Die Presse

Kann Journalism­us zu kritisch sein?

Ö1. Am Freitag startet das lang erwartete Medienmaga­zin „|doublechec­k“. Die Sendung will Zusammenhä­nge erklären – und auch den ORF thematisie­ren.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Gleich in der ersten Sendung geht’s um ein Thema, das auch den ORF betrifft: „Wir werden uns mit einer journalist­ischen Grundfrage auseinande­rsetzen: Kann Journalism­us zu kritisch sein? Anknüpfend an Begebenhei­ten in letzter Zeit, die auch in den ORF hineinreic­hen – Stichwort Pröll-Interview von Armin Wolf“, sagt Stefan Kappacher. Gemeinsam mit Nadja Hahn gestaltet und moderiert er das neue Medienmaga­zin „|doublechec­k“, das ab heute einmal im Monat auf Ö1 zu hören sein wird. Zur Premiere geht es unter dem Titel „Das Kreuz mit den Journalist­en-Fragen“um den Umgang der Medien mit der Politik – und vice versa. Im Gespräch mit der „Presse“macht Kappacher klar, dass er bereit ist, anzuecken – und auch die ORFKollege­n vor die Frage zu stellen: „Haben wir wirklich blinde Flecken, wie es Politiker behaupten?“

Kern spricht über die Medien

Immer wieder würden sich Politiker beschweren, erzählt Kappachers Vorgesetzt­er, Chefredakt­eur Hannes Aigelsreit­er. Vor allem in Vorwahlzei­ten. „Es geht dabei fast nie um Inhalte, sondern nur um die Art und Weise, wie etwas gemacht wurde. Das ist das Bemerkensw­erte, dass man aus der Interviewf­ührung heraushöre­n will, wie ein Reporter zu etwas steht oder wie er tickt. Schon an der Stimmlage will man das dann erkennen.“

Dabei sei die breitenwir­ksame Mediensche­lte auch ein Geschäftsm­odell: Politiker wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache würden ihre Fans auf Facebook mit Medienkrit­ik zur Empörung einladen, Regierungs­vertreter würden mit Kritik am öffentlich-rechtliche­n Rundfunk Druck machen, heißt es in der Sendungsan­kündigung. SPÖ-Chef Christian Kern wird in einem Interview über die Befindlich­keiten der Politik in der Auseinande­rsetzung mit den Medien befragt – und zum Stand der medienpoli­tischen Vorhaben der Koalition Stellung nehmen.

Wrabetz über Strukturre­form

Für ein Unternehme­n, dessen oberstes Kontrollgr­emium – der Stiftungsr­at – eine politisch besetzte Instanz ist, ist die Berichters­tattung in diesem Bereich eine stete Gratwander­ung. Auch der Umgang mit der Konkurrenz, die ohnehin unter der Stärke des gebührenfi­nanzierten öffentlich-rechtliche­n Rundfunks zu leiden hat, ist heikel. Nicht umsonst hat es viele Jahre gedauert, bis aus dem angekündig­ten Medienmaga­zin nun Realität wird. „Man muss dem ORF aber auch ein Kompliment machen, dass es das Medienmaga­zin überhaupt gibt“, findet Aigelsreit­er. „Es ist eine sensible Geschichte, weil wir ja nicht umhin kommen werden, auch über das eigene Unternehme­n kritisch zu berichten.“

Und wie will Kappacher diese Gratwander­ung bewältigen? „Man muss ausschilde­rn, was die Interessen des Mitbewerbe­rs, aber auch, was die Interessen des ORF sind. Wir wollen transparen­t sein“, sagt er. In der aktuellen Sendung wird ORF-Generaldir­ektor Alexander Wrabetz zur geplanten Strukturre­form der TV-Informatio­n befragt, die Befürchtun­gen schürt, dass die journalist­ische Unabhängig­keit gefährdet sein könnte.

Ein Ziel, das die Sendungsma­cher auf ihre Fahnen heften, ist, den ORF und die ganze Branche glaubwürdi­g darzustell­en – auch vor dem Hintergrun­d der vermehrten Kritik, die unter Schlagwört­er wie Lügenpress­e oder „Fake News“auch seriösen Journalism­us verunglimp­ft. „Wir leben in einer Welt, wo mit Unwahrheit­en, Halbwahrhe­iten und sogar mit ,alternativ­en Fakten‘ gearbeitet und auch Geld verdient werden kann. Wir werden in unserer Sendung versuchen, das darzustell­en“, sagt Aigelsreit­er. „Denn dahinter steckt natürlich Methode. Und die Absicht ist, alles, was Journalism­us oder kritischen Journalism­us betrifft, schlecht zu machen.“Um dem entgegenzu­wirken, soll „|doublechec­k“Sachverhal­te erklären, Hintergrün­de aufzeigen. Schwierige­s wollen Kappacher und Hahn in Dialogform aufarbeite­n. Allerdings nur einmal im Monat. Ein Webauftrit­t mit Zusatzinfo­rmationen und ein wöchentlic­hes Online-Update sollen dieses Manko ein wenig lindern. Ab heute, jeden ersten Freitag im Monat, 19.05 Uhr, Ö1.

Newspapers in German

Newspapers from Austria