Nächster Anlauf gegen die Kammerumlage
Autohändler arbeiten Argumente anhand der jüngsten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs heraus.
Wien. An die Tatsache, dass an der im Verfassungsrang stehenden Kammerpflichtmitgliedschaft nicht zu rütteln ist, haben sich die meisten Unternehmer schon gewöhnt. Nicht jedoch an die Höhe der damit verbundenen Kammerumlagen. Insbesondere die Tatsache, dass die Vorschreibung der sogenannten KU1 ausschließlich an den erzielten Umsätzen anknüpft – ohne die damit verbundene Ertragslage zu berücksichtigen. Dagegen haben sich nunmehr vier Autohäuser mit Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof zur Wehr gesetzt.
„Bezahlen aus der Substanz“
Sie stützen ihre Beschwerde auf Untersuchungen der KMU Forschung Austria. Eine Analyse von 1300 Bilanzen zeigte, dass aufgrund hoher, aber ertragloser Neuwagenumsätze 2013 nur 56 % der Kfz-Einzelhändler die Gewinnzone erreicht haben, somit 44 % in den roten Zahlen waren. Dadurch können diese die KU1 nicht aus ihren Erträgen, sondern nur aus der Substanz der Betriebe bezahlen. Überdies finden sie es gleichheitswidrig, dass die Autohäuser der Hersteller und Importeure für diese Neuwagenumsätze keine Kammerumlage zu bezahlen haben.
Allerdings haben die Beschwerdeführer beim VfGH mit Gegenwind zu kämpfen. Der hatte kürzlich einen ähnlich gelagerten Sachverhalt zu beurteilen, bei dem das Bundesfinanzgericht (BFG) ein Gesetzesprüfungsverfahren angeregt hatte. Es handelte sich um einen Wertpapiermakler, der für seine Kunden an der BlueNextHandelsbörse in Paris mit Emissionszertifikaten handelte. Wegen der hohen Transaktionsvolumina erzielte er damit sehr hohe Umsätze – doch betrug die mit den Kunden dafür fix vereinbarte Handelsgebühr lediglich einige Eurocent. Der Gewinn machte damit nur einen geringen Bruchteil der Transaktionsvolumina aus. Der Makler beantragte daher beim Finanzamt, die KU1-Bemessungsgrundlage zu reduzieren.
Die gesetzliche Höchstgrenze der KU1 wurde in § 122 Absatz 1 WKG festgelegt. Die tatsächliche Höhe wird jedoch vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer bestimmt. Die Autohändler wandten sich mit ihrem Wunsch auf Umlagensenkung daher nicht wie der Börsenmakler ans Finanzamt, sondern direkt an die WKÖ. Denn die WKÖ habe bei der KU1 den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme“zu berücksichtigen. Sollte die von der WKÖ generell für alle Kammermitglieder festgelegte KU1-Bemes- sungsgrundlage in einzelnen Berufszweigen zu einer „unverhältnismäßigen Inanspruchnahme der Kammermitglieder führen“, kann das Erweiterte Präsidium der WKÖ beschließen, Teile der Bemessungsgrundlage – somit der Umsätze – unberücksichtigt zu lassen. Allerdings wurde in § 122 Absatz 5 WKG festgelegt, dass das Inkasso dieser KU1 durch die Abgabenbehörden des Bundes – sprich: durch die Finanzämter – zu erfolgen hat.
Finanzämter im Dilemma
Wegen dieser Inkassoregelung stellte die WKÖ fest, dass sie für die Anträge der Autohändler unzuständig sei. Dies falle in die ausschließliche Kompetenz der Abgabenbehörden des Bundes. Dieser Beschluss wurde vom Landesverwaltungsgericht Wien bestätigt. Jedoch hatte das BFG in einem ähnlich gelagerten Fall bereits entschieden (RV/2100018/2015), dass derartige Beschlüsse dem Erweiterten Präsidium der WKÖ vorbehalten sind. „Die Finanzbehörden des Bundes können weder die Bemessungsgebühr noch den Hebesatz für die KU1 je nach Lage des Falles kürzen oder senken.“
Die Finanzämter stehen somit vor dem Dilemma, Kammerumlagen in unverhältnismäßiger Höhe einzuheben – was dem gesetzlichen Verhältnismäßigkeitsgebot widerspricht. Oder sie müssten im Sinne der „Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme“Teile der KU1-Bemessungsgrundlage außer Betracht lassen – was dem Erwei- terten Präsidium der WKÖ vorbehalten ist.
Das BFG hat deshalb dem VfGH im Verfahren G 126/2016 dargelegt, dass „die in den bekämpften Bescheiden jeweils festgesetzten Beträge in einem Missverhältnis zu den erwirtschafteten Gewinnen stünden“. Die KU1 hätte 2010 genau 39,23 % des Jahresgewinns des Kammermitglieds verzehrt. Dem BFG schien damit das gesetzliche Gleichheitsgebot verletzt.
Der VfGH ist diesen Einwänden nicht gefolgt. Für die Berechnung der Umlagen komme der Kammer „ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu“. Das BFG habe bei der KU1-Umlage des Maklers nicht dargelegt, dass ein ganzer Berufszweig von dieser Unverhältnismäßigkeit betroffen sei. Soweit nur bei einzelnen Kammermitgliedern eine unverhältnismäßige Inanspruchnahme erfolgt, „bilde dies Härtefälle, die der Gesetzgeber in Kauf nehmen darf“. Es sei der Aktenlage nicht zu entnehmen, „dass die bekämpfte Regelung geradezu systematisch derartige Härtefälle verursachen würde“. Er sah daher keine Veranlassung, der Anregung des BFG auf Aufhebung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen des WKG zu folgen.
Genau deshalb argumentieren die Beschwerdeführer jetzt, dass ihre Branche strukturell ertragsschwach sei.