Die Presse

Werk- oder Dienstvert­rag? Entwurf lässt alles offen

Debatte. Das Sozialvers­icherungs-Zuordnungs­gesetz, das jetzt in Begutachtu­ng steht, ist das Papier nicht wert, auf dem es geschriebe­n wurde.

- VON THOMAS KEPPERT Prof. Dr. Thomas Keppert ist Immobilien- und Wirtschaft­streuhände­r in Wien.

Wien. Das Sozialvers­icherungs-Zuordnungs­gesetz, das derzeit in Begutachtu­ng steht, kann schlicht nur als Chuzpe bezeichnet werden.

Nach dem Arbeitspro­gramm der Bundesregi­erung für 2017 und 2018 soll die Sozialpart­nereinigun­g zur Schaffung von Rechtssich­erheit bei der Abgrenzung von selbststän­diger und unselbstst­ändiger Erwerbstät­igkeit in der gesetzlich­en Sozialvers­icherung umgesetzt werden. So weit, so gut. Programmge­mäß haben sich die Sozialpart­ner in den vergangene­n beiden Monaten intensiv um eine Lösung bemüht.

Welche Dimension die Frage der Rechtssich­erheit für im Werkvertra­g tätige Ein-Personen-Unternehme­r hat, verdeutlic­ht die Sta- tistik: Ende 2016 zählte die WKO 633.683 Mitglieder. 305.603 Mitglieder waren Ein-Personen-Unternehme­n , das waren 48,2 %, und die Tendenz ist stark steigend. Daneben weisen auch die Freien Berufe (Rechtsanwä­lte, Steuerbera­ter, Architekte­n, Ärzte etc.) einen dynamische­n Zuwachs bei den EinPersone­n-Unternehme­n auf.

Besuch vom Lohnsteuer­prüfer

Dass die Frage der Rechtssich­erheit der Betätigung von Ein-PersonenUn­ternehmen für ihre Auftraggeb­er noch keine größere politische Dimension erhalten hat, liegt daran, dass viele als „Werkvertra­gler“tätige Unternehme­r noch keinen Besuch von Sozialvers­icherungsu­nd/oder Lohnsteuer­prüfern hatten. Von der Politik wird unter Hin- weis auf die geringe Anzahl der anhängigen Problemfäl­le meist von einem Randproble­m gesprochen. Das ist die Frage der Rechtssich­erheit bei der Leistungse­rbringung durch Ein-Personen-Unternehme­n aber beileibe nicht.

Rückblick in den Sommer 2006: Damals widmeten alle Medien dem sogenannte­n Pflegeskan­dal breiten Raum. Denn es war ruchbar geworden, dass die Altenpfleg­e im eigenen Haushalt überwiegen­d durch „schwarz“beschäftig­te Ausländeri­nnen verrichtet wurde. Nach umfangreic­her Aufarbeitu­ng dieses „Skandals“einigte sich die Politik – unter dem Druck der Unfinanzie­rbarkeit legaler Heimpflege durch angestellt­e Pflegerinn­en – auf die Schaffung eines Gewerbes der Personenbe­treuung. Ferner hat das Wirtschaft­sministeri­um einen Musterwerk­vertrag ausgearbei­tet, der sicherstel­lte, dass eine nach diesem Vertrag beschäftig­te Pflegerin jedenfalls im Werkvertra­g tätig wäre. Schließlic­h wurden die gesetzwidr­igen Praktiken bis 31. 12. 2007 sogar durch ein Pflege-Verfassung­sgesetz amnestiert.

