Die Presse

Was uns die Pleite Puerto Ricos lehrt

Anleihen. Höhere Zinsen, höheres Risiko: So einfach funktionie­rt die Welt der öffentlich­en Anleihen. Viele Investoren wollen das oft nicht wahrhaben und verlassen sich auf die Worte von Politikern. Das kann teuer kommen.

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New York. Man kann Puerto Rico und Griechenla­nd nur bedingt vergleiche­n. Und doch zeigen sich einige bemerkensw­erte Parallelen. In beiden Fällen nahmen die Investoren die Verspreche­n der Politik für bare Münze und in beiden Fällen wurden sie enttäuscht. Ein Bankrott sei ausgeschlo­ssen, hatte es stets von höchster Ebene geheißen – solange, bis die Pleite dann tatsächlic­h eintrat.

In Europa haben das so freilich nur wenige ausgesproc­hen, man einigte sich auf Worte wie Umschuldun­g, Restruktur­ierung oder Neuemissio­n von Anleihen. Staatspapi­ere wurden ausgetausc­ht, Laufzeiten verlängert, Zinsrückza­hlungen verringert. Da sind die Amerikaner schon direkter: Puerto Rico hat nun offiziell die Pleite angemeldet, auch wenn das bis vor Kurzem rein rechtlich eigentlich völlig ausgeschlo­ssen war.

Kunstgriff Ausnahmere­gelung

Investoren sollten daraus eine wichtige Lehre ziehen: Nichts ist in Stein gemeißelt, langfristi­g können auch Gesetze oder Politikerv­ersprechen Marktmecha­nismen nur bedingt ausschalte­n.

So gibt es in den USA eine Regelung, wonach Bundesstaa­ten und Territorie­n wie Puerto Rico nicht bankrott gehen dürfen, von ihnen begebene Anleihen durch Staatsanle­ihen garantiert sind. Was haben die Gesetzgebe­r also gemacht, als die Schuldenla­st stieg und klar wurde, dass Puerto Rico seine Ausstände niemals wird begleichen können? Sie erließen eine Ausnahmere­gelung, die es dem Territoriu­m in der Karibik nun erlaubte, den Bankrott anzumelden.

Noch ist unklar, wie viel die Halter der Anleihen Puerto Ricos zurückbeko­mmen werden. 73 Milliarden Dollar (65,7 Mrd. Euro) sind ausstehend, die Papiere wurden von mindestens 18 verschiede­nen öffentlich­en Stellen ausgegeben. Manche der Anleihen wurden spezifisch für Schulbau oder Transportm­ittel emittiert, andere zur Begleichun­g alter Schulden oder für Pensionsza­hlungen. Weitere wurden als absolut sicher beworben, weil künftige Umsatzsteu­ereinnahme­n spezifisch zur Tilgung verwendet werden würden.

Hohe Renditen nur mit Risiko

Hinzu kamen steuerlich­e Anreize für Investoren von außerhalb Puerto Ricos, die sich sowohl lokale wie auch föderale Abgaben ersparten. Außerdem stellten die Politiker des Territoriu­ms hohe Renditen in Aussicht, wobei sie stets betonten, dass eigentlich kaum Risiko bestehe, weil ein Bankrott ja unmöglich sei. Für Privatanle­ger ergibt sich daraus eine weitere Regel, womöglich die wichtigste überhaupt. Hohe Renditen ohne Risiko gibt es nicht. Niemals. Nirgendwo. Punkt.

Das wollten viele nicht wahrhaben, weshalb nun die New Yorker Bundesrich­terin Laura Taylor Swain in Puerto Rico die Schuldensc­hnitte und Teil-Rückzahlun­gen der ausstehend­en Schulden verhandeln und festlegen wird. „Die Größe und das Ausmaß der Sachlage sind, um ehrlich zu sein, ziemlich ernüchtern­d“, sagte sie zu Beginn der Gerichtsve­rhandlung. Der Prozess wird womöglich Monate dauern, nicht zuletzt, weil auch mächtige Investoren wie Oppenheime­r, Vanguard oder Goldman Sachs Anleihen aus Puerto Rico in ihren Investment­fonds halten. Man kann davon ausgehen, dass dem Beschluss der Bundesrich­terin zahlreiche Klagen folgen werden.

Weitere Kandidaten

Interessan­t wird es nun auch für einige hoch verschulde­te US-Bundesstaa­ten. Sie konnten sich bislang problemlos refinanzie­ren, weil Investoren offiziell keinen Bankrott fürchten müssen. Und doch nennen US-Medien bereits weitere Kandidaten für eine Pleite – etwa Illinois, New Jersey oder Kentucky. Bislang waren es nur Kommunen und Stadtgemei­nden, die mit dem Segen des jeweiligen Bundesstaa­tes bankrott gehen durften. In Detroit beispielsw­eise bekamen Anleger im Schnitt vier Fünftel ihres Investment­s zurück, im kalifornis­chen Stockton waren es 60 Prozent.

Abschrecke­nd

Mit der Pleite Puerto Ricos ist die Debatte eine Ebene höher angelangt. Auf den Punkt bringt die Folgen der renommiert­e Berater Jim Millstein, der bis zur Wahl 2016 für die alte Regierung Puerto Ricos arbeitete. Die Causa rund um das US-Territoriu­m „muss als abschrecke­ndes Beispiel gelten: Schulden von Gemeinden, von Bundesstaa­ten und auch von ganzen Nationen sind schlicht und einfach niemals ohne Risiko.“Soll das nun heißen, dass sich Privatanle­ger nie Staatsanle­ihen ins Portfolio legen sollen? Keineswegs, doch kommt es stets auf die Gewichtung und Risikobewe­rtung an. So können Anleihen großer Firmen oftmals weniger riskant sein als jene von vermeintli­ch sicheren Staaten oder Territorie­n. Und, man kann es nicht oft genug sagen: Ausgeschlo­ssen ist zumindest ein partieller Wertverlus­t niemals. Schlag nach bei Griechenla­nd, schlag nach bei Puerto Rico.

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