseignungsprüfung an. Die notwendigen Vorkenntnisse liefert etwa die Seminarreihe „AchtungFertigLos“des ÖGSDV, die Themen wie Berufskunde, Sprach- und Translationswissenschaft, Dolmetschen ins Deutsche beziehungsweise in die ÖGS und Community Interpreting behandelt.
Und wenn man einfach nur zur besseren Verständigung mit Gehörlosen die Gebärdensprache lernen möchte? Der Österreichische Gehörlosenbund empfiehlt Kurse beim Verein Witaf. Dieser bietet ebenso Sprachkurse an wie das Sprachenzentrum der Uni Wien. Hier treffen privat und beruflich Interessierte zusammen: „Entweder haben sie Verwandte oder Freunde, mit denen sie in ihrer Erstsprache kommunizieren wollen. Oder sie arbeiten als Sozialarbeiter, Pädagogen oder Therapeuten mit gehörlosen Menschen“, sagt Nicola Kraml, Leiterin des Sprachenzentrums. Teilweise wollten sie eine hohe Kompetenz entwickeln, „weil sie beispielsweise eine Ausbildung als Dolmetscher machen wollen. Anderen geht es eher darum, Respekt und den Betroffenen zu zeigen, dass sie als Angehörige der ,Mehrheitsgesellschaft‘ es wert finden, zumindest Grundkompetenzen in der ÖGS aufzubauen.“