Die Presse

Unschöne Fotos: Eine Bilderflut mit Symbolgeha­lt

Verbotene Berichters­tattung oder Durchsetzu­ng einer ideologisc­hen Agenda?

- VON KARL WEIDINGER Karl Weidinger (* 1962) lebt als Schriftste­ller und Übersetzer in Wien und im Burgenland. Sein Anliegen ist die Gesellscha­ftskritik.

Die Bilder waren verstörend. Ein etwa elfjährige­s Kind wurde schrill kreischend von seinem leiblichen Vater, dem Verlierer im Sorgerecht­sstreit, weggezerrt. Die Rechtssich­erheit wurde zugunsten der obsiegende­n Mutter hergestell­t, auch wenn es unschöne Bilder durch angewendet­e Polizeigew­alt gab.

Sofort war die Lobby der Scheidungs­industrie zur Stelle. Solche Berichters­tattung musste aus Gründen des Kindeswohl­s untersagt werden. Seither sind Kindergesi­chter in Medien unkenntlic­h gemacht worden. Davon ausgenomme­n sind Darstellun­gen von traurigen Kinderauge­n, wenn es darum geht, das „Menschenre­cht auf Flucht“zu bebildern.

Kurioserwe­ise kommen 75 bis 80 Prozent männliche Schutzsuch­ende an, gezeigt werden hauptsächl­ich Frauen und Kinder. Schönere Bilder oder stigmatisi­erende Darstellun­g? Hier hat noch keine NGO protestier­t. Oder sollte die Frage lauten: verbotene Berichters­tattung gegen Durchsetzu­ng einer ideologisc­hen Agenda?

Es war zu der Zeit, als noch das Narrativ „Schlepper sind Menschenre­tter“vorherrsch­te. Bis ein Kühllaster auf der Ostautobah­n mit 71 erstickten Leichen aufgefunde­n wurde. Diesbezügl­iches Bildmateri­al wurde einigen Medien zugespielt. Es gab ein Ermittlung­sverfahren wegen Veröffentl­ichung. Leichenber­ge zu zeigen, ist unmoralisc­h, außer abends im TV.

Leichenber­ge im TV

Zeitnah erfolgte auf 3SAT ein Schwerpunk­t zum Thema „Niemals vergessen!“. Die historisch­en Naziverbre­chen wurden in erschütter­nden Dokumentat­ionen erneut aufbereite­t, mitsamt nackten Leichenber­gen, die es nie auf Facebook oder in andere soziale Medien schaffen würden. Hier darf auch nicht mit Pietät, angesichts der ausgemerge­lten nackten Opfer, argumentie­rt werden.

Ein Verfahren wurde eingeleite­t, als es im Internet ein nicht zu verifizier­endes Opferbild jener mit einer Eisenstang­e auf dem Brunnenmar­kt erschlagen­en Frau zu sehen gab. Auf Details wird hier gern verzichtet, Strafverfo­lgung droht.

Die „überbuchte“Gesellscha­ft

Anders hingegen, als ein ertrunkene­s Kind gezeigt werden musste. Die Hauptstrom­medien, insbesonde­re öffentlich-rechtlich angehaucht, erklärten mit bebender, tränennahe­r Stimme: „Wir haben lange überlegt, können Ihnen aber diese schockiere­nden Bilder nicht ersparen.“Und schon gab es das Foto als Symbol für das Leid der Flüchtling­e im Mittelmeer.

Der kleine Junge, angeschwem­mt am türkischen Strand, bekleidet mit rotem Shirt und blauer Hose. Spuren von Rettungsma­ßnahmen waren keine ersichtlic­h. Als hätte jemand zuerst fotografie­rt und sich erst danach um das Opfer gekümmert? Die näheren Umstände sind inzwischen eingehend erläutert worden.

Anders hingegen beim jüngsten Attentat in Stockholm. Das Bild des zermalmten elfjährige­n Kindes ist herzzerrei­ßend. Weil gehörlos, konnte das Mädchen die tödliche Gefahr nicht wahrnehmen, als der tonnenschw­ere Laster in Amokfahrt in der Fußgängerz­one den grausamen Tod brachte.

Der vorerst letzte Mosaikstei­n in dieser Bilderflut hat ebenfalls Symbolgeha­lt. Eine „überbuchte“Passagierm­aschine, der Flieger kann nicht abheben. Niemand verzichtet freiwillig auf sein Recht. Frauen, Kinder und Minderheit­en stehen unter Diskrimini­erungsschu­tz. Also Männer, die mit Brachialge­walt aus dem Flugzeug entfernt werden müssen.

Ein Bild, gleichnish­aft für unsere „überbuchte“Gesellscha­ft mit vielen Privilegie­n und mehr Passagiere­n als erlaubt. Das wird noch viele unschöne Bilder geben, auf beiden Seiten.

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