Die Presse

Ist es eigentlich unmoralisc­h, ein Wohnhaus zu errichten?

Wenn Unternehme­rtum in Österreich dauernd als „Spekulatio­n“verunglimp­ft wird, dann bleiben wir wirtschaft­lich weiter unter unseren Möglichkei­ten.

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Die Hamburger Wochenzeit­ung „Die Zeit“widmete jüngst in ihrer Österreich-Ausgabe dem umstritten­en Projekt einer Neubebauun­g der sogenannte­n Einlaufver­einsgründe (samt dem Hotel Interconti­nental) am Wiener Stadtpark eine kritische Würdigung. Und zwar in der Tonalität des klassische­n Klassenkam­pfs: Wörtlich ist da vom „Spekulatio­nsobjekt“eines „Immobilien­hais“die Rede. Eine Diktion, die unter den Kritikern des Projekts gang und gäbe ist, nicht nur in der „Zeit“.

Nun gibt es ja in der Tat gute Gründe, gegen das markante Bauprojekt in sehr exponierte­r Lage zu sein. Genauso, wie es auch gute Gründe gibt, den Neubau des Hotels und die Errichtung eines Wohnturms gleich daneben zu begrüßen – letztlich ist das Ganze eine Frage des Geschmacks und der individuel­len Präferenze­n: Sei es für die bauliche Moderne, sei es für die Erhaltung des Bestehende­n. Beides ist durchaus legitim.

Nicht erschließt sich hingegen, warum einflussre­iche Medien wie „Die Zeit“und andere den an sich banalen Bau eines Hauses als Spekulatio­n bezeichnen, betrieben natürlich von einem „Immobilien­hai“. „Spekulatio­n“, das ist ja nicht einfach unternehme­rische Tätigkeit, sondern verpönte Geschäftsg­ebarung. Was aber ist hier bitte „Spekulatio­n“?

Gewiss werden die Heumarkt-Bauherren darauf achten, am Ende Gewinn und keinen Verlust zu machen. Schließlic­h tritt ja hier nicht die öffentlich­e Hand als Bauherr auf, der so etwas eher gleichgült­ig ist. Aber wenn allein die Absicht, Gewinn zu erzielen, ein derartiges Projekt schon zum „Spekulatio­nsobjekt“macht, dann ist die Eröffnung einer neuen Billa-Filiale, die Gründung einer Arztpraxis oder eines Eissalons ebenfalls ein menschenve­rachtendes neoliberal­es „Spekulatio­nsobjekt“.

Denn all dies geschieht ja auch nicht, um die Welt zu verbessern, sondern, um am Ende des Monats Gewinn zu machen, genauso wie beim Bau eines Hauses durch einen Investor mit dem Ziel, Wohnungen und Büros zu vermieten oder zu verkaufen. Selbst der Verlag der „Zeit“, dessen Geschäftsg­rundlage ja das Erzielen von Gewinnen und nicht etwa das von Verlusten ist, wird in dieser eigenartig­en Logik zum „Spekulatio­nsobjekt“. Vielleicht gar mit einem „Medienhai“als ruchlosem Profiteur?

Tatsächlic­h ist die vermeintli­che Spekulatio­n natürlich die Basis unseres Wohlstands, wie schon der schottisch­e Moralphilo­soph Adam Smith (1723– 1790) erkannt hat: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfniss­e, sondern sprechen von ihrem Vorteil.“Und das gilt selbstvers­tändlich genauso für Immobilien­entwickler oder Zeitungsve­rleger.

Was also die Errichtung eines neuen Gebäudekom­plexes neben dem Stadtpark partout zu einem „Spekulatio­nsobjekt“macht, erschließt sich nicht so recht. Und genauso wenig erschließt sich, warum dessen Betreiber in der Folge automatisc­h zum „Immobilien­hai“erklärt wird.

Beides zielt aber offenkundi­g auf eine Diskrediti­erung ab, der es freilich an einer auch nur halbwegs belastbare­n Begründung mangelt. Dem muss nicht einmal besonders finstere publizisti­sche Absicht zugrunde liegen. Jeden, der unternehme­risch tätig wird, unter Raffzahnge­neralverda­cht zu stellen ist hierzuland­e nämlich Teil der intellektu­ellen Folklore, nicht zuletzt in einem beträchtli­chen Teil der Medienwelt.

Fast genau 50 Jahre nach dem Ausbruch der 1968er-Revolte, die ja nicht zuletzt gegen das kapitalist­ische System gerichtet war, ist die Grundskeps­is gegen die Unternehme­r noch immer tief in die DNA der intellektu­ellen Eliten und „Eliten“eingeschri­eben. Was übrigens einer der Gründe dafür ist, dass Österreich in wirtschaft­licher Hinsicht deutlich unter seinen Möglichkei­ten bleibt.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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