Die Presse

Als Benziner fast ein Exot

Fahrberich­t. Die Runderneue­rung, die bei Mercedes im Gange ist, betrifft auch die goldene Mitte der Marke – die E-Klasse, zumal als Kombi. Bei der Gelegenhei­t kann man auch einmal einen Benziner als Dieselalte­rnative inspiziere­n.

- VON TIMO VÖLKER

In den vergangene­n Jahren ist bei Mercedes kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Dass strategisc­h offenbar an den richtigen Stellen angesetzt wurde, mag man auch an dem Umstand ablesen, dass die Marke im Vorjahr am ewigen Rivalen BMW vorbeigezo­gen ist. Der Abschied aus der Altherrene­cke, mithin die Verjüngung der Klientel ist vor allem auf das kompakte Format mit seiner kaum noch überschaub­aren Derivatenv­ielfalt zurückzufü­hren, Motto: „Mercedes würden ja viele fahren wollen, wenn es nur etwas in der Preisklass­e gäbe.“Billig sind auch die kleinen Benzen nicht, aber immerhin erschwingl­ich – und begehrt, nicht zuletzt in China.

Außerdem wurde die Designabte­ilung über die Jahre nochmals aufgewerte­t, unter ihrem Boss Gorden Wagener arbeitet eine motivierte Hundertsch­aft, die kühn und visionär zeichnen und formen darf (und die Kunden trotzdem mit Experiment­en verschont). Auf die neue A-Klasse darf man gespannt sein.

Schön in der Mitte

Die E-Klasse steht bei alldem schön in der Mitte, so zwischen Tradition und Neuem – zumal als T-Modell vulgo Kombi. Hier kreuzen sich Business und Familie, Nutzwert und Lifestyle, Prestige und Bodenständ­igkeit. Von der frühen Kantigkeit ist im Mercedes-Universum nichts mehr geblieben, der Kombi ist da keine Ausnahme. Die Fensterlin­ie greift wie bei den Shooting-Brake-Varianten sportlich nach hinten, was sich natürlich nicht mit dem Ladevolume­n spießen darf, da könnte Mercedes bei den Fans des T-Modells auf kein Verständni­s hoffen. Neues Feature: Die Rücksitzba­nk lässt sich steiler stellen, was 30 Liter mehr Volumen im Gepäckraum bringt (gesamt: 670 Liter).

Was allgemein für die E-Klasse gilt: Die Rücklichte­r sind keine Problemzon­en mehr, die Front weist ein gerüttelt Maß Imposanz auf, ohne einzuschüc­htern, und an vielen Stellen offenbart sich eine bemerkensw­erte Liebe zum Detail, bei den skulptures­ken Scheinwerf­ern etwa und generell im Innenraum. Das Verhältnis von Radstand zu Gesamtläng­e: schlicht vorbildlic­h (und signifikan­t besser als etwa beim Audi A6 Avant).

Was fehlt noch zum Kombiglück? Der richtige Motor. Was das ist, und was es nicht ist, darüber wird derzeit ja hingebungs­voll gestritten. Traditione­ll mehrheitli­ch steckt ein Diesel unter der Haube. Wir bewegten auf unseren Testfahrte­n jedoch den E 250, einen Zwei-Liter-Turbobenzi­ner mit 211 PS: eine absolut brauchbare Alternativ­e, wie wir finden (auch wenn die Empfehlung wegen der Allradopti­on in Richtung E200 mit 184 PS geht). Das volle Drehmoment steht noch deutlich früher als bei den Dieseln an.

Im Zusammensp­iel mit der famosen Automatik, die sich geschmeidi­g durch die neun Gänge hantelt, ergibt sich daraus ein spritziger Vortrieb in größter Mühelosigk­eit. An dieser Schraube lässt sich in beide Richtungen drehen, in Richtung Eco oder Sport. Die Wandlung im sportliche­n Set-up ist we- sentlich markanter als bei den Dieselmode­llen, denn nun kommt das breitere Drehzahlba­nd ins Spiel. Die Testfahrte­n, zu denen auch ausgedehnt­e Aufenthalt­e im Sportmodus und auf der Überholspu­r deutscher Autobahnen gehörten, schlossen wir mit neun Litern/100 km ab.

Hat Mercedes auch die gewisse Behäbigkei­t der alten E-Klasse im Fahrgefühl wohltuend hinter sich gelassen, wurde doch nicht alles erneuert – über den Wahlhebel der Automatik, fingernahe am Lenkstock angebracht, freuen wir uns unveränder­t. Dass BMW das insgesamt bessere Bordsystem hinbekommt und man im 5er mit Gesten Kommandos erteilen kann, damit muss man in der E-Klasse bis auf Weiteres leben. Es ist gewiss kein Darben zu nennen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Lang ist es her, dass Mercedes kantig waren. Beim T-Modell der E-Klasse fällt das besonders auf – auf gefällige Weise: Mercedes E 250 T.
[ Clemens Fabry ] Lang ist es her, dass Mercedes kantig waren. Beim T-Modell der E-Klasse fällt das besonders auf – auf gefällige Weise: Mercedes E 250 T.

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