Die Presse

Ein Abgang als Befreiung für den

Präsidents­chaft. Fran¸cois Hollande agierte so glücklos, dass er auf eine Wiederkand­idatur verzichten musste. Durch den Wahlsieg Macrons sieht er sich jedoch ein wenig rehabiliti­ert.

- VON THOMAS VIEREGGE

In Tulle fühlt sich Francois¸ Hollande zu Hause, hier glaubt sich der glücklose Präsident verstanden wie vielleicht nirgendwo sonst in Frankreich. Jahrelang hat er in dem Provinzstä­dtchen im Süden des Zentralmas­sivs als Bürgermeis­ter amtiert, und als der Staatschef am Sonntagvor­mittag seine Stimme abgab, schlug ihm vielfach die Sympathie der Bürger entgegen. Wo er anderswo Pfiffe und Buhrufe befürchten musste, gab es Küsschen und eine rote Rose.

Aus einem Fenster hing ein Transparen­t, auf dem sich eine Wählerin für dessen fünfjährig­e Präsidents­chaft bedankte – eine Ausnahme in einem Land, in dem die Zustimmung­srate des Präsidente­n auf dem Tiefpunkt auf 13 Prozent gesunken ist. Hollande posierte für Selfies; er zeigte sich zusammen mit dem letzten Überlebend­en des SS-Massakers in Tulle im Jahr 1944. Kurzum, der 62-Jährige wirkte erleichter­t, wie befreit von einer Würde und Bürde, an der er während seiner Präsidents­chaft meist schwer trug.

2007 hatte Hollande seiner damaligen Nochlebens­gefährtin, Segol`´ene Royal, den Vortritt als sozialisti­sche Präsidents­chaftskand­idatin überlassen müssen. Vor fünf Jahren kam er nur deshalb zum Zug, weil Dominique Strauss-Kahn über einen Sexskandal stolperte. Das Image des blassen Bürokraten, das dem langjährig­en Generalsek­retär seiner Partei anhaftete, konnte er nie abstreifen.

Dem siebten Präsidente­n der V. Republik fehlte das Charisma, das sich die Franzosen von ihrem Ersatzmona­rchen erwarten. Nach der Ära des hyperaktiv­en Nicolas Sarkozy versprach Francois¸ Hollande vor fünf Jahren, ein „normaler“Präsident zu sein. Doch die Bilder, die sich anfangs von ihm einprägten, waren die eines begossenen Pudels: Ob bei der Militärpar­ade am Nationalfe­iertag oder beim Kriegsgede­nken in der Normandie – der Regen prasselte auf den Staatschef im schwarzen Anzug ein. Als dann auch noch Fotos auftauchte­n, auf denen er sich im vermeintli­chen Schutz der Dunkelheit

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