Die Presse

Klassikkar­ussell mit immer weniger Pferdchen

Musikveran­stalter, die heutzutage Spielpläne anbieten, die nicht uniform aussehen, sind zu bewundern. Ob Kissin, Sokolov, Schiff oder Mutter: Sie alle spielen allüberall dasselbe . . .

- E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Wer da meint, Klassikver­anstalter hätten ein schönes Leben, denn sie müssten nur in den großen Topf greifen, die wichtigste­n Musikerper­sönlichkei­ten einladen und ihnen dann die Gage auszahlen, der irrt gewaltig. Natürlich ist es eine Frage des Geldes – wer sich einen Pianisten wie Lang Lang leisten möchte und die nötigen finanziell­en Reserven hat, der kann ihn auch engagieren.

Dass er sich aussuchen kann, was Lang Lang an dem Abend, für den man ihn unter Vertrag genommen hat, spielen wird, ist schon ein frommer Wunsch. Und das gilt nicht nur für den gesuchten Klassiksta­r aus China. Das gilt mittlerwei­le für nahezu sämtliche Klassikint­erpreten. Das Bei- spiel von Solisten wie Alfred Brendel hat längst Schule gemacht: Die Damen und Herren studieren ein Programm ein, das sie dann während einiger Monate anzubieten haben.

Wer etwas anderes von ihnen hören möchte, muss abwarten, ob das von ihm gewünschte Werk irgendwann einmal zufällig auf dem Menüplan steht. Ganz abgesehen von der Frage, ob den Musikern das nicht einmal zu langweilig werden muss, wochenlang immer dasselbe zu spielen: Das Argument, dass dann eben die Qualität stimme, zieht nicht.

Denken wir an die Virtuosen früherer Zeiten, um nur ein Beispiel zu nennen, an Serge Rachmanino­w, der ja nicht nur ein wunderbare­r Komponist war, sondern auch einer der gesuchtest­en Pianisten seiner Ära: Er hat auf seiner legendären USA-Tournee in jeder Stadt ein anderes Programm gespielt – und war bestimmt zumindest kein Jota „schlechter“als etwa Jewgeni Kissin oder Grigory Sokolov, um zwei gesuchte Interprete­n unserer Tage ins Spiel zu bringen. Selbst wenn die Salzburger Festspiele rufen, müssen sie froh sein, wenn sie dasselbe Programm geliefert bekommen wie die Festivals, die davor und danach in den Kalendern der Vielgelieb­ten stehen. Dasselbe gilt für eine Geigerin wie Anne Sophie Mutter in Lübeck am 20., in Gstaad am 24. oder in Salzburg am 26. August.

Andras´ Schiff etwa beendete gestern Vormittag im Konzerthau­s seinen Bach-Schumann-Bartok´ und -Jana-´ cek-ˇZyklus, der deckungsgl­eich bei den Festspiele­n zu hören sein wird. Vorbei die Zeiten, in denen sogar große Orchester für Salzburg eigene Programme einstudier­ten. Es war übrigens einst die Salzburger Galionsfig­ur Herbert von Karajan, die derartige Mehrfachve­rwertungen sogar für Opernprodu­ktionen anregte!

Intendante­n sind zu bewundern, wenn es ihnen gelingt, trotzdem spannende Programme anzubieten.

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VON WILHELM SINKOVICZ

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