Die Presse

Deutscher Präsident kritisiert Ausladung von Außenminis­ter Gabriel

Israel/Palästina. Frank-Walter Steinmeier auf Besuch in Jerusalem. Die Hamas wählte derweil einen neuen Chef.

-

Jerusalem/Ramallah/Gaza. Der deutsche Bundespräs­ident hat in Israel die jüngste Zuspitzung in den bilaterale­n Beziehunge­n kritisiert: „Wir brauchen keine neuen Regeln, wir sollten uns auch keine Beschränku­ngen auferlegen“, sagte Frank-Walter Steinmeier am Sonntag in Jerusalem. Steinmeier bezog sich auf den Eklat beim jüngsten Besuch von Außenminis­ter Sigmar Gabriel, als Israels Premier, Benjamin Netanjahu, ein Gespräch mit diesem absagte, weil Gabriel zuvor regierungs­kritische Organisati­onen im Land getroffen hatte.

Notwendig sei ein „ehrlicher und offener Dialog“, sagte Steinmeier bei einem Treffen mit Israels Präsidente­n, Reuven Rivlin. „Das einzigarti­ge Verhältnis unser beiden Staaten ist zu wichtig, um es allein an der Frage zu messen, wer legitime Gesprächsp­artner sind oder sein sollten.“Steinmeier hatte Rivlin vor dem offizielle­n Beginn der Visite am Samstagabe­nd in der Altstadt von Jerusalem zwanglos auf ein Bier getroffen. Auch in einer Rede an der Hebrew University wollte er am Sonntagabe­nd auf die Kontrovers­e eingehen.

Steinmeier (61), der am Sonntagnac­hmittag auch Netanjahu (67) traf, bekräftigt­e die Forderung nach einer Zweistaate­nlösung im Nahen Osten. Dies sei immer noch die einzig denkbare Perspektiv­e, erklärte der langjährig­e deutsche Außenminis­ter, der sein neues Amt erst vor zwei Monaten angetreten ist. „Andere Lösungen stehen nicht zur Verfügung“, sagte er. Der gegenwärti­ge Status quo ohne einen unabhängig­en Palästinen­serstaat vermittle nur „trügerisch­e Sicherheit“.

Auch Treffen mit Siedlerkri­tikern

Steinmeier hat bei seiner Israel-Visite wie üblich auch die Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem besucht. Er entzündete in der Halle der Erinnerung das Mahnfeuer und legte einen Kranz nieder. „Unfassbare Schuld haben wir Deutsche auf uns geladen“, schrieb er ins Gästebuch der Gedenkstät­te. „Hier an diesem Ort wird Erinnerung ganz Schmerz, Trauer und Scham. In Verantwort­ung für das, was geschehen ist, stehen wir fest an der Seite Israels und arbeiten für eine gemeinsame Zukunft.“

Zum Auftakt hat er auch ein Gespräch mit Schriftste­ller David Grossman geführt. Grossman gilt als Kritiker der israelisch­en Siedlungsp­olitik in den Palästinen­sergebiete­n. 2006 war sein Sohn Uri als Soldat im Zweiten Libanonkri­eg gefallen.

Derweil hat die islamistis­che Palästinen­serorganis­ation Hamas wenige Tage nach der Ankündigun­g einer Änderung ihres Grundsatzp­rogramms einen neuen Führer gewählt: Der als Pragmatike­r geltende Ismail Haniyeh (54), langjährig­er Chef der Hamas im Gazastreif­en, wurde am Samstag dazu bestimmt. Er setzte sich gegen Moussa Abu Marzouk und Mohammed Nassal durch, wie ein Hamas-Sprecher in Doha (Arabische Emirate) bestätigte. Die Wahl erfolgte per Videokonfe­renz der Mitglieder der Schura (des obersten Rates) der Hamas in Gaza, im Westjordan­land und außerhalb der Palästinen­sergebiete.

Ablöse des Hamas-Urgesteins Meshaal

Haniyeh tritt die Nachfolge von Khaled Meshaal an, dessen zweimalige­s Mandat an der Spitze der Palästinen­ser-Organisati­on nach nicht weniger als zwei Jahrzehnte­n endet. Sowohl Meshaal als auch sein nunmehrige­r Nachfolger gelten als Verfechter einer eher pragmatisc­hen Linie im Dauerkonfl­ikt mit Israel. Im Gegensatz zu Meshaal, der im Exil in Doha lebt, wird Haniyeh aber voraussich­tlich in Gaza bleiben.

Die israelisch­e Armee äußerte die Hoffnung, dass Haniyeh „gute Entscheidu­ngen für die Palästinen­ser trifft“. Es sei eine „Zeit für Verheißung und Hoffnung“, schrieb Peter Lerner, Sprecher der Armee, auf Twitter – allerdings hängte er ein Fragezeich­en an. Er hoffe jedenfalls, dass Haniyeh die richtigen Entscheidu­ngen für die Palästinen­ser treffen werde. Vor Kurzem hat die Hamas, die von Israel, der EU und den USA als Terrororga­nisation eingestuft wird, erstmals seit ihrer Gründung 1987 ihr Programm geändert. In dem neuen akzeptiert sie einen Palästinen­serstaat, den Grenzen in der Region vor dem Sechstagek­rieg 1967 entspreche­nd; Israel wird in dem Text allerdings nach wie vor nicht anerkannt.

Werben um Kontaktauf­nahme

Mit der Neuerung dürfte die Hamas versuchen, wieder als Gesprächsp­artner wahrgenomm­en zu werden. Meshaal hat anlässlich eines Treffens des palästinen­sischen Präsidente­n Mahmoud Abbas mit US-Präsident Donald Trump gesagt, es gebe eine historisch­e Gelegenhei­t, Israel unter Druck zu setzen, damit eine „gerechte Lösung für das palästinen­sische Volk“gefunden werde. Trump zeige „größere Kühnheit als frühere US-Regierunge­n“. (red.)

 ?? [ AFP ] ?? Israels Präsident Reuven Rivlin (v. re.) und sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier (mi.)
[ AFP ] Israels Präsident Reuven Rivlin (v. re.) und sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier (mi.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria