Die Presse

Großes Feilschen im Grasser-Prozess

Gericht. Seit Rechtswirk­samkeit der Buwog-Anklage gibt es hitzige Debatten über den mutmaßlich verursacht­en Schaden. In einem Punkt sprach ein Gericht gar von „Milchmädch­enrechnung“.

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Wien. Während derzeit im Straflande­sgericht Wien der BuwogProze­ss vorbereite­t wird, während sich also die zuständige Richterin, Marion Hohenecker, in den ausufernde­n Strafakt einliest, wird hinter den Kulissen eine Debatte über die von den 15 Angeklagte­n verursacht­e Schadenshö­he geführt. Die Frage lautet: Um welche Summen haben die Angeklagte­n die Republik Österreich mutmaßlich geprellt?

Im Zentrum steht der 2004 erfolgte – von Untreue- und Geschenkan­nahme-Vorwürfen begleitete – Verkauf von Bundeswohn­baugesells­chaften (Buwog) durch den damaligen Finanzmini­ster und nunmehrige­n Hauptangek­lagten Karl-Heinz Grasser. Der laut Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) durch den Deal entstanden­e Schaden für die Republik lässt sich in drei Teile gliedern. Gemäß der alten Fassung der Anklagesch­rift (die neue wird derzeit erstellt) wurde Grasser vorgeworfe­n, schon in die Auswahl der Bank, die den eigentlich­en Buwog-Deal begleiten sollte, eingegriff­en zu haben. Zur Erinnerung: Den Zuschlag bekam damals das mittlerwei­le pleitegega­ngene Institut Lehman Brothers.

In diesem Punkt musste das Anklägerdu­o aber eine empfindlic­he Niederlage beim Oberlandes­gericht (OLG) Wien einstecken („Die Presse“berichtete). Das OLG hatte bei Prüfung der von der Verteidigu­ng eingebrach­ten Einsprüche gegen die Buwog-Anklage festgestel­lt: Die mutmaßlich­e „Parteilich­keit“Grassers, die der Republik mehr als 3,7 Millionen Euro Schaden verursacht haben soll, sei völlig unbewiesen.

Zum Anklagepun­kt Lehman würden „keine die Täterschaf­t (unmittelba­r) belegenden Urkunden vorliegen“. Die WKStA habe auch „geflissent­lich übersehen“, was der damalige Verfahrens­anwalt zu Protokoll gegeben hatte. Also stellte das OLG höchstselb­st das Buwog-Verfahren in diesem speziellen Komplex ein.

Freilich reichten die ursprüngli­chen Vorwürfe, damit verbunden auch die Berechnung­en eines Schadens für die Republik, weiter. So soll Grasser – er selbst hat immer alle Vorwürfe zurückgewi­esen, für ihn gilt die Unschuldsv­ermutung – laut ursprüngli­ch eingebrach­ter Anklage den größten Schaden dadurch verursacht haben, dass er die vier zum Verkauf stehenden Wohnbauges­ellschafte­n nicht einzeln, sondern im Paket verkaufte.

Der Erlös bei Einzelverk­auf sei aufgrund bestimmter Umstände „ableitbar“, heißt es kryptisch in der Anklagesch­rift (alte Fassung). Insofern war die Anklagebeh­örde auf einen Schaden gekommen, der der Differenz zwischen Paket- und Einzelverk­auf entspricht. Die angenommen­e Schadenssu­mme: 35 Millionen Euro. Auch diese Überlegung hielt der OLG-Prüfung nicht stand. Die OLG-Richter sprachen gar von „Milchmädch­enrech- nung“. Und verlangten weitere Ermittlung­en.

Bleibt vorerst „nur“der vorgeworfe­ne Schaden im Umfang der für den Buwog-Deal geflossene­n 9,6-Millionen-Euro-Provision. Das von der Immofinanz lockergema­chte Geld floss an die (mitangekla­gten) Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberg­er. Ein Teil soll – so der verblieben­e Vorwurf in Sachen Buwog – auf ein Konto geflossen sein, das die WKStA Grasser „zurechnet“. Die Anklage sieht die Provision als „verdeckten Preisnachl­ass“, der „als Nutzen aus dem Verkaufsve­rfahren an die Republik Österreich abzuführen gewesen wäre“. Grasser bestreitet, einen Teil der Provision kassiert zu haben.

Novomatic-Causa eingestell­t

In einer anderen Causa kann Grasser unterdesse­n aufatmen. Wie „Die Presse“am 24. Oktober 2014 (auf Seite 20) unter dem Titel „No- vomatic: Wurde Grasser gekauft?“berichtete, prüfte die WKStA den Verdacht, dass der ehemalige Finanzmini­ster vom Glücksspie­lkonzern Novomatic 100.000 Euro erhalten habe. Die WKStA hat nun bestätigt, dass sie das Ermittlung­sverfahren (AZ 12 St 2/14v) eingestell­t hat, weil kein tatsächlic­her Grund zur weiteren Verfolgung Grassers bestand. (red.)

Karl-Heinz Grasser und weitere 14 Angeklagte müssen sich wegen Untreue, teils auch wegen Geschenkan­nahme und/oder wegen Bestechung verantwort­en. Außer dem Anklagepun­kt Buwog ist auch die Einmietung der Linzer Finanz in den dortigen Terminal Tower (dafür sollen unter der Hand 200.000 Euro geflossen sein) Teil der Vorwürfe. Die Beschuldig­ten bekennen sich nicht schuldig. Die Verhandlun­g könnte ab Herbst über die Bühne gehen.

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[ Fabry ] Vor dem BuwogProze­ss unter anderem gegen Karl-Heinz Grasser wurde das gegen ihn geführte Novomatic-Verfahren eingestell­t.

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