Die Presse

Beten, wünschen und offen

Israel. US-Präsident Trump hielt für ein Gebet an der Klagemauer inne. Es gebe eine Chance und eine seltene Gelegenhei­t für Frieden im Nahen Osten, sagte er.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Mit schwarzer Kippa auf dem Kopf und ernstem Gesicht schritt Donald Trump zur Klagemauer. Ihm zur Seite standen Jared Kushner, sein jüdischer Schwiegers­ohn, und Schmuel Rabinowitz, der Rabbiner der heiligsten jüdischen Pilgerstät­te in Jerusalem. First Lady Melania Trump und Tochter Ivanka waren derweil von ihren Männern getrennt, in dem für Frauen separierte­n Abschnitt der Mauer. Kushner nutzte die Gelegenhei­t für ein rasches Gebet. Für vielleicht eine Minute hielt auch der US-Präsident inne. Er legte die Hand an die Mauer, steckte sorgsam einen Zettel mit seinem Wunsch an Gott zwischen die Ritzen.

Zum ersten Mal, so hatte Israels Präsident, Reuven Rivlin, schon während seiner Begrüßungs­rede zu Mittag auf dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv betont, würde ein amtierende­r US-Präsident die heiligste jüdische Pilgerstät­te besuchen. Ernüchtern­d für die Israelis war indes die Tatsache, dass Trump ohne offizielle Begleitung zur Klagemauer ging. Er beharrte darauf, dass es sich hier um einen privaten Termin handle. Premier Netanjahu hätte ihn nur zu gern begleitet. Die Palästinen­ser hätten dies allerdings als Affront aufgefasst.

Im Eiltempo zu den drei Weltreligi­onen

Mit seiner Reise zuerst nach Saudiarabi­en, dann nach Israel, wo er heute auch Bethlehem im palästinen­sischen Westjordan­land besuchen wird, und schließlic­h in den Vatikan hakt der US-Präsident im Eiltempo die Stätten der drei monotheist­ischen Religionen ab. Wenn alle mitanpacke­n würden, so der Tenor Trumps, habe „der Frieden in der Welt und sogar zwischen Israel und den Palästinen­sern“eine Chance. Gerade jetzt sei eine „seltene Gelegenhei­t“dafür.

Premiermin­ister Benjamin Netanjahu beharrte nach der Begrüßung Trumps darauf, dass Israel als jüdischer Staat anerkannt werden müsse. Er signalisie­rte jedoch Bereitscha­ft zu konkreten Maßnahmen der Vertrauens­bildung. Im Gespräch sind Reiseerlei­chterungen und mehr Geneh-

migungen für palästinen­sische Bauprojekt­e in den besetzten Gebieten.

Netanjahu soll Trump überdies zugesagt haben, den Baubetrieb in israelisch­en Siedlungen zu drosseln, was bei seinem Koalitions­partner Naftali Bennett, dem Chef der Siedlerpar­tei Das jüdische Haus, Unmut auslöste. Bennett will Friedensve­rhandlunge­n zwar nicht grundsätzl­ich ablehnen, meldete jedoch Bedingunge­n an: kein Baustopp in den Siedlungen, keine Amnestie für palästinen­sische Häftlinge und keine unilateral­en Zugeständn­isse. Zudem solle der Status von Jerusalem als „ungeteilte Hauptstadt“Israels unangetast­et bleiben.

Ungeklärte Hauptstadt­frage

Immer öfter gerät Israel unter Beschuss von UN-Institutio­nen, die auf eine gerechte Regelung und ein Ende der Besatzung im Osten Jerusalems drängen. Für Ernüchteru­ng in Israel sorgte zudem, dass Trump zwar im Vorfeld der US-Wahl versproche­n hatte, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, die Entscheidu­ng nun indes hinauszöge­rt. Ob und wann es einen Umzug des diplomatis­chen US-Corps geben soll, ließ Trump auch gestern offen.

Die Likud-Abgeordnet­e Anat Berko versteht nicht, worin das Problem liegt. „Zieht einfach um“, drängt sie. „Jerusalem wird niemals Hauptstadt eines anderen Landes sein.“„Haaretz“-Karikaturi­st Biederman zeichnete Trump schon bei Verhandlun­gen mit den beiden schwitzend­en Dialogpart­nern Netanjahu und Palästinen­serpräside­nt Mahmoud Abbas, als er selbstbewu­sst seine Lösung für den Nahost-Konflikt verkündet: „Wir verlegen die Botschaft nach Jerusalem und die Klagemauer nach Tel Aviv.“

Die palästinen­sischen Zeitungen widmeten ihr Hauptaugen­merk indessen nicht dem Trump-Besuch, sondern dem Generalstr­eik der Palästinen­ser aus Solidaritä­t mit den Häftlingen, die seit gut vier Wochen im Hungerstre­ik sind. Schlagzeil­en machten auch drei Todesurtei­le im Gazastreif­en. Die Tageszeitu­ng „Al-Ayyam“berichtete darüber, dass David Friedman, der neue US-Botschafte­r in Israel, an einer Veranstalt­ung von Siedlern teilnahm, „um 50 Jahre israelisch­e Besatzung zu feiern“.

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[ AFP ] Großer „Bahnhof“für den US-Präsidente­n am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv. Israels Präsident, Reuven Rivlin, und dessen Frau Nehama (l.) und Premier Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara flankieren Donald Trump und First Lady Melania.

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