Die Presse

Erdöl: Woche W hd der Entscheidu­ng

Energie. Die Wirtschaft braucht Öl als ihr Schmiermit­tel, seinen Preis hat sie immer im Visier – aber schon lang nicht mehr so stark wie zurzeit. Diese Woche sollte auch für Anleger klarer werden, ob sich ölnahe Investitio­nen künftig lohnen.

- VON EDUARD STEINER

Lohnen sich erdölnahe Investitio­nen? Das sollte bald klarer werden.

Wien. Was waren das für Zeiten! Als die Wirtschaft und die Rohstoffbr­anchen noch darüber räsonierte­n, wann und wie schnell der Ölpreis sich von seinem katastroph­alen Absturz seit Mitte 2014 wieder erholen und über die Marke von über 100 Dollar je Fass zurückkehr­en würde. Selbst allenthalb­en geäußerte Hoffnungen auf Notierunge­n im zumindest hohen zweistelli­gen Bereich liegen gerade einmal ein gutes Jahr zurück. Und dennoch ist das alles längst Schnee von gestern. Heute gilt schon als Exot, wer einen Preis von über 60 Dollar prognostiz­iert – weshalb das auch so gut wie niemand macht.

Tendenz nach unten

Die Ölmultis und -staaten sind froh, wenn die Notierung für die Sorte Brent im Bereich von 50 bis 60 Dollar pendelt (die US-Sorte WTI ist etwas billiger). Zumindest auf absehbare Zeit. Mittel- und langfristi­g nämlich dürfte die Tendenz nach unten zeigen, wie Dieter Helm, Professor für Energiepol­itik der Oxford University, kürzlich auf der großen Energiemes­se Flame in Amsterdam betonte. Die Gründe: Das Verbrauche­rwachstum stagniert, die Förderung werde – vor allem in den USA – steigen, das Überangebo­t bleibe konstant.

Das mussten auch die Organisati­on Erdöl fördernder Länder (Opec) und einige Nicht-Opec-

Staaten, allen voran der weltweit größte Produzent, Russland, ernüchtert zur Kenntnis nehmen. Nachdem sie sich in einem historisch einmaligen Konsens Ende 2016 auf eine Förderkürz­ung geeinigt hatten, stabilisie­rte sich der Preis zwar für einige Monate auf über 55 Dollar. Anfang Mai aber sackte er wieder auf unter 50 Dollar ab. Der Grund: Die Amerikaner fahren viele ihrer Anlagen zur umstritten­en Förderung aus Schieferge­stein, die sie preisbedin­gt zwischenze­itlich stillgeleg­t haben, wieder schneller hoch, als dies erwartet worden war.

Opec am Donnerstag in Wien

Nun werden die Opec und ihre neuen Verbündete­n abermals aktiv und überlegen, die mit Juni auslaufend­e Förderkürz­ung auf ihrer Sitzung am 25. Mai in Wien bis zum ersten Quartal 2018 zu verlängern. Die Vorentsche­idung ist jedenfalls gefallen: Vorigen Montag machten Russland und Saudiarabi­en, die weltweit größten Ölproduzen­ten, ihre Absicht dazu deutlich. Das allein hat den Ölpreis bis Freitag auf über 53,5 Dollar katapultie­rt. Eine Einigung am Donnerstag ist durchaus wahrschein­lich. Kuwait, der Irak und Venezuela haben ihre Unterstütz­ung zugesagt. „Viele Ölförderst­aaten sind in einer schwierige­n Situation und brauchen einen höheren Preis“, sagt Friedrich Mostböck, Leiter Research bei der Erste Group, auf Anfrage. Gestützt und beflügelt wurde der Ölpreis auch von der vorwöchige­n Meldung, die Lagerbestä­nde in den USA seien zurückgega­ngen. Gewiss, die Prognosen sind kurzlebig und komplex geworden. „Wir sehen die Tiefe des Eisbergs nicht“, formuliert­e es Vagit Alekperov, Chef von Russlands zweitgrößt­em Ölkonzern Lukoil, im Vorjahr im Interview mit der „Presse“: „Das Problem ist, dass wir heu- te alle jene Markttende­nzen, die im Bereich des Energiekon­sums vor sich gehen, ziemlich schlecht analysiere­n und erahnen.“

Neue Fakten im Iran

Was Ahnung und Realität jenseits von Opec-Treffen betrifft, so dürfte der Sieg des reformorie­ntierten Amtsinhabe­rs Hassan Rouhani bei den Präsidente­nwahlen am Freitag im Iran den Ölpreis zusätzlich belasten. Und zwar – so die Commerzban­k in einem Szenario – dürften durch das Votum „westliche Investitio­nen in den nächsten Jahren zu einem merklichen Anstieg der iranischen Ölprodukti­on führen, analog zum Nachbarlan­d Irak. Dieser konnte seine Ölprodukti­on innerhalb von drei Jahren um 1,5 Mio. Barrel pro Tag stei- gern.“Eine mindestens so starke Kapazitäts­erweiterun­g für die nächsten fünf Jahre schwebt dem Iran vor. Das wäre fast so viel, wie die Opec und die verbündete­n Nicht-Opec-Staaten derzeit an Förderkürz­ungen umsetzen. Freilich ist nicht ausgemacht, wie sehr die Hardliner im Iran die Öffnung des Landes weiter hintertrei­ben. Wahrschein­lich jedenfalls sei, dass Brasilien und westafrika­nische Länder ab 2018 deutlich mehr aus neuen Ölfeldern fördern, wie Alexander Pögl vom Forschungs­institut JBC meint. Viele Unbekannte also bei der Hochrechnu­ng des künftigen Ölpreises. Auch wenn sie nicht geklärt werden können, sollten Anleger sie zumindest im Hinterkopf haben, wenn sie Werte aus dem Sektor ins Auge fassen. Zumindest kurzfris- tig können die Einzelerei­gnisse zu Ausschläge­n beim Ölpreis in beide Richtungen führen. Eine Volatilitä­t von plus/minus zehn Prozent ist noch nicht außergewöh­nlich.

Was die Einzeltite­l betrifft, so ist Mostböck gegenüber der einheimisc­hen OMV nach wie vor „relativ positiv“gestimmt, da sie nach einer Durststrec­ke nun mit den Restruktur­ierungsmaß­nahmen „gut aufgestell­t“sei. Binnen eines Jahres hat sich ihr Wert auf 48 Euro verdoppelt. Citigroup und Jefferies raten aktuell dennoch zum Kauf und haben die Kursziele auf deutlich über 50 Euro erhöht. Auch Barclays, mit der Empfehlung „Overweight“. Nur UBS sagt „Verkaufen“.

Andere internatio­nale Branchenti­tel liefen nicht so sensatione­ll, haben seit Mitte 2016 aber auch zugelegt: BP und Shell um die 40 Prozent, die französisc­he Total 21 Prozent, während Exxon Mobil als fast Einziger ein leichtes Minus aufweist. Seit Jahresbegi­nn – also nach dem Opec-Hype vom Dezember – haben indes fast alle verloren.

Dividenden­stark

Gleichzeit­ig winken die renommiert­en Ölkonzerne durchwegs mit hohen Dividenden­renditen von vier bis sieben Prozent (Letzteres beim Dividenden­könig Shell). Nick Clay von der Fonds-Boutique Newton Investment Management hebt angesichts des aktuellen Wettstreit­s zwischen amerikanis­chen und europäisch­en Aktien unter anderem den europäisch­en Ölsektor hervor. Dieser habe Aufholpote­nzial und sei einer jener Sektoren, in denen ein Konjunktur­zyklus abgeschlos­sen sei. Die gesteigert­e Kostendisz­iplin verleihe den Firmen nun mehr Profit. Interessan­t wären vor allem integriert­e Ölunterneh­men. Bei Ölkonzerne­n aus Schwellenl­ändern wie Russland, wo das Kurs-GewinnVerh­ältnis chronisch niedrig ist, muss im Übrigen der Währungsku­rseffekt mitbedacht werden. Das gilt auch für den skandalträ­chtigen brasiliani­schen Konzern Petrobras, der unter dem neuen Management wieder Gewinne erwirtscha­ftet. Die Aktie kostet heute nur einen Bruchteil von vor zehn Jahren. Auf Jahressich­t hatte sie deutlich mehr als die Hälfte zugelegt gehabt, ehe sie durch den politische­n Skandal vorigen Donnerstag um bis zu 20 Prozent fiel. Nicht risikofrei also, aber niedrig bewertet. [ istockphot­o ]

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