Das schwere Lachen über die Migration
Kino. Der französische Film „Alles unter Kontrolle“zeigt, wie sehr der Versuch, Flucht und Migration als Komödienstoff zu nutzen, danebengehen kann. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wie Aki Kaurismäki oder Charlie Chaplin.
Ist es falsch, im Kino über eine Migrationsgeschichte zu lachen? Nicht falsch, aber schwierig, möchte man antworten, wenn man den neuen französischen Film „Alles unter Kontrolle“gesehen hat. Ein Algerier wird dort für einen Afghanen gehalten und von zwei Polizisten mit dem Flugzeug in die vermeintliche Heimat befördert – wo die pflichtgemäße Erledigung des Auftrags einfach nicht gelingen will. „Alles unter Kontrolle“funktioniert nach einem seit Jahrzehnten inflationär eingesetzten Komödienmuster: Zwei Menschen von höchst unterschiedlichem Charakter und oft auch sozialem Stand – hier der Illegale Karzaoui und der Grenzpolizist Jose´ – finden sich metaphorisch oder manchmal sogar buchstäblich aneinandergekettet, fluchen zunächst übereinander, um einander schließlich doch sympathisch zu werden. Hier der liebenswert clowneske Illegale, dort der über private und berufliche Malheurs stolpernde Polizist.
Der Film beginnt noch mit humoristischem Hoffnungsschimmer, als Karzaoui für eine Tat verhaftet wird, die angeblich nicht er, sondern der begangen hat, dem er die Papiere geklaut hat. Später im Flugzeug nach Kabul lässt er einen Papiersack platzen und ruft: „Ich bin der Cousin von Bin Laden!“– die Reaktionen der Passagiere sind zumindest zum Schmunzeln. Aber in rasendem Tempo rutscht „Alles unter Kontrolle“rasch in unfassbar läppischen Slapstick ab.
Optimistisch muss nicht naiv heißen
Manche werden finden, dass man über das Thema Abschiebung überhaupt keine Komödien machen soll. Aber richtig eingesetzt, kann das Lachen gesellschaftliche Probleme für die kurze Zeit eines Kinobesuchs beseitigen oder vielleicht ein wenig lösbarer erscheinen lassen. Was in Zeiten grassierenden Katastrophendenkens nicht das Schlechteste ist. Die Komödie ist ein optimistisches Genre. Gerade beim Thema Migration ist sie allerdings besonders heikel. Nicht nur wegen des Lachens selbst, sondern auch wegen dessen Ursache: Stereotype sind eine der wichtigsten Quellen des Lachens in der Komödie – also zugleich genau das, was den Umgang von Migranten mit „Einheimischen“(und umgekehrt) so schwierig macht.
Auch deswegen sind Migrationskomödien so schwierig. Dennoch gibt es gute, ja ausgezeichnete Ausnahmen; sie machen das Thema Flucht auffallend oft an Jugendlichen und Kindern fest – und haben es wohl auch dadurch leichter. Die jüngste bekam heuer bei der Berlinale den Silbernen Bären und war kürzlich in den österreichischen Kinos zu sehen: Aki Kaurismäkis Film „Die andere Seite der Hoffnung“kreuzt die Wege eines finnischen Handelsvertreters und eines syrischen Flüchtlings.
Der Film spielt in Helsinki, einen anderen Flüchtlingsfilm ließ Kaurismäki aber bereits in Frankreich spielen. „Le Havre“(2011) ist die vielleicht beste in Frankreich spielende Flüchtlingskomödie. Ein ehemaliger Bohemien´ und nunmehriger Schuhputzer nimmt einen aus Gabun geflüchteten Buben, der unter der Brücke schläft, bei sich auf und hilft ihm, zu seiner Mutter nach London zu gelangen. Französischen Filmemachern beziehungsweise solchen aus den ehemaligen Kolonien sind ebenfalls Migrationskomödien gelungen, die auch einen Eindruck von Frankreichs langer Geschichte als Einwanderungsland machen. „Michou d’Auber“mit Gerard´ Depardieu etwa, der vor zehn Jahren in den Kinos lief, erzählt vom neunjährigen Messaoud, der 1960, während des Algerien-Kriegs, in eine Pflegefamilie kommt – ohne dass sein vom Indochina-Krieg geprägter, rassistisch gefärbter Pflegevater von seiner Herkunft weiß.
„The Immigrant“: Migration als Drama
Viel leichter als gute Migrationskomödien findet man gute Migrationsdramen. Ein jüngeres Beispiel dafür, „The Immigrant“von James Gray (2013), floppte an den US-Kinokassen und kam gar nicht in die österreichischen Kinos, vielleicht einfach, weil er in sei- ner Ernsthaftigkeit zu „uncool“war. Marion Cotillard spielt darin die Polin Ewa, die 1921 gemeinsam mit ihrer Schwester aus Polen nach New York auswandert und in die Hände eines Zuhälters (Joaquin Phoenix) gerät.
Um die Jahrhundertwende angesiedelt ist Bille Augusts Vater-Sohn-Geschichte „Pelle der Eroberer“, die 1988 in Cannes die Goldene Palme erhalten hat. Ein bereits älterer schwedischer Witwer (grandios wie stets: Max von Sydow) und sein achtjähriger Sohn, Pelle, versuchen, auf einer dänischen Insel als Landarbeiter unterzukommen.
Charlie Chaplins „Der Einwanderer“(1917) zeigt Chaplin auf dem Schiff nach und dann in New York. Je schlimmer die Dinge, die er zeigt – die unbeholfenen Überlebensversuche auf unbekanntem Terrain –, desto komischer wird der Film, ohne dass allerdings die tragische Note darin untergeht. Diese Kunst ist selten, im Migrationskino und überhaupt.