„Die Luft war draußen“
Tennis. Der Tiroler Gebhard Gritsch (60), acht Jahre Fitnesscoach von Novak Djokovi´c, über die Gründe der Trennung, die Krise des Superstars und Boris Beckers Vorahnung.
Die Presse: Wie Trainer Marian Vajda und Physiotheraupeut Miljan Amanovic gehören Sie nicht länger dem Betreuerteam von Novak Djokovic´ an. Eine einvernehmliche Entscheidung? Gebhard Gritsch: Im Prinzip waren wir alle davon überzeugt, dass die Luft draußen war. Man kann Erfolg nicht einfach erzwingen.
Was war ausschlaggebend? Der Bruchpunkt waren die French Open im Vorjahr. Novak hatte mit seinem ersten Sieg in Paris endlich dieses riesige Ziel erreicht, zudem hatte er alle vier Grand Slam gleichzeitig gehalten. Wenn du diesen Höhepunkt des Schaffens erklimmst, dann kommen der Stress und die Müdigkeit der vielen Jahre Arbeit erst richtig zum Vorschein. Das war nicht nur bei Novak, sondern bei seinem ganzen Team der Fall. Ab Paris fing es an, bergab zu gehen.
Hat Ex-Coach Boris Becker Ende 2016 diese Entwicklung geahnt? Ja, das hat er. Boris hatte den Riecher, die Situation zu erkennen. Bei Novak ging der Fokus auf Tennis verloren. Er hatte ja alles erreicht, mehr wollte er gar nicht. Und dann fragst du dich mit 29 Jahren: Was kommt als Nächstes? Wie soll die Zukunft aussehen?
Wie blicken Sie auf die Zusammenarbeit zurück? Für mich war es eine Riesenchance, mit einem unglaublich talentierten und intelligenten Sportler zu arbeiten. Die ersten zwei Jahre waren schwierig. Novak stand auf Position drei der Weltrangliste, es ging zunächst einmal nur darum, ihn in die richtige physische Verfassung zu bringen. 2011 gelang ihm dann der Durchbruch, bis dahin hatten Federer und Nadal ja alles beherrscht. Man darf nicht vergessen, wie lang Novaks Erfolgslauf angedauert hat. Es ist schwierig, die Nummer eins zu werden, aber noch schwieriger, die Nummer eins zu bleiben. Er hat den Sport über Jahre dominiert.
Wird Ihnen ein Spiel in besonderer Erinnerung bleiben? Das Australian-Open-Finale 2012 gegen Nadal (mit 5:53 Stunden das längste GrandSlam-Endspiel der Geschichte, Anm.). Wenn man nach zwei Turnierwochen ein Finale erreicht, dann ist man als Spieler und Betreuer ausgelaugt. Und dann sitzt man dort auf der Tribüne und beobachtet, wie die Qualität nach jedem Satz und jeder Stunde immer besser wird, wie Novak ausgerechnet Nadal auch körperlich niederringt. Das war seine Meisterleistung.
Glauben Sie, dass Djokovic´ noch einmal die Nummer eins wird? Ich bin davon überzeugt, dass er einen Weg finden wird, aber es wird nicht von heute auf morgen passieren. Die Form ist ja nicht so schlecht. Was ihm fehlt, ist dieses gewisse mentale Extra, das er früher hatte. Aber: Die nun getroffene Entscheidung wird ihm dabei helfen, sich zu refokussieren.
Welche Pläne verfolgen Sie nun? Jetzt brauche ich erst einmal etwas Freiheit. Ich werde es genießen, ein paar Wochen nichts zu tun, nicht zu reisen.
Reizt Sie denn ein Job in Österreichs Sport, etwa als Sommersportkoordinator oder Chef des IMSB, als der Sie seit einigen Monaten gehandelt werden? Natürlich ist das eine interessante Geschichte, aber in den letzten Monaten gab es diesbezüglich keinen Kontakt. Ich mache nur Dinge, die erfolgsversprechend sind, und bin nicht bereit, als Bürohengst herumzusitzen. Nach zwei solch desaströsen Sommerspielen muss jedoch auch die Politik erkannt haben, dass es einen Umbruch braucht.