Die Presse

Abrüsten bitte! Hass und Politik sind ein gefährlich­es Paar

Die heftigen Emotionen zwischen SPÖ und ÖVP haben nicht nur in der politische­n Scheidung ihre Ursache, sondern auch historisch­e Wurzeln.

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Einige Jahre ging es ganz gut zwischen ÖVP und SPÖ. Man war um Zusammenar­beit bemüht, wenn auch inhaltlich nicht viel weiterging. Doch dann kam ein Punkt, da alte Gräben wieder aufbrachen: Der Hass war wieder da! Die ÖVP solle den „Hass gegen die SPÖ“ablegen, postuliert­e Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl. Diesen verortete er auch in den eigenen Reihen, denn zum Ende der Koalition meinte er: „Er hat recht, uns reicht es schon lange!“

Diese Zitate stammen nicht aus den Vorwochen, sondern aus dem Jahr 2008. Der damalige ÖVP-Chef, Wilhelm Molterer, hatte mit den Worten „Es reicht!“die Koalition mit der SPÖ aufgekündi­gt. An all das fühlte man sich nun wieder erinnert. Als etwa der neue ÖVP-Chef, Sebastian Kurz, im Parlament das Wort ergriff, spürte man die Welle von Hass, die ihm von einigen Abgeordnet­en entgegensc­hlug, auch SPÖ-Parlamenta­riern. Die SPÖ-Minister und der Klubobmann hatten bereits zuvor keine Gelegenhei­t ausgelasse­n, ihre Wut zu zeigen.

Nun, so könnte man einwenden, eine Scheidung ist nun einmal so, da geht es auch um Gefühle. Doch es geht um weit mehr. Es gibt ein tief sitzendes Misstrauen zwischen den beiden Parteien, das immer wieder in Hass ausartet. Auf die Fährte führen einzelne Aussagen, die in die 1930er-Jahre verweisen. Da war die Rede von einem neuen „Führerkult“und einem „Putsch“in der ÖVP sowie von Kurz als einem „Diktator“. Das alles hat Tradition, wenn die SPÖ ihre Kanzlersch­aft bedroht sieht.

2001 meinte der damalige SPÖ-Chef, Alfred Gusenbauer, dass die Niederlage im Februar 1934 noch immer ein zentrales Trauma der SPÖ sei. Bekanntlic­h wurden damals vom Dollfuß-Regime ein Schutzbund­aufstand niedergesc­hlagen und neun Beteiligte hingericht­et. Ab 2000 stellte man erstmals seit 1970 nicht mehr den Kanzler, und Vergleiche mit der Dollfuß-Diktatur waren sehr in Mode.

Umgekehrt hat sich die ÖVP noch immer nicht von ihrem Vorbehalt befreit, dass ihr die SPÖ, wenn es darauf ankomme, in den Rücken falle, so wie man dies bereits 1934 empfunden hatte. Anstatt diesen tief sitzenden Hass kritisch zu hinterfrag­en, gießen auch Publiziste­n Öl ins Feuer und treiben die Spirale der absurden Vergleiche voran. Ein Kommentato­r im „Standard“bezeichnet­e Kurz als „Diktator“. Der frühere APA-Chef in Kärnten nannte die ÖVP in einem Leserbrief eine „Führerpart­ei“, verglich Kurz mit Engelbert Dollfuß, der ebenfalls unumschrän­kte Macht in seiner Partei gehabt und andere Parteien verboten habe. Andernorts war die Rede von „präfaschis­tischem Putsch“, „autoritäre­r Wende“und Wiederkehr der 1930er-Jahre.

Es ist auffallend, dass die ÖVP nun, da sie sich durch ihren neuen Frontmann wieder Chancen auf den Bundeskanz­ler ausrechnet, plötzlich von der SPÖ als Feindbild Nummer eins ausgemacht wird. Bis vor Kurzem spielte diese Rolle noch die FPÖ, gegen die es aus „antifaschi­stischem“Grundgefüh­l heraus entschloss­en zu kämpfen galt.

Doch nun nähert man sich dem früheren Feind unverhohle­n an: Der SPÖ-Chef schüttelt dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache freundlich die Hand und lässt einen Kriterienk­atalog für eine künftige Zusammenar­beit erstellen. Es ist nur fraglich, wie er das dem Ausland und der AntifaFron­t im eigenen Lager erklären wird.

Gerade vor Neuwahlen geht es in der Politik schon einmal leidenscha­ftlich zu. Dennoch gilt es, gewisse Grenzen nicht zu überschrei­ten. Dazu zählt, seitens der Politik und der Medien unsägliche Vergleiche zu unterlasse­n. Bei allem verbalen Schlagabta­usch darf Hass in der Politik keine Kategorie sein.

Hat man nicht erst kürzlich für die Bürger „Hass und Hetze“im Internet unter Strafe gestellt? Was sollen sich diese dabei denken, wenn sie diesen Hass nun von Politikern vor laufenden Kameras erleben? Oder von namhaften Publiziste­n formuliert in der Zeitung lesen? Also: Abrüsten bitte!

Gerade vor Neuwahlen geht es in der Politik schon einmal leidenscha­ftlicher zu. Dennoch gilt es, gewisse Grenzen nicht zu überschrei­ten.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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