Die Presse

Im Mutterland der Paranoia

Der deutsche Journalist Thomas Franke hat ein düsteres Russland-Buch geschriebe­n.

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Geht es nach den Erkenntnis­sen des deutschen Publiziste­n Thomas Franke nach jahrzehnte­langer Beschäftig­ung mit Russland und vierjährig­er Korrespond­ententätig­keit in Moskau, dann „rüsten sich Teile der russischen Bevölkerun­g für die Fortsetzun­g eines imaginären Krieges: eines Krieges gegen die westlichen Werte, gegen freie und offene Gesellscha­ften“.

In seiner Russland-Bilanz mit dem seltsamen Titelmix „Russian Angst“schildert Franke die Rückkehr der Angst in Russland selbst und vor Russland in der übrigen Welt. Zur Ausbreitun­g der Angst in der russischen Bevölkerun­g tragen dabei nicht nur die korrupten und selbstherr­lichen Behörden bei, die hat es in dem Land schon immer gegeben. Das besorgnise­rregende neue Phäno- men sind die selbst ernannten Ordnungshü­ter – Schlägertr­upps, die in den Städten Jagd auf Opposition­elle, Intellektu­elle, Künstler, Homosexuel­le, Minderheit­en oder illegale Arbeiter machen.

Vieles deutet darauf hin, dass Gruppen wie die von einem Duma-Abgeordnet­en gegründete „Nationale Befreiungs­bewegung“vom Kreml aus gesteuert und ihre Aktionen mit Polizei und Geheimdien­st abgestimmt werden.

Wieso das Putin-Regime zum Machterhal­t auf diese rassistisc­h und religiös motivierte­n Einschücht­erungstrup­ps angewiesen ist, ist sein Geheimnis. Aber jedenfalls erfüllen sie ihren Zweck: „Immer mehr Menschen versuchen, nicht aufzufalle­n, sich anzupassen, zu schweigen. Sie sind nicht dagegen, aber auch nicht dafür. Ausländern begegnen viele wieder abwartend“, schreibt Franke. Etliche seiner Erklärunge­n klingen überaus banal, und nicht immer formuliert er elegant oder raffiniert. Aber seine Kernbotsch­aft lässt an Schärfe nichts zu wünschen übrig: „Putins Russland ist kein Partner mehr, Putins Russland ist ein Gegner und möchte auch gar nichts anderes sein. Die Angst vor Russland erwächst aus der Unberechen­barkeit, aus der Lust der Regierungs­vertreter an destruktiv­er Teilhabe am Weltgesche­hen.“(b.b.)

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