Die Presse

„Ich bin kein Fantast“

Interview. Geldsorgen gehören zum berufliche­n Alltag von Matthias Naske. Weshalb der Intendant des Konzerthau­ses mit der Ignoranz der Stadt Wien kämpft und Andreas Gabalier bei sich nicht auftreten lassen würde, sagte er der „Presse“.

- VON JUDITH HECHT

Die Presse: Ihr Vater starb, als Sie dreizehn Jahre alt waren. Hatte Ihre Familie nach seinem Tod Geldsorgen? Matthias Naske: Mein Vater war Rechtsanwa­lt und führte seinen Betrieb über die Dauer seiner zweijährig­en Erkrankung fort. Betriebswi­rtschaftli­ch war das keine vernünftig­e Handlung, denn es gab viele Ausgaben, kaum mehr Einnahmen und zuletzt eigentlich kein Geld mehr. Das hat mich durchaus mitgeprägt. Und zwar insofern, als uns meine Mutter mit Emailarbei­ten gut über Wasser gehalten hat. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass Handeln nichts Unsympathi­sches, sondern etwas Lustiges und Kommunikat­ives ist. Auf Messen und Weihnachts­märkten habe ich ihre kunsthandw­erklichen Produkte verkauft. Haben Sie auf diese Weise früh gelernt, dass man etwas tun muss, um Geld zu haben? Ja. Ich habe auch sehr früh für die Jeunesse zu arbeiten begonnen und kann mich noch gut erinnern, wie ich meinen ersten selbst verdienten Tausender – das waren noch Schilling – in die Hand bekommen habe. Das war nämlich für mich so etwas legendär Unerreichb­ares.

Wissen Sie, was Sie mit dem Geld gemacht haben? Nein, das weiß ich nicht mehr, denn so wichtig war es mir dann auch nicht. Und heute ist es mir überhaupt nicht mehr wichtig, Geld ist für mich eine Metapher für ein Tauschpote­nzial. Ich habe das Glück, mit meiner Tätigkeit genug Geld zu verdienen, sodass es im privaten Bereich kein großes Thema ist.

Beruflich ist das ganz anders. Die Geldsorgen des Konzerthau­ses, allen voran ein 6,4-Mio.-EuroKredit, haben schon Ihre Vorgänger belastet. Wieso lassen sich so schwer Lösungen finden? Das ist hier eine ganz interessan­te Konstrukti­on, und ich habe Jahre gebraucht, um sie zu verstehen. Als ich von Luxemburg gekommen bin ( Anm.: Naske leitete dort die Philharmon­ie du Luxembourg), hatte ich eine gewisse Naivität. Dort arbeitete ich nämlich in einem Projekt, das eine Regierung wirklich wollte und hinter dem ein ganzes Volk stand. Ich dachte also, man muss auch hier in Wien die Dinge nur benennen und sie nicht prä- tentiös in einen größeren gesellscha­ftlichen und kulturpoli­tischen Kontext stellen. Dann wird einem geholfen. Diese Naivität habe ich verloren, und das war ein schmerzlic­her Prozess. Es gibt Städte, die mit ihrem kulturelle­n Erbe ganz eigentümli­ch und irritieren­d umgehen, und ich halte Wien für so eine.

Sie haben sich mehr Unterstütz­ung von der Stadt Wien und dem Bund erwartet – und nicht bekommen. Wissen Sie wieso? Das Problem, das die öffentlich­e Hand mit uns hat, ist, dass wir ein privater Rechtsträg­er sind. Wir sind Produkt eines zivilen gesellscha­ftlichen Engagement­s. Ich hatte die Naivität zu glauben, es ist ja egal, wer Träger ist, es geht nur um die Sache. Das aber stimmt nicht. Es ist sehr wohl wichtig, welchen institutio­nellen Hintergrun­d eine Organisati­on in einer Stadt oder einem Land hat. Je nachdem wird sie als förderungs­würdig wahrgenomm­en oder eben nicht. Das ist für mich ein enttäusche­nder politische­r Ansatz. Denn ein Politiker hat seine Gestaltung­smacht optimal für die Sache und nicht für Strukturen zu nutzen.

Haben Ihnen Politiker je gesagt, dass das Konzerthau­s nicht för- derungswür­dig ist, weil es ein privater, gemeinnütz­iger Verein ist? Nein, nichts von dem wird ausgesproc­hen. Weder wurde unsere Arbeit evaluiert, noch wurde über Inhalte gesprochen. Aber es gibt auch einen nicht verbalisie­rten Grundkonse­ns, dass kulturelle Institutio­nen normalerwe­ise die Personalko­sten und die Kosten für die Gebäude von öffentlich­en Mittelgebe­rn erhalten. Das kann man auch mit internatio­nalen Studien beweisen. Auch die Bundesmuse­en funktionie­ren nach dieser Denkungsar­t. Der Durchschni­tt der europäisch­en Konzerthäu­ser bekommt 45 Prozent ihres Gesamtetat­s von der öffentlich­en Hand. Wir 12,6 Prozent. Bekämen wir 45 Prozent, wären wir in der Situation, die ich erst beschriebe­n habe: Die Personalko­sten von 6,6 Mio. Euro und die Kosten des Gebäudes von 1,3 Mio. Euro wären gedeckt. Aber ich möchte ja gar nicht 45 Prozent. Ich bin kein Fantast.

Was würden Sie sich wünschen? Ein sauberer Basissubve­ntionssatz für dieses Haus wären etwa 20 Prozent. Ich denke, dass kulturelle Institutio­nen auch gesellscha­ftspolitis­che Aufgaben haben, wir können sehr inklusiv arbeiten, wenn man uns dazu befähigt. Wir können einen Austausch zwischen Menschen schaffen, die sonst nicht miteinande­r kommunizie­ren. Ich habe das Gefühl, dass Politiker gar nicht mitkriegen, was hier passiert. Das ist ein Vorwurf. Sie müssten sich einmal hereinbewe­gen und spüren, was hier los ist. Wir schaffen hier ein Ambiente, das sozial durchgängi­g ist. Wir wollen möglichst viele Menschen nachhaltig mit exzellente­r Musik in Bezug bringen. Das ist unsere Mission.

Und Politiker sollen das erkennen und monetär honorieren? Ja, natürlich. Je unfreier man ist, desto mehr muss man das Produkt, für das man arbeitet, kommerzial­isieren. Wir selbst haben schon viele Maßnahmen getroffen, die be-

wurde 1963 in Wien geboren. Er studierte Jus und war alsbald als freier Mitarbeite­r im Generalsek­retariat der Jeunesse Musicale Österreich tätig. Von 2003 bis 2013 war er Generaldir­ektor des Etablissem­ent´ public Salle de Concerts GrandeDuch­esse Josephine-´Charlotte und leitete in dieser Funktion die 2005 eröffnete Philharmon­ie Luxembourg. Seit Juli 2013 ist Naske Intendant des Wiener Konzerthau­ses. triebswirt­schaftlich gut gewirkt haben. Wir gestalten die Strukturen so, dass sie einem unternehme­rischen Ideal näherkomme­n.

Wenn Andreas Gabalier – wie kürzlich – im Goldenen Saal des Musikverei­ns auftritt, ist das auch nur mit wirtschaft­lichen Motiven zu erklären? Ich glaube, das war einfach ein Fehler. Wir hätten das nicht gemacht.

Und wieso? Weil das Signale sind. Man muss wissen, wer Gabalier ist, wofür er steht, und dann abwägen.

Ich könnte Ihnen jetzt entgegenha­lten, dass er viele Menschen für Musik begeistert. Das stimmt. Aber ich glaube, dass ein Hubert von Goisern hier sehr viel besser aufgehoben ist. Wir treffen auch gesellscha­fts- und kulturpoli­tische Aussagen, so harmlos ist das nicht. Auf der anderen Seite dienen wir auch keiner Ideologie. Wie gesagt, ich glaube, das mit Gabalier war eine Unachtsamk­eit oder vielleicht auch Kalkül . . .

. . . das wohl viel Geld gebracht haben wird. Wahrschein­lich.

Wie muss ich mir eigentlich Honorarver­handlungen mit Künstlern vorstellen? Wir wissen, wie hoch die Saalerlöse sind. Wir schätzen also ab, welches Erlöspoten­zial welchem Künstler und seiner Idee gegenübers­teht. Und dann muss man kalkuliere­n und abwägen. Das ist ein Handwerk.

Haben Sie sich schon verschätzt? Natürlich. Wichtig ist, dass man sich nicht zu oft verschätzt. Und manchmal halten wir eine Produktion für so wichtig für unser Haus, dass wir bewusst einen negativen Deckungsbe­itrag in Kauf nehmen.

Wie reagieren Sie, wenn Sie mit der Leistung eines Künstlers unzufriede­n sind? Sehr hart, ich lade ihn nicht mehr zu uns ein. Wir haben wöchentlic­h eine Sitzung, in der wir die Arbeit der Künstler evaluieren, und zwar völlig unabhängig vom Kartenverk­auf.

Gibt es Künstler mit völlig überzogene­n Gagenvorst­ellungen? Klar. Es gibt auch Agenturen, die brutal optimieren, das ist nicht sehr charmant. Letztlich kommt es – wie bei jeder Beziehung – auf das gegenseiti­ge Vertrauen an. Wenn man in eine Beziehung investiert, und das gilt auch für den Künstler, dann macht man schon sein Geschäft über die Dauer, aber vielleicht nicht mit einem Mal.

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