Eklatante Missstände in Pflegeheimen
Volksanwaltschaft. Die Liste der Menschenrechtsverstöße in österreichischen Alteneinrichtungen ist lang: Menschen wurde Kot in den Mund gesteckt, Beruhigungsmittel wurden ins Essen gemischt, manche eingesperrt.
Wien. Senioren, die sich in ihrem eigenen Kot und Urin wundliegen. Pflegebedürftige, denen heimlich Beruhigungsmittel ins Essen gemischt werden. Statt der täglichen Dusche werden alte Menschen nur mit einem Waschlappen abgerieben – echte Waschmöglichkeiten gibt es nur ein- bis zweimal wöchentlich. Oder Pfleglinge, die schon mittags aufhören zu trinken – aus Angst, ihre sadistischen Pfleger bitten zu müssen, sie auf die Toilette zu begleiten.
Was die Volksanwaltschaft in ihrem aktuellen Bericht zu Zuständen in österreichischen Pflege- und Seniorenheimen veröffentlicht, schockiert. 2016 wurden insgesamt 125 Einrichtungen besucht, die sich der Pflege älterer Menschen widmen – in vielen wurden eklatante Missstände festgestellt.
Da gibt es etwa ein Pflegeheim in Niederösterreich, dem mehrfach das nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime verliehen wurde. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Vier Pflegekräfte einer Station stehen im Verdacht, schwer demente Pfleglinge über Monate hinweg gequält zu haben. Unter anderem wurde zur Anzeige gebracht, dass während gemeinsamer Nachtdienste Haarspray ins Gesicht gesprüht, Kot in den Mund gestopft und ätherischer Alkohol in Augen und Genitalien verrieben wurde. In einer steirischen Einrichtung, in der 35 Personen mit psychiatrischer Diagnose leben, kam es 2016 zu mehr als 80 Stürzen – die teilweise schwere Verletzungen und lange Krankenhausaufenthalte zur Folge hatten. Freiheitsberaubungen sind in vielen Einrichtungen an der Tagesordnung. Es fehlt an Personal und Zeit, alte Menschen an die frische Luft zu begleiten – also werden sie eingesperrt und mit Medikamenten ruhig gestellt.
Abgelegene Unterkünfte
Aber nicht nur in großen Einrichtungen fand die Kommission verheerende Zustände. In Tirol etwa traf die Kommission auf zehn ältere Männer, die psychisch krank oder behindert waren. Sie lebten mit Zustimmung ihrer Sachwalter in einem abgeschieden gelegenen, zweigeschoßigen Haus in extremer Hanglage. Die Doppelzimmer waren kärglich eingerichtet, keiner der Männer verfüg- te über einen eigenen Zimmer- oder Haustorschlüssel. Mobiltelefone waren verboten. Vertrauliche Gespräche wurden von den Hauseigentümern schon nach kurzer Zeit unterbunden.
In Oberösterreich stieß die Kommission in einem abgelegenen, öffentlich nicht erreichbaren Wohnhaus auf drei Frauen und vier Männer mit psychischen Erkrankungen. Sie wurden von einer 69-jährigen Frau und deren Sohn betreut – beide haben keine entsprechende Ausbildung. Die drei Frauen mussten sich ein sehr kleines Zimmer teilen, in dem es nicht einmal einen Platz für einen Kasten gab. Außer der Kleidung verfügte niemand über persönliche Gegenstände.
So lang wie die Liste der Menschenrechtsverstöße ist auch die Liste der Empfehlungen der Volksanwaltschaft: So sollen Patienten einmal am Tag ins Freie dürfen. Sie sollen eine freie Arztwahl haben, und die Facharztversorgung soll uneingeschränkt sichergestellt werden. Bewohner mit Schmerzen sollen auch Schmerzmittel bekommen – und der dringende Appell: Pflegepersonal muss besser geschult werden. (ath)