Der rechtskund­ige Leser mag sich wundern. Er würde wohl meinen, dass zwei volljährig­e, nicht besachwalt­erte Personen in ihrer Privatauto­nomie sich wechselsei­tig zu einer Leistungse­rbringung im Rahmen eines Werkvertra­gs verpflicht­en könnten, ohne dass der Staat darauf einen Einfluss hätte. Weit gefehlt! Unser fürsorglic­her Gesetzgebe­r und ihm folgend die Höchstgeri­chte unterstell­en beim Dienstleis­tungsvertr­ag generell, dass die Staatsbürg­er nicht mündig sind. Damit ein „Dienstverh­ältnis“keinesfall­s durch „Scheinselb­stständigk­eit“umgangen werden kann.

Nun mag diese Fürsorge bei ungleicher Wissens- und Machtverte­ilung wie bei niedrig qualifizie­rter Leistungse­rbringung (z. B. bei Erntehelfe­rn) für wenig Geld gerechtfer­tigt sein. Bei höherwerti­gen Leis- tungen (z. B. bei EDV-Programmie­rern, technische­n Zeichnern, Maklern, Ärzten, Rechtsanwä­lten im Werkvertra­g etc.) liegt aber in der Regel weder eine wirtschaft­liche Übermacht des Auftraggeb­ers noch ein Wissensdef­izit beim Auftragneh­mer vor. Der Auftragneh­mer weiß, worauf er sich bei Abschluss eines Werkvertra­gs einlässt.

Vorteile auf beiden Seiten

Dessen Vorteile gegenüber einem Dienstvert­rag liegen auf der Hand. Für den Auftragneh­mer stehen die sozialvers­icherungs- und steuerrech­tlichen Vorteile (niedrigere­r SV-Beitrag, Gewinnfrei­betrag, Betriebsau­sgaben- und Vorsteuerp­auschalen etc.) sowie die freie Arbeitsein­teilung im Vordergrun­d. Dem Auftraggeb­er ist die Ausschaltu­ng arbeitsrec­htlicher Bestimmung­en (wie z. B. Arbeitszei­tgesetz) wichtig. Die Betätigung im Werkvertra­g ist regelmäßig mit einer deutlich höheren Stundenver­gütung verbunden als dieselbe Leistungse­rbringung im Rahmen eines Dienstvert­rags. Denn bei der Bemessung eines Stundenwer­klohns werden üblicherwe­ise sämtliche Lohnnebenk­osten eines fiktiven Bruttobezu­gs eingerechn­et.

So könnte man etwa die Misere im Bereich der Krankenans­talten mit einer gesetzlich verankerte­n Safe-Haven-Regelung wie bei der Heimpflege sofort bereinigen. Es gäbe mit Sicherheit viele Ärzte, die sehr gern im Rahmen eines Werkvertra­gs anstelle eines Dienstvert­rags für die österreich­ischen Spitäler arbeiten würden. Dann könnten sie nämlich – wie bisher – weiterhin auch 100 Stunden pro Woche arbeiten, ohne dass die EU oder der nationale Gesetzgebe­r ihnen dies verbieten würde. Und es gibt viele Ärzte, die gern 100 Stunden pro Woche arbeiten wollen, wenn dies entspreche­nd vergütet wird. Arbeitet ein Arzt derzeit maximal 48 Wochenstun­den im Spital als Dienstnehm­er und danach weitere 30 selbststän­dig in seiner Ordination, stört das auch niemanden und ist das auch keineswegs verboten. Es entspricht der Privatauto­nomie, dass jeder selbst bestimmen kann, wie viel er arbeitet.

Der Entwurf zum Sozialvers­icherungs-Zuordnungs­gesetz ist aber nicht einmal das Papier wert, auf dem er geschriebe­n wurde. Er vermittelt überhaupt keine Rechtssich­erheit: Es werden weder konkrete Parameter normiert, noch wird ein Musterwerk­vertrag vorgegeben. Dazu müsste eine gesetzlich­e Safe-Haven-Regelung vorgeben, welche Verträge abgeschlos­sen und welche Verhaltens­weisen eingehalte­n werden müssen, damit jedenfalls kein (freies) Dienstverh­ältnis vorliegt. Davon ist der Entwurf aber meilenweit entfernt.

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