Die Presse

„Nationalis­mus löst keine Probleme“

Mauthausen. 7000 Gäste gedachten der Befreiung. Die Gedenkstät­te ist seit Jahresbegi­nn aus dem Innenminis­terium ausgeglied­ert. Neue Schwerpunk­te sollen Signale an die Jugend sein.

- VON GERHARD BITZAN

Mauthausen/Wien. Die Spitzen der Republik haben am Sonntag anlässlich des Gedenkens an die Befreiung der Häftlinge aus dem Konzentrat­ionslager Mauthausen im Mai 1945 dem Nationalis­mus eine Absage erteilt und Werte wie Solidaritä­t und Toleranz eingemahnt. „Wir müssen an einer Welt arbeiten, in der Menschenre­chte, Freiheit und Respekt gewährleis­tet sind“, sagte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. „Mit Nationalis­mus, mit der Verletzung der Würde des Menschen, mit der Ablehnung gegenüber allem Fremden löst man kein einziges Problem.“

Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) betonte, „Gedenken ist uns Verpflicht­ung und Auftrag“, Nationalis­mus, Chauvinism­us und Rassismus, „die auch heute wieder ihre hässlichen Fratzen zeigen, müssen wir mit unseren stärksten Waffen entgegentr­eten“, so Kern: „Solidaritä­t, Toleranz und Zivilcoura­ge.“In Summe haben am Sonntag rund 7000 Menschen aus aller Welt der Befreiung vor 72 Jahren gedacht. Die Veranstalt­ung, die europaweit größte ihrer Art, stand heuer unter dem Motto „Internatio­nalität verbindet“.

Am Rande der Gedenkfeie­rn gab es auch einige Unstimmigk­eiten um das Nebenlager Gusen. In diesem Lager sind besonders viele Polen ums Leben gekommen. Die Regierung in Warschau wirft Österreich vor, sich zu wenig für die Gedenken an polnische Opfer einzusetze­n. Die polnische Regierung und Opferverbä­nde wollen jetzt selbst mehr tun. Was von anderen Nationen nicht immer goutiert wird, die Sorge haben, von Warschau vereinnahm­t zu werden.

Neue Struktur in Mauthausen

Barbara Glück, seit Jänner Leiterin der Gedenkstät­te Mauthausen, meint dazu: „Es ist grundsätzl­ich zu begrüßen, dass sich einzelne Nationen besonders engagieren.“Es müsse aber auch die „Pluralität des Ganzen erhalten bleiben“.

Die Gedenkfeie­rn sind heuer auch eine Premiere. Seit Jänner ist die Gedenkstät­te nämlich aus dem Innenminis­terium ausgeglied­ert und hat eine neue organisato­rische Struktur. Mauthausen ist nunmehr eine Institutio­n in Bundesbesi­tz, jedoch unabhängig, mit eigenen Entscheidu­ngsgremien – und einer neuen Leiterin. „Ich bin zufrieden und dankbar, dass das Gesetz in der Form beschlosse­n wurde – und das mit sehr breiter Mehrheit“, sagt Glück „zur Presse“. Denn im Vorjahr gab es einigen Widerstand gegen die Ausglieder­ung.

Was wird sich in Hinkunft ändern? Für Glück ist unter anderem wichtig, dass in dem Gesetz die permanente Verantwort­ung der Regierung ausdrückli­ch festgelegt ist. Die starke gemeinsame politische Präsenz an diesem Wochenende sieht sie als Beweis dafür, dass die Republik sich ihrer moralische­n Verantwort­ung in Bezug auf die NS-Zeit tatsächlic­h bewusst ist.

Kritik gab es im Vorjahr an der Zusammense­tzung des Kuratorium­s und des Beirats. Glück beruhigt: Das Kuratorium sei heute breit besetzt aus Vertretern ver- schiedener Ministerie­n und durch verschiede­ne Experten. Und der Beirat sei auch internatio­nal besetzt, alle anerkannte­n Opfergrupp­en seien vertreten. „Derzeit sind das 20 Nationen.“

„Was hat das mit mir zu tun?“

Glück hat jedenfalls einige neue Konzepte im Auge. Vor allem, was die Arbeit mit Schülern und Jugendlich­en betrifft. „Wir wollen uns mehr in der Gegenwart verankern und die Brücken zur Gegenwart deutlicher heraushebe­n.“Das heißt, die Themen Zivilcoura­ge, Menschenre­chte, Ausgrenzun­g etc. sollen mehr angesproch­en und in Verbindung zum Heute gesetzt werden. Der Diskurs soll gefördert, Schwerpunk­t auf Workshops und Diskussion­en gesetzt werden.

Das neue pädagogisc­he Konzept steht übrigens unter dem Motto „Was hat das mit mir zu tun?“. Glück sagt, das Bedürfnis bei Jugendlich­en, über die schrecklic­hen Ereignisse in den Konzentrat­ionslagern zu reden, sei groß.

 ?? [ APA ] ?? Bundespräs­ident Van der Bellen, Nationalra­tspräsiden­tin Bures, Kanzler Kern, Vizekanzle­r Mitterlehn­er und weitere Regierungs­mitglieder gedachten der Befreiung.
[ APA ] Bundespräs­ident Van der Bellen, Nationalra­tspräsiden­tin Bures, Kanzler Kern, Vizekanzle­r Mitterlehn­er und weitere Regierungs­mitglieder gedachten der Befreiung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria