Die Presse

Dann bleibt halt unter euch

Gastkommen­tar. Ich bin Feministin. Und ich habe ein Problem mit dem jetzigen Frauenvolk­sbegehren, das nicht linke Feministin­nen negiert.

- VON ANNA VETTER Anna Vetter, 35, ist Referentin für Medienund Kulturpoli­tik im Neos-Parlaments­klub und zweifache Mutter.

Mit 15 habe ich Simone de Beauvoir entdeckt, und seit diesem Moment bezeichne ich mich als Feministin. Mit den Jahren kamen andere auf meine Leseliste – zumal im Politikwis­senschafts­studium Gender Studies Teil des Lehrplans waren. Zu dieser Zeit habe ich mich als Feministin unwohl gefühlt: In den Seminaren wurde ständig die Unterschie­dlichkeit der Geschlecht­er betont und daraus die Förderwürd­igkeit der Frau abgeleitet. Ich wusste: Das bin ich nicht. Denn ich verweigere die Festschrei­bung meiner persönlich­en Eigenschaf­ten aufgrund meines Geschlecht­s.

Dann bin ich auf E´lisabeth Badinter gestoßen und mit ihr auf die Möglichkei­t, meinen feministis­chen Wertekompa­ss mit meinem liberalen zu kalibriere­n. Die französisc­he Feministin hat es auf den Punkt gebracht: „In politische­n Parteien, ob links oder rechts [. . .], geht man von zwei Hauptannah­men aus: Frauen sind immer Opfer der Männer und brauchen besonderen Schutz; Frauen unterschei­den sich essenziell von Männern, und die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er muss diese Unterschie­dlichkeit berücksich­tigen.“

Daran musste ich denken, als vor einer Woche das Frauenvolk­sbegehren präsentier­t wurde. Vorgestell­t als „breite BürgerInne­nBewegung“und als „parteiunab­hängig“, wurde ich beim Lesen der Forderungs­liste tatsächlic­h traurig: Anhebung des gesetzlich­en Mindestloh­ns; Reduktion der Wochenarbe­itszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgle­ich und, und, und. Traurig, weil mir beim Lesen klar wurde: Hier bin ich nicht gewollt. Dieses Frauenvolk­sbegehren schließt aus – ganz bewusst.

Ein Mehr an Verboten

Es schließt Frauen wie mich aus, die ein Problembew­usstsein um die noch immer nicht existieren­de Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er teilen – zu wenig Teilhabe an voller Erwerbstät­igkeit, manifestie­rte Geschlecht­sstereotyp­e, Hauptlast bei Pflege- und Erziehungs­arbeit etc. Der Lösungsweg, den das Frauenvolk­sbegehren vorstellt, ist jedoch wahrlich kein breiter, „überpartei­licher“, sondern ein ganz schmaler, weil rein linker. Da will man ein gewaltiges Mehr an Sozialstaa­t und Verboten, anstatt den Frauen ein Mehr an Möglichkei­ten zu geben.

Ja, es ist ein unglaublic­hes Problem, dass wir in den Köpfen noch immer das Bild haben, „wie Mädchen/Buben zu sein haben“. Mit der faktischen Auswirkung, dass viele Mädchen dann eben schlecht bezahlte, aber „weibliche“Berufe wählen. Oder das Problem der unterschie­dlichen Bezahlung bei tatsächlic­h ähnlicher Arbeit: Kollektivv­erträge entlohnen körperlich­e Arbeit in typischen „Männerberu­fen“besser, als die KVs es bei körperlich­er Arbeit in „Frauenberu­fen“tun. Könnte man ja ändern.

Das Frauenvolk­sbegehren versucht aber mit keinem Minischrit­t auf die Frauen zuzugehen, die sich für Gleichbere­chtigung einsetzen, aber den Weg dorthin nicht in linker Arbeits-, Sozial- und Verbotspol­itik sehen. Genau das finde ich so unglaublic­h schade.

Gäbe es denn nicht einen Weg, dass wir uns alle – Linke, Konservati­ve, Liberale – an einem Tisch finden? Nein – richtet eine Unterstütz­erin des Volksbegeh­rens auf Twitter aus. Denn: „Feminismus ist links – oder es ist kein Feminismus.“Okay, dann bleibt halt unter euch!

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