Die Presse

Auf Privatfläc­hen darf Polizei nicht strafen

Urteilskri­tik. Die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtsh­ofs über Strafen in Parkgarage­n führt zu Sanktionen auf der Basis unüberprüf­barer Vorgaben.

- VON HELMUT HOPPEL Helmut Hoppel ist emeritiert­er Rechtsanwa­lt.

Wien. Die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VwGH Ra 2016/02/0270) zur Definition einer im Privateige­ntum stehenden Parkgarage als öffentlich­e Straße und die Ausdehnung der polizeilic­hen Strafgewal­t auf diese Flächen (Das „Rechtspano­rama“hat am 15. Mai berichtet) halte ich für grundlegen­d falsch.

Grundlage einer polizeilic­hen Strafgewal­t im öffentlich­en Raum sind Gesetze und Verordnung­en. Das rechtmäßig­e Zustandeko­mmen derselben kann objektiv geprüft werden. Selbst wenn z. B. ein Halteverbo­t auf einer öffentlich­en Straße ordnungsge­mäß ausgeschil­dert ist, aber die Grundlage der Verordnung weggefalle­n ist, besteht kein Strafanspr­uch. Ein vor einem Haus ausgeschil­dertes Halteverbo­t „ausgenomme­n Vertreter der Botschaft XY“taugt nicht als Grundlage einer Strafe, wenn diese Botschaft ihren Sitz längst an einen anderen Ort verlegt hat und die Grundlage des Halteverbo­ts weggefalle­n ist.

Die Grundlagen einer polizeilic­hen Strafverfü­gung sind also objektiv prüfbar und brauchen eine Begründung, die in allgemeine­n Rechtsgrun­dsätzen Deckung findet – zum Beispiel Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen zur Vermeidung einer übermäßige­n Lärmbeläst­igung etc.

Einteilung in privater Autonomie

Parkgarage­n sind im Privateige­ntum stehende Nutzfläche­n, die als Abstellflä­chen für Kraftfahrz­euge dienen. Die Einteilung dieser Flächen unterliegt der Privatauto­nomie: ob die gesamte Fläche oder nur Teilfläche­n nutzbar gemacht werden, wo Sperrfläch­en angebracht werden etc. Eine behördlich­e Bau- und Nutzungsbe­willigung mag die Größe von Stellplätz­en, notwendige Wenderadie­n oder maximale Rampenneig­ungen bestimmen, das aber nur im Rahmen des gestellten Bauansuche­ns und auf der Grundlage der Bauordnung.

Die Umsetzung der Bodenmarki­erungen erfolgt genauso im privatrech­tlichen Bereich und unterliegt keiner Kontrolle durch eine Behörde, die nach der Straßen- verkehrsor­dnung (StVO) die Sinnhaftig­keit/Zulässigke­it prüft und durch eine Verordnung eine gesetzlich­e Deckung als Grundlage für ein Strafverfa­hren schafft. Auf öffentlich­en Straßen erfolgt diese Kontrolle der Ausschilde­rung und der Markierung­en jedoch sehr wohl.

Wenn ein Arbeiter z. B. Bodenmarki­erungen anbringt, die nicht dem Bauplan entspreche­n, Sperrfläch­en überdimens­ioniert etc., so kann bei Umsetzung der Judikatur des VwGH ein Fahrzeugle­nker behördlich abgestraft werden, stellt er sein Fahrzeug – wenn auch nur geringfügi­g – auf dieser gar nicht so geplanten Sperrfläch­e ab.

Besitzstör­ungsklage ohnehin möglich

Ich halte es für angebracht, die Geltung der StVO (Rechtsvorr­ang etc.) auf privaten Grundfläch­en als Grundlage für eventuelle Schadeners­atzansprüc­he auszubedin­gen. Das sollte aber nicht zu einer Grundlage für einen obrigkeitl­ichen Strafanspr­uch führen. Widerrecht­liche Nutzung kann ohnedies vom Eigentümer/Berechtigt­en mit Besitzstör­ungsklagen geahndet werden.

Es ist auch rechtsstaa­tlich bedenklich, wenn sich ein staatliche­r Strafanspr­uch auf im Privatrech­tsbereich gefallene Entscheidu­ngen (Ausgestalt­ung der Flächen) stützt, die für den Betroffene­n nicht einmal prüfbar sind.

Es ist auch gar nicht gesagt, dass ein Eigentümer/Betreiber damit einverstan­den ist, dass in seiner Parkgarage auf seinem Privatgrun­d behördlich­e Strafmanda­te verteilt werden. Und will er das, so könnte er – ähnlich wie bei einem Halteverbo­t auf öffentlich­em Grund wie z. B. „ausgenomme­n Ladetätigk­eit mit Lastwagen“– auch eine behördlich­e Verordnung für seinen Garagenber­eich beantragen. Eine solche Verordnung könnte – wenn man die Garage, wie es der VwGH getan hat, als Straße definiert – auf dem Boden der StVO erlassen werden. Und sie wäre prüfbar.

Grundsätzl­ich ist ein staatliche­r Strafanspr­uch restriktiv auszulegen. Dies hat der VwGH jedoch nicht getan.

Newspapers in German

Newspapers from Austria