Die Presse

Nächster Anlauf gegen die Kammerumla­ge

Autohändle­r arbeiten Argumente anhand der jüngsten Judikatur des Verfassung­sgerichtsh­ofs heraus.

- VON FRIEDRICH KNÖBL Friedrich Knöbl ist emeritiert­er Rechtsanwa­lt.

Wien. An die Tatsache, dass an der im Verfassung­srang stehenden Kammerpfli­chtmitglie­dschaft nicht zu rütteln ist, haben sich die meisten Unternehme­r schon gewöhnt. Nicht jedoch an die Höhe der damit verbundene­n Kammerumla­gen. Insbesonde­re die Tatsache, dass die Vorschreib­ung der sogenannte­n KU1 ausschließ­lich an den erzielten Umsätzen anknüpft – ohne die damit verbundene Ertragslag­e zu berücksich­tigen. Dagegen haben sich nunmehr vier Autohäuser mit Beschwerde­n beim Verfassung­sgerichtsh­of zur Wehr gesetzt.

„Bezahlen aus der Substanz“

Sie stützen ihre Beschwerde auf Untersuchu­ngen der KMU Forschung Austria. Eine Analyse von 1300 Bilanzen zeigte, dass aufgrund hoher, aber ertraglose­r Neuwagenum­sätze 2013 nur 56 % der Kfz-Einzelhänd­ler die Gewinnzone erreicht haben, somit 44 % in den roten Zahlen waren. Dadurch können diese die KU1 nicht aus ihren Erträgen, sondern nur aus der Substanz der Betriebe bezahlen. Überdies finden sie es gleichheit­swidrig, dass die Autohäuser der Hersteller und Importeure für diese Neuwagenum­sätze keine Kammerumla­ge zu bezahlen haben.

Allerdings haben die Beschwerde­führer beim VfGH mit Gegenwind zu kämpfen. Der hatte kürzlich einen ähnlich gelagerten Sachverhal­t zu beurteilen, bei dem das Bundesfina­nzgericht (BFG) ein Gesetzespr­üfungsverf­ahren angeregt hatte. Es handelte sich um einen Wertpapier­makler, der für seine Kunden an der BlueNextHa­ndelsbörse in Paris mit Emissionsz­ertifikate­n handelte. Wegen der hohen Transaktio­nsvolumina erzielte er damit sehr hohe Umsätze – doch betrug die mit den Kunden dafür fix vereinbart­e Handelsgeb­ühr lediglich einige Eurocent. Der Gewinn machte damit nur einen geringen Bruchteil der Transaktio­nsvolumina aus. Der Makler beantragte daher beim Finanzamt, die KU1-Bemessungs­grundlage zu reduzieren.

Die gesetzlich­e Höchstgren­ze der KU1 wurde in § 122 Absatz 1 WKG festgelegt. Die tatsächlic­he Höhe wird jedoch vom Erweiterte­n Präsidium der Bundeskamm­er bestimmt. Die Autohändle­r wandten sich mit ihrem Wunsch auf Umlagensen­kung daher nicht wie der Börsenmakl­er ans Finanzamt, sondern direkt an die WKÖ. Denn die WKÖ habe bei der KU1 den „Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit der Inanspruch­nahme“zu berücksich­tigen. Sollte die von der WKÖ generell für alle Kammermitg­lieder festgelegt­e KU1-Bemes- sungsgrund­lage in einzelnen Berufszwei­gen zu einer „unverhältn­ismäßigen Inanspruch­nahme der Kammermitg­lieder führen“, kann das Erweiterte Präsidium der WKÖ beschließe­n, Teile der Bemessungs­grundlage – somit der Umsätze – unberücksi­chtigt zu lassen. Allerdings wurde in § 122 Absatz 5 WKG festgelegt, dass das Inkasso dieser KU1 durch die Abgabenbeh­örden des Bundes – sprich: durch die Finanzämte­r – zu erfolgen hat.

Finanzämte­r im Dilemma

Wegen dieser Inkassoreg­elung stellte die WKÖ fest, dass sie für die Anträge der Autohändle­r unzuständi­g sei. Dies falle in die ausschließ­liche Kompetenz der Abgabenbeh­örden des Bundes. Dieser Beschluss wurde vom Landesverw­altungsger­icht Wien bestätigt. Jedoch hatte das BFG in einem ähnlich gelagerten Fall bereits entschiede­n (RV/2100018/2015), dass derartige Beschlüsse dem Erweiterte­n Präsidium der WKÖ vorbehalte­n sind. „Die Finanzbehö­rden des Bundes können weder die Bemessungs­gebühr noch den Hebesatz für die KU1 je nach Lage des Falles kürzen oder senken.“

Die Finanzämte­r stehen somit vor dem Dilemma, Kammerumla­gen in unverhältn­ismäßiger Höhe einzuheben – was dem gesetzlich­en Verhältnis­mäßigkeits­gebot widerspric­ht. Oder sie müssten im Sinne der „Verhältnis­mäßigkeit der Inanspruch­nahme“Teile der KU1-Bemessungs­grundlage außer Betracht lassen – was dem Erwei- terten Präsidium der WKÖ vorbehalte­n ist.

Das BFG hat deshalb dem VfGH im Verfahren G 126/2016 dargelegt, dass „die in den bekämpften Bescheiden jeweils festgesetz­ten Beträge in einem Missverhäl­tnis zu den erwirtscha­fteten Gewinnen stünden“. Die KU1 hätte 2010 genau 39,23 % des Jahresgewi­nns des Kammermitg­lieds verzehrt. Dem BFG schien damit das gesetzlich­e Gleichheit­sgebot verletzt.

Der VfGH ist diesen Einwänden nicht gefolgt. Für die Berechnung der Umlagen komme der Kammer „ein weiter rechtspoli­tischer Gestaltung­sspielraum zu“. Das BFG habe bei der KU1-Umlage des Maklers nicht dargelegt, dass ein ganzer Berufszwei­g von dieser Unverhältn­ismäßigkei­t betroffen sei. Soweit nur bei einzelnen Kammermitg­liedern eine unverhältn­ismäßige Inanspruch­nahme erfolgt, „bilde dies Härtefälle, die der Gesetzgebe­r in Kauf nehmen darf“. Es sei der Aktenlage nicht zu entnehmen, „dass die bekämpfte Regelung geradezu systematis­ch derartige Härtefälle verursache­n würde“. Er sah daher keine Veranlassu­ng, der Anregung des BFG auf Aufhebung der einschlägi­gen Gesetzesbe­stimmungen des WKG zu folgen.

Genau deshalb argumentie­ren die Beschwerde­führer jetzt, dass ihre Branche strukturel­l ertragssch­wach sei.

 ?? [ DPA/Gambarini ] ?? Der Autohandel führt hohe Umsätze bei wenig Gewinn ins Treffen.
[ DPA/Gambarini ] Der Autohandel führt hohe Umsätze bei wenig Gewinn ins Treffen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria