Die Presse

Mit dem Brexit droht ein Fischereik­rieg

Großbritan­nien/EU. London will mit dem EU-Austritt auch die Kontrolle über seine Fischereig­ebiete zurückerla­ngen. Doch Dänemark ist eines von acht EU-Ländern, die sich den Zugang weiterhin sichern wollen.

- Von unserem Korrespond­enten ANDRE´ ANWAR

Stockholm. Die Freude über den Austritt aus der Europäisch­en Union war gerade bei den Fischern Großbritan­niens riesig. Bislang dürfen Fischer aus anderen EU-Ländern bis zwölf Meilen vor der britischen Küste fischen. Rund ein Drittel ihres Fangs stammt bislang aus britischen Gewässern. Doch mit dem Brexit könnte London eine 200-MeilenSper­rzone um seine Inseln ziehen – dabei handelt es sich um die sogenannte Ausschließ­liche Wirtschaft­szone, die einem Meeresanra­iner gemäß UN-Seerechtsü­bereinkomm­en das alleinige Recht zur ökonomisch­en Ausbeutung aller Meeresress­ourcen gibt. Ein Großteil der Nordseegew­ässer würde dann für EU-Fischer wegfallen. Laut der EU-Fischereii­ndustrie würden damit rund 50 Prozent ihres Nettogewin­ns und 6000 Arbeitsplä­tze wegfallen.

Noch ist aber unklar, was passiert. Offiziell heißt es jedoch bereits, die britische Regierung plane, „die Kontrolle“über die eigenen Fanggründe „zurückzuge­winnen“. Das EU-Land Dänemark will das auf unkonventi­onelle Weise verhindern. Es ist derzeit dabei, eine Klage vorzuberei­ten, die seinen Fischern auch nach dem EU-Austritt Großbritan­niens den Zugang erlauben soll. Für den Fall, dass kein für Dänemark zufriedens­tellender Kompromiss bei den Austrittsv­erhandlung­en zustande kommt, will sich Kopenhagen auf eine historisch­e Fischereie­rlaubnis aus dem 15. Jahrhunder­t berufen. Dänische Behörden sammeln derzeit Beweise für eine mögliche Klage vor dem Internatio­nalen UN-Gerichtsho­f in Den Haag. Dies bestätigte Dänemarks Außenminis­ter, Anders Samuelsen, der britischen Zeitung „Guardian“.

„Britische Forderung ist Blödsinn“

„Dänische Fischer haben historisch in der ganzen Nordsee gefischt. Die EU-Fischereir­ichtlinien haben das basierend auf historisch­en Rechten reguliert“, sagt er. Kopenhagen will sich auf die UN-Konvention zum Seerecht berufen, die Staaten dazu auffordert, „traditione­lle Fischereir­echte“zwi- schen benachbart­en Ländern in den jeweiligen Hoheitsgew­ässern zu respektier­en. „Die britische Forderung, die Gewässer wiederzube­kommen, ist Blödsinn, weil sie sie nie hatten. Vielleicht gilt das für Öl und Gas, aber nicht für Fisch“, sagte Niels Wichmann, Chef des dänischen Fischereiv­erbandes, der auch in einem Komitee des dänischen Le- bensmittel­ministeriu­ms sitzt, dem „Guardian“.

Dänische Fischer fangen laut amtlichen Schätzunge­n derzeit rund 40 Prozent ihrer Fische in der Wirtschaft­szone Großbritan­niens. Einige dänische Küstengeme­inden sind wirtschaft­lich fast vollständi­g vom Zugang abhängig.

Sollte es hart auf hart kommen, könnten sich sieben weitere vom britischen Fisch abhängige EU-Länder der dänischen Initiative anschließe­n. Spanien, Frankreich, Irland, die Niederland­e, Belgien, Schweden und Polen haben sich mit Dänemark in der kürzlich wegen des Brexit gegründete­n Europäisch­en Fischereia­llianz zusammenge­schlossen, um ihre Rechte durchzuset­zen.

Binnenmark­t als Druckmitte­l

Derzeit hoffen sie noch auf einen Kompromiss bei den demnächst beginnende­n Verhandlun­gen über die Modalitäte­n des britischen EU-Austritts (siehe unten). Auch wenn zahlreiche britische Küstenorte sehr von der Fischerei abhängig sind, ist sie für Großbritan­niens Wirtschaft im Großen und Ganzen ein eher geringer Posten. Ihr Anteil liegt bei 0,5 Prozent der britischen Wirtschaft­sleistung. Bei den EU-Austrittsv­erhandlung­en gibt es andere Interessen, die zentraler für London sein dürften.

Vor allem aber ist die britische Fangflotte abhängig davon, Zugang zum EU-Markt zu erhalten, um Fisch verkaufen zu können. Letztlich erhoffen sich die anderen Fangnation­en hier einen effektiven Hebel.

Vor allem die Schwarmfis­charten Hering, Blauer Wittling und Makrele werden in britischen Gewässern gefangen. Auch Norddeutsc­hlands Fischer wären betroffen. Rund die Hälfte der deutschen Fangmenge und 30 Prozent der Gesamtumsä­tze der deutschen Fischerei wären betroffen, sollte Großbritan­nien seine Fangzonen absperren.

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